Die Fouls der FIFA
Unter dem Verdacht der Bestechlichkeit entscheidet heute eine Funktionärsrunde in Zürich über die Weltmeisterschaften von 2018 und 2022. Die AZ blickt hinter die Kulissen
Zweiundzwanzig feine Herren spielen Schicksal. Präsidenten, Prinzen und Stars hofieren sie. Denn am Donnerstag entscheidet die Fifa, wer die WM 2018 und 2022 ausrichten darf. Dass mindestens fünf der Funktionäre unter Korruptionsverdacht stehen, interessiert ihren Boss Sepp Blatter nicht. Kontrolliert werden sie auch nicht. Die Fifa, die über Milliardenbudgets entscheidet, wird geführt wie ein Kaninchenzüchter-Verein. Wie es zugeht in Zürich und im Kreis der Herren des Fußballs, erklärt die AZ in zehn Fragen.
Wie wird bei der Vergabe geschachert? Es wird immer geschachert, das war stets so und wird stets so bleiben. Diesmal gibt es Absprachen zwischen Spanien und Portugal (2018) und Katar (2022).
Wie war’s in der Vergangenheit? Einst haben sich auch Brasilien und Südafrika verständigt – Brasilien zog für die WM 2006 zugunsten von Südafrika zurück, doch Deutschland gewann. Der Pakt zwischen Brasilianern und Südafrikanern trug langfristig Früchte: Südafrika erhielt die WM 2010, Brasilien richtet die WM 2014 aus. Auch die Deutschen haben schon Absprachen getroffen, etwa für die WM 2006, als der damalige DFB-Präsident Egidius Braun sich mit seinem Freund, dem Uefa-Präsidenten Lennart Johansson, einigte und die englische Bewerbung weitgehend ausbremste. Der DFB unterstützt die Australier für die WM 2022, mit dem umtriebigen Lobbyisten Fedor Radmann, dem Intimus von Fifa-Exekutivmitglied Franz Beckenbauer, und der Münchner Agentur von Andreas Abold. Abold hatte zuletzt schon die siegreichen WM-Bewerbungen von Deutschland (2006) und Südafrika (2010) betreut.
Wer kungelt mit wem? Es geht um die teuersten WM-Wettbewerbe der Geschichte. Allein das Emirat Katar hat mehrere hundert Millionen Dollar in die Bewerbung gesteckt. Die Bewerber verpflichten hochkarätige und vor allem teure PR-Agenturen und Spindoktoren aus aller Welt. Viele ehemalige enge Mitarbeiter des Fifa-Präsidenten Joseph Blatter verdienen fürstlich an den Bewerbungen. Sein langjähriger persönlicher Berater Peter Hargitay werkelt etwa gemeinsam mit Radmann für Australien. Einige der Spindoktoren und PR-Experten sind zugleich für die WM-Bewerbungen und die parallel laufenden Olympiabewerbungen 2018 tätig.
Wer wurde bereits wegen Korruption von der Fifa belangt? Die Fifa-Ethikkommission suspendierte vor zwei Wochen die Exekutivmitglieder Amos Adamou (Nigeria) und Reynald Temarii (Tahiti) wegen Bestechlichkeit. Sie hatten sich empfänglich gezeigt für Millionen, die ihnen getarnte Journalisten der Sunday Times angeboten hatten. Vier weitere Offizielle aus dem Fifa-Umfeld sind ebenfalls suspendiert. Die großen Fische aber, die nachweislich Dutzende Millionen Euro Schmiergeld etwa vom Rechtehändler ISL erhalten haben, stimmen mit ab. Allen voran Brasiliens Verbandschef Ricardo Teixeira. Als Chef des WM-Organisationskomitees 2014 kann er selbst entscheiden, wie viele Millionen er von einem WM-Profit kassiert. Typisch Fifa: ein Selbstbedienungsladen.
Wer steht noch unter Korruptionsverdacht? Von der Firma ISL, die Sportfunktionäre nachweislich mit 141 Millionen Schweizer Franken schmierte, haben neben Teixeira auch die Exekutivmitglieder Nicolas Leoz (Paraguay) und Issa Hayatou (Kamerun) kassiert. Es gibt weitere Schmiergeldempfänger, deren Namen die Fifa geheim halten will. Auch der langjährige Fifa-Boss und heutige Ehrenpräsident Joao Havelange (Brasilien), Teixeiras Ex-Schwiegervater, hat kassiert – es bleibt alles in der Familie. Dubiose Millionenzahlungen aus dem Reich des TV-Rechtehändlers Leo Kirch wurden nach der deutschen WM-Bewerbung 2006 publik – Konsequenzen hatte das nicht.
Welche Maßnahmen ergreift der Weltverband? Kleine Sünder schmeißt man raus, wie 2006 das Exekutivmitglied Ismail Bhamjee aus Botswana, der während der WM mit wenigen Tickets gehandelt hat. Die großen Dealer, wie Fifa-Vizechef Jack Warner (Trinidad), lässt man laufen. Sie wissen zu viel – wie Teixeira, der 2015 Präsident werden will.
Wie ordnen Korruptionsjäger die Fifa-Praxis ein? Die Schweizer Sektion von Transparency hat eine Vertagung der WM-Vergabe und unabhängige Untersuchungen gefordert. Dazu wird es nicht kommen. Der milliardenschwere Konzern Fifa ist nach Schweizer Vereinsrecht organisiert. Sportkonzerne sind vom Gesetz über den unlauteren Wettbewerb ausgenommen. Darüber wird in der Schweiz wieder debattiert. Alle Staaten, die sich um eine WM oder um Olympische Spiele bewerben, beugen sich den Forderungen der Sportkonzerne wie Fifa und IOC. Sie gewähren Steuerfreiheit und andere Vergünstigungen. Große Initiativen, diese Praxis zu ändern, gibt es nicht. Auch nicht in Deutschland.
Wie äußert sich der DFB-Vertreter Franz Beckenbauer und dessen potenzieller Nachfolger Zwanziger? Beckenbauers Intimus Fedor Radmann arbeitet für Australien. Als Aufklärer ist Beckenbauer nie aufgefallen. Bahnbrechende Initiativen sind von DFB-Präsident Theo Zwanziger, der für Beckenbauer ins Fifa-Exekutivkomitee einziehen will, nicht bekannt.
Stehen deutsche Funktionäre auch unter Verdacht? Nicht im Zusammenhang mit den aktuellen Affären. Wohl aber gab es Hinweise, dass die Deutschen bei der WM 2006 mit unlauteren Mitteln nachgeholfen haben. Präsident Blatter war an einer Aufklärung nicht interessiert.
Welche Promis haben sich angesagt? Ellen Macpherson, David Beckham, Prinz William, Zinedine Zidane, Cristiano Ronaldo, David Cameron, Bill Clinton – aus allen elf Bewerbernationen pilgern nach Zürich, manche nur zur einstündigen Präsentation. Einer aber fehlt: Wladimir Putin, Russlands Premier. Er wollte sich nicht dem Risiko einer Niederlage aussetzen, was er als Gesichtsverlust sähe. Offiziell protestiert er mit der Abwesenheit gegen die „Schlammschlacht gegen die Fifa“.
Die Lotterie der Kandidaten
In einer Doppelrunde entscheiden die 24 Fifa-Topfunktionäre über dieWM 2018 und 2022. Für 2018 bewerben sich:
England: 17 Stadien in zwölf Städten, Budget knapp zwei Milliarden Euro. Die Chancen dürften sinken, weil Britanniens Medien den Bestechungsskandal aufgedeckt haben.
Russland: 13 geplante Spieleorte, große Distanzen und lange Flugverbindungen. Gesamtkostenmit drei Milliarden Euro höher.
Spanien/Portugal: Bestnoten von der Fifa, nur zwei von 21 Stadien in Portugal, Budget 1,5 Milliarden.
Niederlande/Belgien: Schwächste Bewerbung mit wenig Aussichten auf Erfolg. Die Kandidaten für 2022 sind
USA: Alle Stadien fertig, leicht favorisiert.
Katar: 12 Stadien im 30-Kilometer-Radius. Geld spielt im Öl-Emirat keine Rolle, dafür die Wüstenhitze: bis 50 Grad im Sommer.
Australien: Mitfavorit. Im dortigen Winter kein Hitze-Problem
Japan/Südkorea: Nur Außenseiter-Chancen