Die Boatengs: So tickt das ungleiche Brüderpaar
Wenn sich heute bei der WM am Zuckerhut Deutschland und Ghana gegenüberstehen, ist es auch ein Duell zweier Brüder: Jerome Boateng spielt für Jogi Löws deutsche Nationalelf, Halbruder Kevin-Prince läuft für Ghana auf. Doch wie kam es eigentlich dazu?
Wenn sich heute Abend bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien die beiden Teams von Deutschland und Ghana gegenüberstehen, dann ist die Partie für ein Brüderpaar etwas ganz besonderes. Denn Jerome Boateng (25) schnürt für die deutsche Auswahl die Fußball-Schuhe, sein älterer Halbbruder Kevin-Prince Boateng (27) entschied sich 2009, ghanaischer Nationalspieler zu werden. So unterschiedlich sich ihre sportliche Laufbahn entwickelte, so verschieden sind auch die Gemüter der beiden Profi-Fußballer, wie ein Blick auf ihren Werdegang zeigt.
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Denn Jerome ist zwar nur eineinhalb Jahre jünger als Kevin-Prince, dennoch trennen die beiden Kicker Welten. Während die Karriere des besonnenen und ruhigen Innenverteidigers Jerome reibungslos verlief und er inzwischen für den deutschen Rekordmeister FC Bayern München spielt, gestaltete sich bei Kevin-Prince alles ungleich holpriger. Der wesentlich extrovertiertere Fußballer gilt auf dem Platz als Raubein, unvergessen sein Foul im englischen Cup-Finale gegen den damaligen Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, Michael Ballack (37, "Ballack - Sein Weg"). Die rüde Aktion kostete Ballack die Teilnahme an der WM 2010 in Südafrika. Gegen Kevin-Prince fand in der Folge eine wahre Hetzkampagne in verschiedenen deutschen Medien statt, auch Bruder Jerome verurteilte seine harte Gangart.
Dass die zwei Halbbrüder derart unterschiedliche Charaktere sind, ist vielleicht auch ihrer ungleichen Kindheit geschuldet. Als Kevin-Prince noch klein war, verließ sein ghanaischer Vater seine deutsche Mutter. Mit einer Stewardess hatte er kurz darauf ein weiteres Kind: Jerome. Während dieser recht behütet im Berliner Stadtteil Wilmersdorf aufwuchs, verbrachte Kevin-Prince seine Kindheit im wesentlich problematischeren Viertel Wedding. Die Geschichte seiner Entdeckung klingt dabei wie eine Erzählung aus Hollywood: Auf dem nahegelegenen Bolzplatz soll er im Alter von sieben Jahren gerade in Gummistiefeln gekickt haben, als ihn ein Jugendtrainer von Hertha BSC Berlin entdeckte. Später ging es über die Hertha zu Tottenham Hotspur und dem FC Portsmouth nach England, dann vom AC Mailand zu seinem aktuellen Arbeitgeber Schalke 04.
Auch Jerome wurde vom Berliner Fußballclub entdeckt, ehe er 2007 für insgesamt drei Jahre beim Hamburger SV spielte. Wie Kevin-Prince trieb es ihn dann zunächst auf die Insel zu Manchester City und schließlich zurück in seine Heimat nach Deutschland. Beim FC Bayern reifte er zudem zur unangefochtenen Größe in der Nationalmannschaft unter Joachim Löw. Heute Abend bestreitet er bereits sein 41. Länderspiel im Trikot der deutschen Auswahl.
Privat verstehen sich die beiden nach einem medial ausgetragenen Streit inzwischen recht gut. 2010 hatte sich Kevin-Prince von seinem Halbbruder mehr Rückendeckung bei der Debatte über sein Foul gegen Michael Ballack gewünscht, Jerome hingegen stand seinem "Capitano" bei. Die Eiszeit hielt die gesamte Weltmeisterschaft in Südafrika an, erst danach versöhnten sich die zwei wieder bei einem gemeinsamen Partyabend in einem Berliner Szeneclub.
Bei dem Spiel heute Abend werden voraussichtlich beide Akteure für ihr jeweiliges Team in der Startformation stehen. Einem brüderlich-freundschaftlichen Trikottausch dürfte vermutlich nichts im Wege stehen.