DFB-Elf gegen Brasilien: Tragödien beim Klassiker

Die Duelle zwischen Deutschland und Brasilien sind legendär.  1963 zelebrierte hier Pele erstmals die große Kunst – 2002 entdeckte Kahn, dass er nicht unfehlbar ist
Hartmut Scherzer |
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Die größten Niederlagen: Brasil-Torjäger Ronaldo tröstet Kahn, der im WM-Finale 2002 mit seinem Patzer Brasilien zum Titel verhalf.
dpa Die größten Niederlagen: Brasil-Torjäger Ronaldo tröstet Kahn, der im WM-Finale 2002 mit seinem Patzer Brasilien zum Titel verhalf.

Die Duelle zwischen Deutschland und Brasilien sind legendär. 1963 zelebrierte hier Pele erstmals die große Kunst – 2002 entdeckte Kahn, dass er nicht unfehlbar ist

Stuttgart - Als hätte Hollywood Regie geführt und den Showdown inszeniert: Oliver Kahn gegen Ronaldo Luiz Nazario de Lima. Teufelskerl gegen Zauberfüßler. Im Mannschaftssport Fußball entscheidet das direkte Duell Mann gegen Mann dieses wunderbare WM-Endspiel von Yokohama anno 2002.

Dieser Augenblick ist der denkwürdigste des ewigen Klassikers Deutschland-Brasilien, der am Mittwoch in Stuttgart zum 21. Mal aufgeführt wird. Die magischen Hände Kahns und die trickreichen Füße Ronaldos hatten die Welt begeistert und wesentlich dazu beigetragen, dass Deutschland und Brasilien sich erstmals bei einer Weltmeisterschaft begegneten – und gleich im Finale.

Nun stehen sich also im 64. Spiel des „FIFA World Cup 2002” in Japan und Korea der beste Torhüter und der beste Stürmer der Welt gegenüber. Auge in Auge.
Einen „fußballsportlichen Treppenwitz” nannte die „Süddeutsche Zeitung” die Szene in der 67. Spielminute, die die Selecao zum fünften Mal zum Weltmeister kürt. Der Fehlerlose machte einen Fehler, den einzigen in 630 WM-Minuten. Nach einem Schuss Rivaldos prallt der Ball von der Brust Kahns, schlüpft aus seinen Armen und kullert vor die Füße des heransprintenden Ronaldo. Das Tor leitet die Niederlage ein. Das 2:0 zwölf Minuten später, abermals durch Ronaldo, ist nur die logische Folge.
Oliver Kahn hadert mit seinem Schicksal: „Mein einziger Fehler in sieben Spielen wurde brutal bestraft. Ausgerechnet im Finale. Das ist zehnfach bitter. Es gibt keinen Trost in so einer Situation.” Der damals 33-jährige Titan fühlt sich auf zynische Weise von seiner eigenen These bestätigt: „Der Grat zwischen Held und Versager ist nirgendwo schmaler als beim Torwart.”

„Schock für den deutschen Fußball”

Premiere hatte dieser Klassiker am 5. Mai 1963, drei Monate vor Geburt der Bundesliga. Eine Tingeltour durch Europa mit acht Spielen in vier Wochen, mal mit, mal ohne Pelé, führte den aktuellen Weltmeister nach Hamburg. Nach Niederlagen in Portugal, Belgien (1:5) und den Niederlanden wurden die Brasilianer als „Gaukler von der Copacabana” empfangen, die die deutsche Nationalelf mit Uwe Seeler als Kapitän natürlich besiegen musste. Aber das Freundschaftsspiel vor 71000 Zuschauern im Volksparkstadion endete mit einem „Schock für den deutschen Fußball”, wie die so erwartungsvollen Zeitungen nach der 1:2-Niederlage jammerten.

Das DFB-Team in der Einzelkritik - die Bilder zum Durchklicken

Der überragende Pelé, damals 22, besiegte Deutschland allein, gab nach dem 0:1 durch einen Foulelfmeter Jürgen Werners den Musterpass zu Coutinhos Ausgleich und erzielte selbst mit einem Traumschuss aus 25 Metern in den Winkel das Siegtor. „Ein fantastischer Schuss. Unhaltbar. Ich habe den Ball gar nicht gesehen”, erzählte später der damals 21-jährige Torhüter Wolfgang Fahrian. Und Willi Schulz (72), der direkte Gegenspieler, erinnert sich: „Pelé kam außerhalb des Sechzehners zum Schuss. Ich stand daneben und dachte: Lass ihn mal schießen. Da passiert nichts. Aber der hat so eine Granate drin gehabt in seinem schwächeren linken Fuß. Der Ball schlug im Winkel ein. Wir haben verloren. Pelé war ein großartiger Spieler.”

Stuttgart, schon zum vierten Mal Schauplatz, ist wie Rio de Janeiro sozusagen die Heimstadt dieses Klassikers. Hier gelang im dritten Spiel der erste Sieg. Siggi Held und Charly Dörfel erzielten die Tore zum 2:1 am 16. Juni 1968 vor 75000 Zuschauern. Trotz des so frühen Erfolgs sollte die Bilanz mit nur drei Siegen, fünf Unentschieden und zwölf Niederlagen die negativste in der Gerschichte der deutschen Nationalmannschaft werden.

So mancher Klassiker lieferte besondere Geschichten. Bei der 0:1-Niederlage vor 170000 Zuschauern im berühmten Maracana von Rio de Janeiro schaltete an seinem 21. Geburtstag (21.3.1982) und in seinem erst vierten Länderspiel ein gewisser Lothar Matthäus den „weißen Pelé” Zico weitgehend aus und erntete ersten internationalen Ruhm. Beim US-Cup 1993 drohte der deutschen Nationalmannschaft in Washington ein Debakel. 0:3 lag die Mannschaft Berti Vogts’ nach vierzig Minuten zurück. Am Ende hieß es 3:3. Der Spieler, der mit dem 1:3 die Wende einleitete und in der letzten Minute den Ausgleich erzielte, hieß Jürgen Klinsmann. Dessen Karriere (108 Länderspiel) stand unter besonderem brasilianischen Einfluss: Sein Länderspieldebüt gab der Schwabe am 12.Dezember 1987 in Brasilia (1:1). Als Bundestrainer verlor Klinsmann im Halbfinale des Confederations Cups 2005 in Nürnberg 2:3. Stuttgart, Klinsmann – der deutsche Klassiker gegen Brasilien ist auch ein schwäbischer.

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