Hoffenheim – zu groß für Rangnick?
VIPs, Mode und shoppende Spielerfrauen: Die Begleiterscheinungen des Ruhms, beim FC Bayern seit Jahren Alltag, gehen dem 1899-Trainer gegen den Strich. Der Erfolg könnte darunter leiden.
HOFFENHEIM Trainer, Manager und Präsidenten poltern gerne fröhlich darauf los, wenn sie von Problemen ablenken wollen. Man kennt das vom leidenschaftlichen Uli Hoeneß oder auch von Franz Beckenbauer. Diesmal greift das Phänomen in einer Region um sich, die dagegen immun schien: Im beschaulichen Kraichgau, im Dorf Hoffenheim und bei Cheftrainer Ralf Rangnick. Dem wird seit seiner Zeit als Fußball-Lehrer in Stuttgart und auf Schalke eine Art „Promi-Problem“ nachgesagt. Nun taucht die Frage auf: Holt Erfolgstrainer Rangnick die Vergangenheit ein? Und: Wird ihm nun sogar das 3300-Einwohner-Örtchen Hoffenheim zu groß?
Zoff gab es damals vor allem mit den Stars oder mit solchen, die sich dafür hielten. Bei VfB-Freistoß-Magier Krassimir Balakow ging es um ein King-Size-Bett bei Auswärtsspielen und bei Schalke lief es insbesondere mit Keeper Frank Rost schlecht.
Nun scheint die heile Welt bei 1899 langsam aus den Fugen zu geraten. Zuerst schimpft Rangnick über VIPs, die zu lange am Buffet futtern und Schampus schlürfen, statt sich das Eröffnungsspiel gegen eine Regionalauswahl in der neuen Rhein-Neckar-Arena anzuschauen. Dann meckert er über die Staus nach Spielen rund um das neue Stadion und schließlich über die Handtaschen der Spielerfrauen und Freundinnen und darüber, dass seine Spieler wie Popstars behandelt werden und deshalb den Boden unter den Füßen verlieren. Rangnick echauffiert sich über all das, was beispielsweise den FC Bayern mittlerweile seit Jahrzehnten zu mehr als nur irgendeinem langweiligen Fußball-Klub macht.
„Über Wochen und Monate haben meine Spieler gelesen, wie gut sie sind. Sie wurden wie Popstars behandelt, wie Models abgelichtet. Für Medien waren plötzlich die Handtaschen der Freundinnen interessant. Mit schwachsinnigen Dingen wurden Spieler konfrontiert, da fiel es dem einen oder anderen vielleicht etwas schwer, sich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren", sagte Rangnick der "Rhein-Neckar-Zeitung". Im Klartext: Den Gipfelstürmern stieg der Erfolg zu Kopf und das Trainerteam bekommt das Problem nicht in den Griff. Wie man gegen Leverkusen (1:4) gespielt habe, gehöre man nicht "zu den Teams, die für die Plätze eins bis fünf in Frage kommen", so der 50 Jahre alte Schwabe weiter.
Hat er jetzt schon genug, weil es ihm zu wenig um Fußball geht? Schon nach seinen Attacken gegen die Eröffnungsspiel-VIPs fragte sich nicht nur die „AZ“: „Weiß Rangnick für wen er arbeitet?“ Oder liegt es einfach daran, dass man in Hoffenheim in der ersten kleinen Krise dünnhäutig geworden ist? Dabei schien die heile Welt bei 1899 wie geschaffen für einen wie ihn, der sich Fußball pur wünscht, ohne Nebengeräusche, Showeffekte und Brimborium. Das „interessanteste Projekt“ nannte er selbst den rasanten Aufstieg aus der Regionalliga in die Bundesliga. Es schien keine Grenzen zu geben, vor allem dank der Millionen von Mäzen und Multi-Milliardär Dietmar Hopp.
Auch jetzt sind Ausraster des Cheftrainers kaum nachvollziehbar. Nach dem 1:2 in München konnte der sich kaum beruhigen und witterte Ungerechtigkeit. Prompt stellte Uli Hoeneß fest: „Rangnick versteht es nicht, mit Höhenluft umzugehen.“ Beim Hallenturnier in Mannheim tadelte Rangnick Waldhof-Fans, die Schmählieder gegen 1899 gesungen hatten, obwohl Hopp den maroden Klub am Leben erhält. Auch diesmal scheint es andere Gründe für die schlechte Laune zu geben als Handtaschen. Nur mit Mühe lassen sich Fotos von Freundinnen mit Handtasche am Arm entdecken. Oder Tobi Weis, über den die lokale „Bild“-Ausgabe berichtete: „Liebes-Zoff bei Herbstmeister Hoffenheim". Der Neu-Nationalkicker hatte sich getrennt, die Ex zog samt Hund aus, weil er mit einer Blondine zur Weihnachtsfeier im „Palazzo" aufkreuzte. Für Rangnick scheint allein das zuviel. Hoeneß oder Beckenbauer kämen sich dagegen vor wie im Paradies.
Oliver Trust