Fragen und Antworten zum "FIFA-Beben" in Zürich
München/Zürich - Offiziell verkauft die FIFA das Geschehen als "positives Ereignis" zur Schaffung juristischer Klarheit. Doch der Imageschaden kurz vor dem Kongress ist fatal. Joseph Blatter will dennoch am Freitag für eine fünfte Amtszeit kandidieren.
Blatter selbst "tanzt jetzt nicht in seinem Büro", erklärte FIFA-Mediendirektor Walter De Gregorio am Mittwoch auf einer Pressekonferenz: "Aber er ist ruhig und sieht, was passiert. Er ist kein glücklicher Mann im Moment - aber er weiß, dass das, was passiert, die Konsequenz von dem, was die FIFA angestrengt hat."
De Gregorio betonte zudem, dass der 79-Jährige und der Generalsekretär Jérôme Valcke nicht zu den Beschuldigten gehören und nicht involviert sind.
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Zwanziger: "Bin froh, dass endlich etwas passiert!"
FIFA-Spitzenfunktionär Theo Zwanziger hält das juristische Vorgehen gegen den Fußball-Weltverband für überfällig. "Ich bin froh, dass endlich etwas passiert", sagte der ehemalige Präsident des Deutschen Fußball-Bundes der "Rheinischen Post" (Donnerstag). Zuvor war unter anderem FIFA-Vize Jeffrey Webb in Zürich festgenommen worden. Das US-Justizministerium beschuldigt insgesamt 14 Personen des organisierten Verbrechens und der Korruption.
"Das ist ein großer Sumpf", sagte Zwanziger, der noch Mitglied der FIFA-Exekutive ist. Das Problem sei allerdings nicht damit erledigt, die Wiederwahl des umstrittenen FIFA-Chefs Joseph Blatter am Freitag zu verhindern. "Der Fehler liegt im System der FIFA. Es können sich zu viele bedienen", sagte Zwanziger.
Der 69-Jährige unterstützt auch weitreichende Ermittlungen zu den Vergaben der WM-Turniere 2018 und 2022 an Russland und Katar. "Es darf nichts unter den Teppich gekehrt werden", forderte Zwanziger
UEFA reagiert bestürzt über Vorfall
Auch die Führungsriege der Europäische Fußball-Union (UEFA) reagierte bestürzt auf die Vorgänge im Weltverband FIFA. "Die UEFA ist verwundert und betrübt angesichts dessen, was in Zürich geschehen ist", teilte der Kontinentalverband mit.
Die Vertreter des UEFA-Exekutivkomitees, darunter auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, sind wegen des Finales der Europa League derzeit in Warschau und kommen dort zu einem informellen Treffen zusammen, wo die Situation weiter besprochen werden soll.
Justizminister Maas fordert Ermittlungen
Deutschlands Justizminister Heiko Maas fordert nach dem erneuten Skandal beim Fußball-Weltverband FIFA umfassende Ermittlungen. "Die Fans haben ein Recht darauf, dass das jetzt umfassend aufgeklärt wird", sagte Maas der Bild-Zeitung (Donnerstagsausgabe): "Korruption darf im Fußball keinen Platz haben."
Die AZ liefert Ihnen hier noch einmal eine Übersicht über die wichtigsten Fragen und Antworten:
WAS IST PASSIERT?
Am frühen Mittwochmorgen sind in Zürich sieben hochrangige Funktionäre des Fußball-Weltverbands FIFA von der Kantonspolizei Zürich festgenommen und abgeführt worden. Darunter auch die beiden FIFA-Vizepräsidenten Jeffrey Webb (Kaimaninseln) und Eugenio Figueredo (Uruguay). Die Polizeiaktion im noblen Fünf-Sterne-Hotel "Baur au Lac" glich einem Hollywood-Film. Die In Zivil gekleideten Beamten, die wegen eines Ersuchens aus den USA handelten, ließen sich an der Rezeption die Zimmerschlüssel geben und holten die Funktionäre aus ihren Zimmern. In einer weiteren, davon unabhängigen Justizaktion verlangte die Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts auf Geldwäscherei und Schmiergeldzahlungen bei den WM-Vergaben an Russland (2018) und Katar (2022) die Aushändigung mehrerer Dokumente aus dem FIFA-Hauptquartier.
WORUM GEHT ES GENAU?
Laut Schweizer Bundesamt für Justiz (BJ) geht bei den aus den USA arrangierten Verhaftungen um die Annahme von Schmiergeldern jenseits der 100-Millionen-Dollar-Marke aus den vergangenen 20 Jahren. Den sieben Festgenommenen, die in die USA ausgeliefert werden sollen, werden Geldwäsche, die Annahmen von Bestechungsgeldern sowie Korruption bei WM-Vergaben und TV-Rechten vorgeworfen. Die mutmaßlichen Bestecher sind Vertreter von Sportmedien und von Sportvermarktungsunternehmen. Als Gegenleistung sollen diese bei der Austragung von Fußballturnieren in den USA und Lateinamerika die Medien-, Vermarktungs- und Sponsoringrechte erhalten haben. Klar war bislang nur, dass die US-Bundesbehörde FBI seit Monaten Ermittlungen gegen die FIFA und ehemalige FIFA-Funktionäre anstrengt. Blatter hatte zurückgewiesen, ins Visier der US-Behörden geraten zu sein. Im zweiten Verfahren der Bundesanwaltschaft geht es um "Unregelmäßigkeiten bei den Vergaben für die Weltmeisterschaften 2018 sowie 2022". Diese hatte die FIFA mit einer Strafanzeige selbst angestrengt und ist deshalb die Geschädigte.
WER WURDE VERHAFTET?
Das US-Justizministerium hat Anklage gegen neun FIFA-Offizielle wegen des Verdachts der Verschwörung und Korruption bestätigt. Von der Schweizer Polizei verhaftet wurden Jeffrey Webb, Eugenio Figueredo, Eduardo Li, Julio Rocha, Costas Takkas, Rafael Esquivel and José Maria Marin. Webb hatte sich am Dienstag noch bestens gelaunt beim Treffen seines Kontinentalverbandes CONCACAF gezeigt. Mediendirektor Walter De Gregorio bestätigte, dass FIFA-Präsident Joseph S. Blatter und Generalsekretär Jérôme Valcke nicht zu den Beschuldigten gehören.
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DIE ROLLE BLATTERS?
Joseph Blatter gehört nicht zu den Beschuldigten. Gegen ihn wird nicht ermittelt. Damit gleichen die Fälle allen anderen Skandalen unter der Regentschaft des FIFA-Chefs. Und wieder stellt sich der Schweizer auch als Opfer da. "Die FIFA ist die Geschädigte", lautete am Mittwoch das offizielle Statement. Unbeirrt will sich Blatter am Freitag zur Wahl stellen und eine fünfte Amtszeit antreten.
Im Aussitzen von Skandalen ist er ein Weltmeister. Dennoch bleibt wieder die Frage, warum der 79-Jährige offensichtlich schwerwiegende kriminelle Vergehen in seiner Organisation nicht registrierte oder - wie in jedem anderen Weltunternehmen - dafür geradesteht.
FINDET DIE PRÄSIDENTEN-WAHL AM TROTZDEM STATT?
Ja! Die FIFA geht zur Tagesordnung über. Am Donnerstag beginnt im Hallenstadion der 65. FIFA-Kongress, am Freitag will FIFA-Boss Joseph S. Blatter (79) in seine fünfte Amtszeit gewählt werden. Einziger Herausforderer ist der jordanische Prinz Ali bin Al Hussein (39), der bereits von einem "traurigen Tag für den Fußball" sprach.
WELCHE AUSWIRKUNGEN HABEN DIE VERHAFTUNGEN AUF DIE WAHL?
Das ist kaum abzusehen. Allein weil zwei Vizepräsidenten aber nicht auf ihrem Platz sitzen werden, kann die Veranstaltung kaum mehr als zu einer gewaltigen Farce werden. Die Wiederwahl eines Präsidenten, aus dessen Führungsriege Personen verhaftet wurden und auf ihre Auslieferung in die USA warten, ist nur sehr, sehr schwer vorstellbar. Aber bei der FIFA ist alles möglich. Blatter hat schon viele Krisen überstanden.
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GIBT ES KONSEQUENZEN?
Der Ruf nach einer grundlegenden Erneuerung des Weltverbandes wird wieder laut erschallen. Aber: Der Kongress findet statt. Die Präsidentschaftswahl findet statt. Die FIFA will ihr Programm einfach durchziehen. Sogar die mit Spannung erwartete Verteilung der WM-Startplätze für 2018 und 2022 am Samstag durch das neue Exekutivkomitee soll wie geplant vorgenommen werden, obwohl in Webb und Figueredo zwei Konföderationspräsidenten entweder fehlen werden oder deren Ruf zumindest massiv beschädigt ist. Die Frage ist, ob sich innerhalb des Weltverbandes nun eine Opposition bilden kann, die an Blatters Thron wirklich rütteln kann und vor allem will.