Das Ende der Alleingänge

Wolfgang Niersbach wird am Freitag zum DFB-Präsidenten gewählt. Er will vieles anders machen als sein oftmals autokratischer Vorgänger Zwanziger.
Frank Hellmann |
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FRANKFURT Es mag Zufall gewesen sein, dass Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach am Tag vor dem Länderspiel Deutschland gegen Frankreich zeitweise ein und denselben Platz eingenommen haben. An der Theke einer Piano Bar auf dem Bremer Teerhof: Siebter Stock, gepflegtes Ambiente, grandiose Aussicht über Weser, Hafen und Altstadt. Dort unterhielten sich der Bundesliga-Trainer Thomas Schaaf genauso angeregt wie Liga-Präsident Reinhard Rauball oder Manager Oliver Bierhoff. In einer Ecke bot Tim Mälzer seine Bratwurst an – die einzige Verköstigung eines illustren Abends, auf dem sich Niersbach deutlich länger bewegte als Zwanziger.


Das geht vielleicht darauf zurück, dass den gebürtigen Düsseldorfer mit Werders Vorstandschef Klaus Allofs eine ewige Freundschaft verbindet. Das könnte aber auch daran liegen, dass der 61-jährige Niersbach seit jeher die persönlichen Gespräche bei unaufgeregten Zusammenkünften dieser Art eher schätzt als der fünf Jahre ältere Zwanziger, dem die ausgeleuchteten Bühnen irgendwie passender erscheinen. Beim außerordentlichen Bundestag in Frankfurt stehen heute beide unweigerlich im Rampenlicht, wenn der eine (Zwanziger) verabschiedet und der andere (Niersbach) zum elften DFB-Präsidenten gekürt wird.


Zwanziger soll von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich das Große Bundesverdienstkreuz erhalten und wird gewiss wortreich auf seine achtjährige Tätigkeit zurückblicken. Und Niersbach? Ausschweifende Ausführungen über seine Vorstellungen hat er vor der Sitzung mit 261 Delegierten bewusst vermieden und sich öffentlich arg zurückgehalten: Nicht, dass er kein Programm oder keinen Plan hätte, aber er möchte den fast sieben Millionen Mitglieder starken DFB anders führen als der Jurist aus Altendiez: Weniger selbstherrlich und selbstgerecht, weniger abgehoben und autokratisch. Zwanzigers Verdiensten, den Fußball sozialpolitisch und gesellschaftlich stärker zu verankern, stehen Versäumnisse gegenüber, die vom wenig glücklichen Management der Schiedsrichteraffäre oder der beinahe gescheiterten Vertragsverlängerung mit Jogi Löw reichen. Manch ein Alleingang wirkte im Rückblick irritierend bis verstörend.


In der Otto-Fleck-Schneise im Frankfurter Stadtwald sollen jedenfalls viele über den Stabwechsel froh sein – in der Fifa-Exekutive will Zwanziger bis 2015 bleiben, in der Uefa bis 2013. Der Amtsinhaber hat sein Büro bereits geräumt. Wenn Zwanziger noch Strippen zieht, dann aus den Räumlichkeiten beim Fußballverband Rheinland. Dort ist er auch Ehrenpräsident, das reicht ihm angeblich – die DFB-Satzung lässt auch nur zwei Ehrenpräsidenten zu, die Egidius Braun und Gerhard Mayer-Vorfelder heißen.


Spannend wird allemal, wie sich der vom Mediendirektor, OK-Präsidenten zum Generalsekretär und nun zum Präsidenten aufgestiegene Niersbach positioniert. Er vergleicht seine Rolle mit der eines Kapitäns einer Fußballmannschaft, der Teamgedanke ist sein Leitmotiv. Er kennt aus seinen Tätigkeiten im Dunstkreis der Nationalelf nicht nur die Entscheider der Bundesliga bestens, sondern auch alle handelnden Personen in der Verbandszentrale. „Dass ich hier eines Tages mal der Chef von 210 Angestellten bin, hätte ich mir nie träumen lassen.” Mag der Karriereplan das nicht vorgesehen haben, reizt ihn die Herausforderung allemal: Er ist stets mehr Gestalter als Verwalter gewesen.


Dass ihn auch die Amateure als loyalen Partner ansehen, wurde kürzlich am donnernden Applaus deutlich, den Niersbach beim Amateurfußball-Kongress in Kassel erhielt. Der Akzeptanz ist der Wechsel in die ehrenamtliche Tätigkeit dienlich; statt 25000 Euro Monatsgehalt als Generalsekretär kommt der Präsident halt mit 6000 Euro Aufwandsentschädigung aus. Auf eine Abfindung verzichtete Niersbach klugerweise. Das macht Pluspunkte für Pragmatiker.

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