Ein Orden für Jogi

CENTURION - Zum WM-Abschluss drängt sich Bundespräsident Wulff nach vorne: Nach dem kleinen Finale verteilt er Bronze, bald gibt’s Silberne Lorbeerblätter für die DFB-Stars – und für Löw das Bundesverdienstkreuz.
Es kam einem Staatsakt gleich, als die Herren am Sonntagmittag um zwölf Uhr das Podium im Pressekonferenzraum des Mannschaftshotels „Velmore Grande“ betraten. Klammern wir einmal Bundeskanzlerin Angela Merkel aus, saßen dort in Erasmia bei Centurion, an einer mit Schlaglöchern gesäten Straße im Niemandsland, die fünf wichtigsten Personen dieses Fußball-Sommers: Neu-Bundespräsident Christian Wulff, Alt-DFB-Präsident Theo Zwanziger, Noch-Bundestrainer Joachim Löw, Bald-nicht-mehr-Nationalelf-Kapitän Philipp Lahm und Immer-wieder-Kapitäns-Stellvertreter Bastian Schweinsteiger.
Ein Staat auf Reisen, geballte Macht – ob in Anzug und Krawatte oder im Trainingsanzug. Wulff hatte am Vorabend das Spiel um Platz drei der deutschen Elf gegen Uruguay in Port Elizabeth besucht und den 3:2-Siegern – Respekt: gerade einmal zwölf Tage im Amt und schon bei einer WM dabei! – die Bronzemedaillen überreicht.
Doch Wulff hatte mehr im Gepäck als eine schnöde Halbfinalverliererplakette, die bei den meisten Spielern so viel Freude hervorruft wie ein Lauftrainingslager in der Sommervorbereitung. Es wurde feierlich, als der Nachfolger von Horst Köhler verkündete, welche Überraschung er parat habe – alles in Silber! „Unser Land kann dankbar für diese Leistung und stolz auf diese Mannschaft sein“, holte der Niedersachse aus und sagte: „Die Nationalmannschaft war bester Botschafter unseres Landes in der Welt.“
Daher schlug Wulff DFB-Präsident Zwanziger vor, die Spieler der Nationalelf wie nach dem dritten Platz bei der Heim-WM 2006 mit dem Silbernen Lorbeerblatt zu ehren. Wulff ließ Fachkenntnis aufblitzen, in dem er – nicht als Erster freilich – feststellte: „Es ist die beste Mannschaft seit 1972.“
Und deren Trainer hat mehr verdient als ein Lorbeerblatt. Löw bekommt sogar einen Orden. Wulff sagte pathetisch: „Ich habe entschieden, Herrn Joachim Löw im Schloss Bellevue für seine Verdienste mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland auszuzeichnen.“ Sofort schaltete das Staatsoberhaupt um und meinte jovial zum Sitznachbarn: „Ich hoffe, Sie, Herr Löw, damit zu erfreuen, weil man in Deutschland weiß, was für einen Anteil Sie am Erfolg haben. Ich wollte das hier bekannt geben im Namen aller Fußballfans in Deutschland.“
Die perfekte Gelegenheit für die Übergabe von Verdienstorden und Lorbeerblatt wären die Tage vor dem 8. Oktober, wenn die Nationalelf ein EM-Qualifikationsspiel in Berlin gegen die Türkei austrägt. Die Frage wird nur sein: Kommt Löw dann als aktueller Bundestrainer oder besucht er seine ehemalige Mannschaft?
Für Wulff, der am Abend auch das Finale zwischen Spanien und Holland besuchte, steht die Nationalelf und ihr Bild eines „weltoffenen, fröhlichen, sympathischen, bunten Deutschland“ (Wulff), das sie geschaffen hat in einer Linie mit Grand-Prix-Sangeskönigin Lena Mayer-Landrut und dem dritten Höhepunkt dieses Jahres: seiner Wahl, „der Wahl eines jungen Präsidenten“. Der Mann ist 51.
Ob sich denn diese Stimmung aus Südafrika inklusive Lenas Erfolg weiterführen lasse und auch den Rest des Jahres beeinflusse, wurde Wulff auch noch gefragt. Als größtes Ereignis konnte er nur die „Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels“ nennen. David Grossmann bekommt ihn – bei allem Respekt: Die feierliche Zeremonie in der Frankfurter Paulskirche am Vorabend der dortigen Buchmesse wird sicher nicht per Public Viewing übertragen.
Ganz so furchtbar exklusiv ist Löws Bundesverdienstkreuz für die heimische Vitrine übrigens auch nicht. Bisher wurde der Orden gut 240 000 Mal verliehen, heißt es auf der Internetseite des Präsidenten. Die Goldmedaille bei dieser WM wäre Löw sicher viel lieber gewesen.
Patrick Strasser