"Ein Titel bleibt in den Köpfen der Menschen"

Toni Schumacher, jetzt 62 Jahre alt, war der Torwart der deutschen Nationalmannschaft, die 1980 Europameister wurde.
AZ: Herr Schumacher, wie oft denken Sie an den 22. Juni 1980, die 88. Minute, das Kopfballtor von Horst Hrubesch und den Gewinn des EM-Titels im Olympiastadion von Rom?
TONI SCHUMACHER: Wenn EM ist, denkt man immer wieder dran. Die Ecke kam von Karl-Heinz Rummenigge, dann köpft Horst Hrubesch den Ball rein. Er hatte ja auch schon das erste Tor gemacht mit einem Aufsetzer. Das sind schöne Erinnerungen, ich hatte ja vor dem Turnier erst vier halbe Länderspiele gemacht – und dann gleich so ein Triumph.
War das im Rückblick Ihr größter Moment der Karriere?
Die Karriere war ja damals noch nicht so lang in der Nationalmannschaft (lacht). Ich stand ja auch in zwei WM-Finals, das vergisst man auch nicht. Aber wenn man einen Titel mit dem Nationalteam gewinnt, bleibt das natürlich in den Köpfen der Menschen.
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Und bei Ihnen persönlich?
Ich weiß noch, dass ich mit einer gebrochenen Mittelhand gespielt habe. Unser Arzt aus Köln wurde eingeflogen, der hat mir eine Spitze reingeladen, damit ich spielen konnte.
Was ist sonst hängengeblieben von dieser EM?
Dass wir eine sehr junge Mannschaft hatten mit Bernd Schuster, Klaus Allofs und Hansi Müller. Wir waren hungrig, die meisten Spieler hatten noch nicht viel gewonnen. Und diese Hitzeschlacht in Neapel beim 3:2 gegen die Niederlande, auch das 1:0 gegen die Tschechien im Eröffnungsspiel.
Den Elfmeter im Finale für die Belgier, der keiner war, haben Sie auch noch parat?
Der ist ja leider rein (lacht). Und Elfmeter, die reingehen, habe ich immer schnell vergessen. Ich erinnere mich lieber an die, die ich gehalten habe.
Ihr Debüt hatten Sie ein Jahr zuvor gegen Island gegeben.
Ja, eine Halbzeit lang.
Sie kamen für Sepp Maier ins Spiel. War er Ihr Vorbild?
Er war mein großes Vorbild. Nicht nur wegen seiner Art, wie er gespielt hat, sondern wegen seiner Einstellung. Er hat über 400 Liga-Spiele am Stück gemacht, faszinierend! Ich weiß, mit wie vielen Schmerzen das verbunden ist. Ich habe mich auf den Weg gemacht, diesen Rekord zu brechen. Damals hat mich der 1. FC Köln vereinsintern gesperrt für ein Spiel. Ich habe noch versucht, mich freizukaufen, aber da haben sie nicht mitgemacht.
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Vor der EM war eigentlich Norbert Nigbur die Nummer eins im deutschen Tor. Er hat sich aber verletzt und Ihnen den Weg freigemacht.
Das ist manchmal so, dann musst du da sein und deine Chance ergreifen. Das habe ich gemacht. So war es ja auch 2010 mit René Adler und Manuel Neuer. Hätte sich Adler nicht verletzt, wäre er die Nummer eins gewesen.
Das Turnier 1980 war Ihr Startschuss in eine erfolgreiche Zeit in der Nationalelf.
Von 1980 an ging es ja dann ständig bergauf. Wir haben eine gute WM in Spanien gehabt, obwohl wir nicht gerade die Lieblinge waren und eine eher lockere Vorbereitung am „Schlucksee“ hatten. Es war eine gute Zeit für den deutschen Fußball, auch 1986 waren wir ja im WM-Endspiel.
Triumph von Rom: Deutschland nach dem 2:1-Sieg gegen Belgien und dem Gewinn des Titels bei der EM in Italien 1980. Foto: firo/Augenklick
Aktuell erlebt der deutsche Fußball wieder eine gute Zeit. Wer sind denn die Favoriten auf den EM-Sieg neben Deutschland?
Die Gastgeber natürlich und die Belgier, die ich sehr stark einschätze. Das ist eine Mannschaft, die für eine Überraschung gut ist. Da passt es mit dem Trainer, eine sehr harmonische Mannschaft. Die können etwas bewegen.
Auf welche Torhüter achten Sie besonders bei dem Turnier?
Manuel Neuer ist natürlich der Beste. Daneben vor allem auf Gianluigi Buffon, er und Neuer stehen über den anderen. Ich würde es Neuer gönnen, dass er noch viele Titel holt.
Wie lange kann er noch spielen? Neuer ist erst 30 Jahre alt.
Sechs Jahre auf jeden Fall, vielleicht bis 38. Das ist ja ein Junge, der für den Fußball lebt.
Wer könnte Neuer im deutschen Tor folgen?
Da gibt es viele junge Leute wie Marc-André ter Stegen, Bernd Leno, Ron-Robert Zieler, das sind großartige Talente. Wenn Manuel mal was passiert und er nicht spielen kann, wäre ich nicht aufgeregt, wenn einer von den Jungen spielt. Das ist eine Stärke der deutschen Mannschaft, über die Torhüter müssen wir uns weiter keine Sorgen machen.