Deutsche Nationalmannschaft: Kroos und Gündogan sind die Zukunft
München - Es war ein kurzes Vergnügen für Toni Kroos. Der Mittelfeldspieler von Real Madrid war noch gar nicht bei der deutschen Nationalmannschaft angekommen, da saß er auch schon wieder im Flieger zurück nach Spanien.
DFB-Doc Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt hatte nämlich am Dienstag bei einer Untersuchung in München einen Haarriss in Kroos’ rechtem Mittelfußknochen diagnostiziert und dem 26-Jährigen zunächst eine zehntägige Pause verordnet. Nun, das Nationalteam wird das Fehlen von Kroos in der WM-Qualifikationspartie am Freitag in San Marino verschmerzen können. Für das Freundschaftsspiel am Dienstag gegen Italien und die am Tag zuvor geplante Papstaudienz war er ohnehin nicht vorgesehen.
Spanische Medien befürchten allerdings, Kroos könne nun sogar bis zum Jahresende ausfallen und somit neben dem Stadtderby nächste Woche gegen Atlético auch den Clasico gegen den FC Barcelona am 3. Dezember und die Champions-League-Partie gegen Borussia Dortmund vier Tage später verpassen.
Wie mit einem Navi-Gerät im Kopf
Wie groß der Aufschrei aufgrund Kroos’ Verletzung in Madrid ausfiel, zeigt auch, welchen Stellenwert der Weltmeister (2014) und zweifache Champions-League-Sieger (2013 mit dem FC Bayern, 2016 mit Real Madrid) mittlerweile genießt.
Die Zweifel, die einst untrennbar mit seiner Karriere verbunden schienen, gehören längst der Vergangenheit an. „Mich erstaunt seine Entwicklung“, gibt Ex-Bayern-Profi Thomas Helmer zu und bescheinigt Kroos „eine sehr spezielle Spielweise, aufgrund seiner überragenden Technik ist er dieser Ausnahmespieler“.
Helmer: "Bayern fehlt für eine Halbzeit diese Dominanz"
Kroos spiele „wie mit einem Navi-Gerät im Kopf“, sagte Karel Jarolim nach dem 0:3 gegen Deutschland, zu dem Kroos unter anderem einen Treffer beigesteuert hatte. Kroos agierte auch dabei mal wieder mit erstaunlicher Präzision und weiß meist eben tatsächlich schon vor der Ballannahme, welches Ziel als nächstes am besten für die Kugel bestimmt ist.
Bundestrainer Joachim Löw formuliert das so: „Toni Kroos ist auf dem Platz unser Fixpunkt.“ Real Madrid hat sich seine Dienste kürzlich mit einem Jahresgehalt von kolportierten 23 Millionen Euro pro Jahr bis 2022 gesichert.
In Anbetracht solcher Summen wirken die 30 Millionen Euro, die die Spanier nach der WM 2014 als Ablösesumme an den FC Bayern überwiesen, wie ein Schnäppchen.
War es rückblickend nicht ein Fehler, Kroos überhaupt ein Jahr vor Vertragsende ziehen zu lassen? „Wenn man seine Entwicklung sieht, auf jeden Fall. Er ist noch besser geworden, nachdem er gegangen ist“, sagt Helmer.
Wohl auch unter den Eindrücken der Triplesaison 2013, in deren entscheidender Phase Kroos verletzungsbedingt fehlte, stimmte Bayern damals aber einem Transfer zu. Zuvor waren die Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung gescheitert, weil die Bayern für Kroos ihre finanzielle Gehaltsschmerzgrenze nicht überschreiten wollten.
Miroslav Klose: Praktikant und Lehrer
Während die Münchner seitdem nicht mehr über das Halbfinale der Königsklasse hinauskamen, triumphierte Kroos dort mit den Königlichen 2016 nach einem Finalsieg über Stadtrivale Atlético erneut. Der Vertraute und Biograf von Pep Guardiola, Martí Perarnau, bezeichnet es als dessen größten Fehler beim FC Bayern, kein Veto gegen den Kroos-Transfer eingelegt zu haben. „Er hätte darauf bestehen müssen, dass sein wichtigster Spieler bleibt“, sagt er der AZ.
Zukunft des DFB-Mittelfelds
Im Sommer bemühte sich Guardiola vergeblich, Kroos zu Manchester City zu holen. Stattdessen verpflichtete er Ilkay Gündogan von Borussia Dortmund, der über ähnliche Fähigkeiten und auch ein ähnliches Spielverständnis wie Kroos verfügt. Das zeigt Gündogan bei City immer häufiger. Zuletzt gelangen ihm sowohl in der Champions League beim 3:1 gegen den FC Barcelona als auch in der Premier League (beim 4:0 bei West Bromwich Albion) jeweils zwei Tore in einem Spiel.
Helmer sieht nach dem Rücktritt von Kapitän Bastian Schweinsteiger in Gündogan und Kroos das DFB-Mittelfeldduo der Zukunft. „Sami Khedira hat andere Eigenschaften, ist ein wenig robuster. Gündogan ist eher der Feinere, Filigranere und im Spielaufbau ein bisschen geschickter“, sagt der Sport1-Moderator.
RTL und der überzogenen San-Marino-Trailer
Zeigen konnte Gündogan sein Potenzial im Nationaltrikot bisher nur selten. Die WM 2014 und die EM 2016 hatte der 26-Jährige wegen schwerer Verletzungen verpasst. „Ich habe so wenig Länderspiele, obwohl ich schon so lange dabei bin. Deshalb versuche ich, alles mitzunehmen, was mir angeboten wird“, sagte Gündogan vor den abschließenden DFB-Partien des Jahres dem „Kicker“. Dabei wird er Kroos vertreten und hat die Chance zu zeigen, dass er mehr als nur ein Zukunftsversprechen ist.