Her mit der Torlinientechnik – jetzt!
Sinsheim – Das Sinsheim-Tor, eine provinzielle Alternative zum Wembley-Tor, war der Bundesliga-Aufreger. Der Kopfball von Leverkusens Stefan Kießling beim 2:1 in Hoffenheim, war zwar nicht drin, aber im Tor landete der Ball wegen eines Loches im Netz trotzdem, was Schiedsrichter Felix Brych zum Torpfiff verleitete. Ein krasses Fehlurteil.
Warum muss im 21. Jahrhundert, in einer Zeit, in der Hightech-Kameras aus dem All alles überwachen können, der Fußball hier weiter im Steinzeit-Alter verharren? Warum führt man nicht jetzt eine effektive Torlinientechnik ein? „Ein Phantomtor wie in Hoffenheim ist bei GoalControl absolut unmöglich”, Dirk Broichhausen, der Geschäftsführer der Firma Goalcontrol.
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Das Unternehmen aus Würselen bei Aachen hat von der Fifa den Zuschlag erhalten, bei der WM 2014 in Brasilien durch ihre Torlinientechnik solche Geister-Treffer zu verhindern. Schon beim Confed-Cup 2013 kam das System zum Einsatz – ohne Probleme.
Warum nicht jetzt in Deutschland?
Frühestens 2015 will die Deutsche Fußball-Liga (DFL) das System verwenden. „Wir sprechen über ein hochkomplexes System, das möglicherweise noch störanfällig ist. Eine Fehlertoleranzgrenze von drei Zentimetern, die die Fifa zulässt, ist für uns nicht annehmbar”, sagte Geschäftsführer Andreas Rettig der „FAZ”.
Das Goalcontrol-System unterschreitet diese Fehlermarge aber klar. „In Mess-Reihen hat das System Genauigkeiten in der Bandbreite von fünf bis 15 Millimeter nachgewiesen”, erklärte Firmensprecher Rolf Dittrich der AZ.
Lesen Sie hier: Pro & Kontra: Muss das Spiel nach dem Phantomtor wiederholt werden?
Wie funktioniert das System?
Es werden im Stadion 14 Hochgeschwindigkeitskameras eingesetzt, die die Torlinie überwachen, jede dieser Kameras macht bis zu 500 Bilder pro Sekunde – das menschliche Auge schafft 24. Daraus wird der Ball andauernd in drei Dimensionen erfasst. „Nur wenn der Ball durch diesen ’virtuellen Vorhang’ von vorne – also nicht durch ein Außennetz von der Seite – ins Tor kommt, wird dem Schiedsrichter dies als Treffer an seiner Spezialuhr angezeigt”, sagt Dittrich.
Was kostet Goalcontrol?
Als einmalige Investition müssten gut 200000 Euro pro Stadion gezahlt werden. Zu viel, sagt Uefa-Boss Michel Platini, der auf Torrichter statt auf Technik setzen will: „Bei 280 Stadion macht das Millionen aus, die investiere ich lieber in den Nachwuchs als in ein System, das einen Fall verhindert, der nur alle 40 Jahre passiert.”
Wie läuft es in anderen Ligen/Sportarten? In der englischen Premier League wird seit dieser Saison mit einem anderen System gearbeitet: „Hawkeye”. Auch in der niederländischen Liga laufen Tests mit Torlinientechnik. Im American Football gibt es seit 1986 die „Instant Replay”, die Überprüfung strittiger Szenen durch einen Referee an einem TV-Monitor. In der Eishockey-Liga wurde Mitte der 90er Jahr der Videobeweis eingesetzt. Im Tennis wird seit 2008 das Hawkeye (Adlerauge) benutzt. Auch im Fechten, in der Leichtatheltik oder dem alpinen Skisport gehören Videobeweise längst dazu. Nur der Fußball verweigert sich. Noch.