Dankbarer Dämpfer für die DFB-Elf: Warum die Beinahe-Niederlage gegen die Schweiz gerade guttut

Herzogenaurach - Die einen kamen erneut zur Ablenkung, die anderen sind längst Dauergäste im DFB-Quartier in Herzogenaurach geworden, ziemlich unangenehme jedoch. Die Liebsten der Spieler durften in der Nacht nach dem 1:1 gegen die Schweiz mit in den Homeground, um gemeinsam den freien Dienstag zu genießen. So gut es eben geht angesichts der "abartigen Mückenplage", so Julian Nagelsmann.
Gemeinsame Abende im Gemeinschaftsbereich am Pool vor dem großen Bildschirm fallen die nächsten Tage wohl aus, das Trainerteam werde die Entscheidung in Gruppe C, wenn am Dienstagabend der Achtelfinal-Gegner der Nationalelf gesucht und gefunden wird, wohl im Büro verfolgen, erklärte der Bundestrainer.
Mittelfeld des DFB kam erstmals an seine Grenzen
Die Schweizer entpuppten sich am Sonntagabend als bisher lästigste Quälgeister im Turnierverlauf und hätten dem DFB-Team beinahe einen schmerzhaften Stich versetzt, ehe die Anti-Stimmungstief-Prophylaxe von zwei eingewechselten Spielern half. David Raum flankte punktgenau auf den Kopf des ebenfalls eingewechselten Niclas Füllkrug und der Mittelstürmer köpfte unhaltbar ins lange Eck ein – das 1:1, doch noch der Gruppensieg. "So ein kleiner Explosionsmoment war nicht verkehrt zum Ende des Spiels", sagte Nagelsmann über den späten Ausgleich, "auch für das Stadion war es wichtig. Es war lange Zeit sehr ruhig."
Weil die Schweizer, der definitiv schwierigste und spielstärkste Gegner im Vergleich zu den ersten beiden Gruppenspielen gegen Schottland (5:1) und Ungarn (2:0), mehr als ein dickes weißes Plus in der Flagge aufzuweisen hatten. So kam das deutsche Mittelfeld erstmals an seine Grenzen.
Julian Nagelsmann: "Das späte 1:1 nehme ich lieber als ein 4:0 für die nächsten Wochen"
Spielmacher Toni Kroos war nicht so dominant, spielte tatsächlich – unglaublich! – einige Fehlpässe. Jamal Musiala und Florian Wirtz nahmen sich eine Kunstpause. Der erste Rückstand bei dieser EM sorgte für den ersten echten Härtetest im Turnier. Eine Probe der Widerstandsfähigkeit, eine Frage der Moral. Bestanden. "Wir haben in der Gruppenphase viel erlebt und sind immer gut rausgekommen. Das späte 1:1 nehme ich lieber als ein 4:0 für die nächsten Wochen", meinte Nagelsmann. Er glaubt: "Ein 4:0 ist entspannter, aber emotionalisierender ist so etwas."
Für das Last-Minute-Glück brauchte es die gute, alte Brechstange, um das zuvor maue Spiel zu kaschieren. Flanke Manfred Kaltz, Kopfball Horst Hrubesch – in der Neuzeit hören sie auf die Namen Raum und Füllkrug.
DFB-Elf muss im Achtelfinale wohl auf IV-Duo verzichten
"Die Flanke von David ist eine Waffe, kam perfekt", freute sich Füllkrug und kam ins Plaudern: "Das war ein toller, ganz wichtiger Moment, eine kleine Explosion für das Land, für uns, für die Mannschaft, weil wir mit der gesamten Bank feiern konnten. Ganz toll. Das schafft Erinnerungen und kreiert Gefühle innerhalb der Mannschaft. Das kann schon ein Knackpunkt-Moment und auch entscheidend für uns gewesen sein, was den Turnierbaum betrifft. Ich freue mich, dass wir nun ein Achtelfinale in Dortmund haben, das kann schon viel wert für uns sein, ein großer Heimvorteil."
Mit dem Makel, dass ein Innenverteidiger sicher fehlt, Jonathan Tah ist gesperrt. Und der zweite des eingespielten Abwehr-Duos, Antonio Rüdiger, fehlt wegen einer Verletzung ziemlich wahrscheinlich ebenfalls.
Beinahe-Niederlage gegen die Schweiz tut gut
Der Abend in Frankfurt könnte sehr nachhaltig sein – im Positiven. Ein Dämpfer, ja. Aber dankend angenommen, die Sinne sind nun geschärft. Die Beinahe-Niederlage tut nicht weh, sondern sogar gut. "Wir haben gezeigt, dass wir an uns glauben. Am Ende haben wir uns belohnt", meinte Kroos, während Kapitän Ilkay Gündogan sagte: "Es war ein unangenehmes Spiel für uns. Von der Bedeutung des Ausgleichs, den Emotionen, können wir nur profitieren. Das kann Kräfte entfachen."
Nagelsmann spürt den "besonderen Geist" seiner Mannschaft und fordert: "Den müssen wir uns bewahren, das kann viel auslösen."
Und wenn dieses 1:1 der Aussetzer bei dieser Heim-EM war, spielerisch und ergebnistechnisch, na dann: Halleluja! Das kann ja wirklich heiter werden.