Der Sport, die Angst, die Folgen
Hannover - Eigentlich hätte die HDI-Arena in Hannover an diesem 17. November einer der sichersten Orte der Welt sein müssen. Ein Ort, an dem sich die Politprominenz um Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel versammeln wollte, um im Angesicht des Terrors Stärke, Unbeugsamkeit und Solidarität zu zeigen. Nach den Anschlägen im Umfeld des Länderspiels Frankreich – Deutschland am Freitag in Paris bei dem 132 Menschen aus dem Leben gerissen worden, hatte die Polizei das Stadion zum Hochsicherheitsbereich gemacht. Spürhunde, bewaffnete Hundertschaften. Es half nichts, 96 Minuten vor dem Spiel Deutschland – Niederlande, das ein "Statement für Freiheit und Demokratie" sein sollte, wurde die Partie wegen einer "akuten Gefährdungssituation" abgesagt.
Da drängt sich die Frage auf, wie sicher ist der Besuch eines Fußballspiels in Zeiten, in denen die Mordschergen des Islamischen Staats Europa zum Ziel erklärt hat? Am Abend war DFB-Interimspräsident Reinhard Rauball nicht sicher, ob der Wochenend-Spieltag stattfinden soll, am Morgen verkündete er: "Wir spielen!" Rainer Koch, der andere DFB-Interimsboss, meinte: "Für den Fußball in Deutschland gilt das Gleiche wie für alle Großveranstaltungen. Wir müssen uns entsprechend aufstellen, wir müssen uns bewusst sein, dass Gefährdungslagen bestehen." Dies wird ständig überprüft. "Es gibt keine Erkenntnisse von jedweder Gefährdung. Wir sollten uns auf das konzentrieren, was über Jahre im Sicherheitsbereich entwickelt wurde", sagte DFB-Sicherheitschef Hendrik Große Lefert. Jeder Profiklub, auch Bayern und 1860, beschäftigt einen Sicherheitsbeauftragten, der ständig Kontakt zu den Behörden hält.
Die Löwen, die am Samstag gegen St. Pauli antreten, werden reagieren. Die Sicherheitsmaßnahmen werden laut Geschäftsführer Markus Rejek erhöht. Es werde strengere Personenkontrollen geben, das Ordner-Personal erhöht und auch im VIP-Bereich genau kontrolliert. "Donnerstag gibt es noch eine Besprechung mit allen relevanten Beteiligten, um die Sicherheit nachhaltig zu erhöhen", sagte Rejek. Und Mediendirektor Markus Hörwick erklärte für die Bayern, die am Dienstag in der Champions League gegen Olympiakos Piräus ranmüssen: "Unser Vorstand Jan-Christian Dreesen ist schon seit einigen Tagen in intensiven Gesprächen mit den Sicherheitsbehörden und der Polizei."
Dass Sportereignisse ein potenzielles Ziel sind, ist eine grauenhafte, aber keine neue Erkenntnis. Das Bombenattentat beim Boston-Marathon 2013 ist trauriges Mahnmal, "Prinzipiell ist es nichts Neues, dass Sportveranstaltungen ein Ziel sind – so wie jeder Ort, an dem viele Menschen zusammenkommen", sagte Helmut Spahn, der Sicherheitsbeauftragter bei der WM 2006 in Deutschland war, bei "Sport.1", "Nicht falsch verstehen, aber: Die Teilnahme am Straßenverkehr ist ein größeres Risiko als Opfer eines Terroranschlags zu werden, die Wahrnehmung und Gefühlslage ist aber eine andere. Wir müssen sensibel mit der Bedrohung umgehen, aber auch eine gewisse Gelassenheit und Ruhe bewahren."
Die Sicherheitsvorkehrungen werden an allen Spielorten intensiviert. Die Polizei ist in Alarmbereitschaft versetzt, die Einlasskontrollen werden verschärft. Taschen und Rücksäcke werden speziell untersucht. Gerade beim Einsatz von Böllern und Pyros wird die Polizei rigoros vorgehen, da diese in der jetzigen Situation eine Massenpanik auslösen könnten.
Es gab bei vielen Bundesligisten Sondertreffen mit den Behörden. Jedes Spiel wird in einer Einzelfallanalyse ständig überprüft. Tritteine Gefährdung ein, würde die Partie abgesagt. Die Sicherheitskräfte vor Ort stehen dazu mit den Behörden von Bund und Ländern in Kontakt. Der Verein muss sich einer Absage beugen. "Es wird verschärfte Kontrollen geben. Wobei das mit dem Sicherheitsgefühl so eine Sache ist: Eine große Polizeipräsenz beruhigt die einen, andere verunsichert sie eher. Ich finde sie in diesem Fall richtig. Die Fans sollen ins Stadion gehen", sagte Spahn, "wenn wir das als zu gefährlich ansehen, müssten wir sehr viele Risikosituationen meiden."
Klar ist: Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit. Die gab's nie. Nicht bei der Explosion bei Olympia 1996 in Atlanta. Nicht, als Tennis-Star Monica Seles 1993 beim Turnier in Hamburg von einem Geistesgestörten niedergestochen wurde. Nicht, als bei den Spielen 1972 in München elf Israelis von palästinensische Terroristen in einer Geiselnahme ermordet wurden. Doch diese Gräueltaten sind glücklicherweise die absolute Ausnahme. Abertausende Veranstaltungen finden statt, ohne, dass etwas passiert. Bayern-Kapitän Philipp Lahm sagte im "Merkur": "Ich laufe nicht im Stadion auf und habe Angst. Ich vertraue der Politik und den Behörden, die entscheiden, ob etwas stattfindet oder nicht, die im Rahmen der Möglichkeiten die akute Gefährdung einschätzen können."