Euro 2016: Kabarettist Hannes Ringlstätter über Elfmeterschießen und seinen Halbfinale-Tipp
Der 46-jährige Niederbayer ist Kabarettist, Schauspieler, Comedian, Musiker – und dazu noch Club-Fan und 1860-Sympathisant.
AZ: Herr Ringlstetter, außer dass man oft übertriebene Grimassen machen muss: Was verbindet Kabarett und Fußball?
HANNES RINGLSTETTER: Fußball ist total ähnlich zu meiner Arbeit, weil man mit seiner Energie haushalten muss. Wenn ich eine Tour habe mit fünf Tagen, auf die es ankommt, dann bündele ich die Kräfte diese Tage. Wenn ich eine Tournee hab’ von vier Wochen, muss ich mir meine Kräfte ganz anders einteilen. Das ist beim Fußball auch der Unterschied zwischen einer Saison und einem Turnier – das sind zwei verschiedene Sportarten, Kurzstrecke und Ausdauer.
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Und wie haushaltet man?
Zum einen hat es was mit Disziplin zu tun, zum anderen muss man aber auch mal zur rechten Zeit die Sau rauslassen, damit man entspannt bleibt. Sich mal die Kante geben, aber nur einen Tag, sonst hängt es einem vier Tage nach. Bei der Kurzstrecke brauchst du dann auf einmal viel Energie, das Adrenalin für so ein Turnier muss erst kommen nach der Saison. Das kann die deutsche Mannschaft am besten, und das fasziniert mich.
Gegen Italien wurde es dann gefühlt doch eine Langstrecke. Sind Sie noch aufgewühlt vom Elferschießen?
Nein, da war ich ganz ruhig, obwohl es fürchterlich war. Aber ich hatte irgendwie einen Gerechtigkeitstag und war mir sicher, dass das gut ausgeht.
Warum?
Weil so ein Fehler, der zum Ausgleich geführt hat, einem grandiosen Boateng einmal in zehn Jahren passiert. Die Deutschen waren überlegen, aktiver, mobiler im Aufbau, da war der Sieg verdient. Es gab tolle Leistungen, von Hector oder Kimmich zum Beispiel. Und ich finde es unfassbar, dass Schweinsteiger so lange durchgehalten hat.
Und dann leider nicht traf.
Ich finde sowieso, dass Abwehrspieler Elfer schießen sollten und nicht Stürmer oder offensive Spieler. Weil Stürmer einfach fertig sind. Die sind nach so einem Spiel durch, und dann kommt dieser blöde Job hinterher. Abwehrspieler haben eine andere Konzentration während des Spiels und sind, glaube ich, eher in der richtigen Verfassung für sowas.
In welcher Verfassung waren Sie nach dem Spiel?
Eine Gefühlsregung gab’s schon, aber ich bin jetzt nicht durch die Wohnung getanzt.
Sie schauen also gern daheim auf dem Kanapee?
Ich schaue immer allein, Public Viewing liegt mir gar nicht. Weil ich da nicht aus mir rausgehen und einen Fernseher anklatschen kann. Ich bin eher so der niederbayerische Kommentator: ,Mei bist du blöd’, sage ich dann oder ,Gib halt ab, des musst du doch sehen!“ Ganz schlimm.
Haben Sie das daheim in Niederbayern gelernt?
Meine erste wirklich intensive Länderspiel-Erinnerung hat tatsächlich damit zu tun. Zur WM 1978 in Argentinien war ich mit meinen Eltern im Bayerischen Wald beim Wanderurlaub im Nebenhaus einer Bauernfamilie eingemietet. Dann bin ich da mit meinen acht Jahren einmal rüber gegangen auf den Bauernhof und in die Stubn rein. Da lief der Fernseher, es spielte Deutschland gegen Mexiko, und ein Haufen Männer saß in der total verrauchten Stube am Tisch, mit wahnsinnig viel Alkohol, so haben sie das Spiel geschaut.
Und kommentiert?
Auf eine sehr robuste Art. Sie haben halt eher gebrüllt und auf die Tischplatte eingehauen. Mich haben sie nicht mal bemerkt. Das war ein Spektakel, das werde ich nie vergessen.
Hat Sie dann nie diese Euphorie gepackt?
Doch einmal, bei der Weltmeisterschaft 1990, als die in Italien Weltmeister geworden sind, da hat es mich voll gepackt. Das war der einzige Autokorso meines Lebens, an dem ich beteiligt war.
Mit dem eigenen Auto?
So, wie ich mich kenne, nicht. Ich bin, glaub’ ich, auf irgendein Auto raufgestiegen, das war noch in Regensburg, am Haidplatz rum. Raufgestiegen und halt rumgefahren.
Auf der Leopoldstraße gäb’s am Donnerstag vielleicht Gelegenheit für eine Wiederholung. Wer gewinnt?
Das ist ganz schwierig. Frankreich ist eine meiner Lieblingsmannschaften. Und die haben am Sonntag schön aufgespielt, außerdem hätte es das Land so verdient nach diesem schweren letzten Jahr. Da soll jetzt der sportlich Bessere gewinnen. Und das wird ganz knapp. Da es zwei Offensivmannschaften sind, wird der gewinnen, der das bessere Spiel macht. Kontern oder schnelles Umschaltspiel, damit reißt man es nicht.
Also keine Prognose?
Nur die: Wer dieses Spiel gewinnt, wird Europameister, da bin ich mir ganz sicher. Portugal und Wales, vergiss es! Die werden geputzt, egal von wem.
Sie halten gern zu Underdogs, was sagen Sie zu Island?
Das war einfach geil. Island und Wales haben diese EM gerettet. Die Isländer taktieren oder mauern nicht, sie spielen nach vorn, sobald es geht. Gut, wenn eine Mannschaft wie Frankreich kommt und einen normalen Tag hat, kapieren die das halt nicht mehr, das ist zu schnell für Fußballer, die sonst nicht in den Top-Ligen spielen. Aber die Isländer waren super, deren Erfolg geht weiter. Und das ist gut, denn das sind endlich mal wieder coole Typen.
Fehlten die?
Das sind mal wieder Fußballer, die nicht ausschauen wie Fußballer. Die haben keine komischen, auf den Millimeter rasierten Haarschnitte. Die kommen als eher rauer Rabaukentrupp daher, weil’s ihnen wurscht ist – super.
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