Der Fluch der guten Tat
Bayerns Offensiv-Star Thomas Müller, 2010 bei der WM noch Torschützenkönig, tut sich schwer mit der Erwartungshaltung
Danzig - Müller spricht nicht so gerne über Müller. Und Müller vergleicht sich auch nicht so gerne mit Müller. Das ist verständlich. Er kann sich ja nicht mit ihm messen, derzeit. Er, der Thomas Müller von 2012, mit dem Thomas Müller von 2010. Der EM-Müller ist ein anderer als der von der WM in Südafrika.
Da ist Gerd Müller ganz weit weg, nicht einmal wurde der legendäre Bayern-Torjäger im Zusammenhang mit dem aktuellen Nationalspieler Müller während der EM in Polen/Ukraine erwähnt. Es müllert schon lange nicht mehr im DFB-Trikot, der letzte Treffer des 22-Jährigen liegt nun schon 464 Minuten zurück. „Klar werde ich nun an Toren gemessen”, sagte Müller diese Woche in Danzig und häufig sprach er über sich in der dritten Person, als wüsste er selbst auch nicht mehr genau wie er den Südafrika-Müller wieder zu packen bekäme. „Da wurde so etwas aufgebaut: Der Müller schießt Tore”, meinte er in Erinnerung an den irrwitzigen Aufstieg von Null auf Hundert, gekrönt mit der Auszeichnung WM-Torschützenkönig. Fast sehnsüchtig blickt er zurück: „Dass ich fünf Tore in so wenigen Spielen mache, das hätte ich nicht erwartet.”
Es ist der Fluch der guten Tat, der Müller nun verfolgt. 2010 wurde er Liebling der Nation, unverbraucht, ohne zu grübeln. Alles gelang, selbst die TV-Grüße aus Südafrika an die eigene Großmutter.
Im EM-Spiel gegen Dänemark vergab Müller eine Großchance aus fünf Metern. „Natürlich kann man sagen, bei der WM hätte er den gemacht”, meinte Müller über den Müller anno 2010 und fügte rechtfertigend hinzu: „Doch dass man die Situationen nicht ganz vergleichen kann, ist hoffentlich auch jedem bewusst.” Es geht um die Aufgaben im Spiel, die ihm Bundestrainer Joachim Löw mitgibt - Tore schießen ist da sekundär. Er sollte Boateng oder Bender helfen in der Rückwärtsbewegung, kämpfen, rennen, grätschen. Er habe „wahnsinnig gut nach hinten gearbeitet”, lobte Löw. Doch er erwartet sich mehr von ihm. Trotz der schwierigeren Aufgabe EM. Müller argumentiert: „Natürlich klingt eine WM für den Fan schwerer und herausfordernder, aber im Grunde hat man in der Gruppenphase Spiele, die vom Niveau her nicht zu vergleichen sind mit den ersten Spielen bei einer EM.” Damals traf er in den Schlüsselspielen gegen England und Argentinien drei Mal.
Und auch gegen Chelsea. Mit seinem Kopfballtreffer für die Bayern im Champions-League-Finale hätte er seine persönliche Saison und die des Vereins gleich mitretten, nein sogar krönen können. Meist wurde ihm Arjen Robben auf der rechten Seite vorgezogen, elf Treffer in 50 Pflichtspielen ist eher durchschnittlich, oft saß er auf der Bank, etwa im Pokalfinale. Auf sein 1:0 kurz vor Schluss gegen Chelsea folgte ein dramatisches Ende.
Danach benötigte er Trost von Frau Lisa. „Nach einem schlechten Tag lasse ich ihn erstmal in Ruhe etwas stänkern und die ,Simpsons' oder ,Two and a half Men' schauen. Dann wird seine Stimmung schnell besser”, sagte die 22-Jährige zu „InStyle”. Und wenn's gut lief für Thomas? „Dann belohne ich ihn mit Trüffelnudeln und einem Glas Wein.” Wird Zeit, dass die beiden mal wieder auf bessere Spiele anstoßen.