Billard, Bücher - und: Wer findet schneller die Fehler?

Benedikt Höwedes könnte gegen Dänemark in der Startelf stehen. Im AZ-Interview spricht Schalkes Kapitän über seine Situation, die EM-Eindrücke - und wie er sich ablenkt.  
von  Interview: Patrick Strasser

Benedikt Höwedes oder Lars Bender werden in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft beim letzten EM-Vorrundenspiel gegen Dänemark den gesperrten Jérome Boateng ersetzen. Das kündigte Bundestrainer Joachim Löw am Samstag vor dem Abschlusstraining der DFB-Auswahl in Lemberg an. "Es gibt die Überlegung, wer beginnt, Bender oder Höwedes", sagte Löw nach dem einstündigen Flug vom deutschen Quartier nahe Danzig in die Westukraine.

Noch in Danzig hatte Höwedes der AZ ein Interview gegeben.

AZ: Herr Höwedes, „manchmal fehlt mir die Leichtfüßigkeit“ hatten Sie zuletzt zugegeben. Wie ist nun der Stand der Dinge?

BENEDIKT HÖWEDES: Ich war ja leider häufiger verletzt in der vergangenen Saison. Aber im Training konnte ich daran arbeiten und ich denke auch, dass ich in dieser Beziehung Fortschritte gemacht habe.

Die äußern sich wie?

Man hat ja immer ein gewisses Gefühl, wie man sich auf einer bestimmten Position entwickelt. Und dieses Gefühl ist ganz gut.

Wie viel Feedback bekommen Sie vom Trainerstab?

Das ist ganz unterschiedlich. Klar spricht man hin und wieder. Aber es ist nicht so, dass man sich jeden Tag zusammensetzt. Das letzte längere Gespräch hatten wir gegen Ende des Trainingslagers in Südfrankreich.

Mit welchem Inhalt?

Der tut hier nichts zur Sache.

Wenn es um die Besetzung der Rechtsverteidiger-Rolle ging, wurden Sie zuletzt gar nicht mehr erwähnt. Überrascht Sie das?

Natürlich habe ich das auch mitbekommen. Aber ich habe diese Dinge nicht zu werten. Ich bin froh, dass ich bei der EM dabei bin und hier mein erstes großes Turnier mit der Nationalmannschaft absolvieren darf. Ich brauche keine Ansprüche zu stellen, sondern kann mich immer nur über die Trainingsleistungen empfehlen. Ich bin der falsche Ansprechpartner, wenn es um die Frage geht, weshalb ich jetzt öffentlich nicht mehr genannt werde.

Das hört sich sehr diplomatisch an.

Jeder Spieler will spielen, ich natürlich auch. Das ist gar keine Frage. Aber der Bundestrainer entscheidet, wen er dann aufstellt. Warum man dann nicht mehr im Gespräch ist, das müssen andere Leute beantworten.

Wie ist das für einen, der im Verein einer der wichtigsten Spieler ist und sogar Kapitän, hier bei der Nationalmannschaft aber lediglich Ergänzungsspieler und im schlimmsten Fall sogar Lückenfüller?

Die Rolle unterscheidet sich schon. Auf Schalke habe ich als Kapitän eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Hier sind andere Spieler da, die zuerst Verantwortung übernehmen müssen und die ihre Sache auch gut machen. Da muss man sich erstmal eher unterordnen. Das ist für mich aber kein Problem, ich bin ja auch noch ein junger Spieler.

Welche Eindrücke konnten Sie bei Ihrem ersten großen Turnier denn schon sammeln?

Alles ist bisher eine sehr interessante Erfahrung. Es ist schon eine lange Zeit, die wir als Mannschaft zusammen sind. Besonders im Trainingslager war aber für viel Abwechslung gesorgt, unter anderem mit dem Ausflug zur Formel 1. Das war rückblickend sehr gut für den Teamgeist. Hier in Danzig haben wir auch ein paar Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Generell sieht man schon, wie man sich im Laufe eines Turniers als Mannschaft weiterentwickeln kann. Es macht Spaß, ein Bestandteil dieses Teams zu sein.

Wie verbringen Sie Ihre Freizeit auf der zugebenermaßen schönen, aber sehr abgelegenen Hotelanlage?

Ich spiele viel Billard, meist gegen Lars Bender. Oder gegen Per Mertesacker an einem Spielautomaten, der aufgestellt wurde. Wer findet schneller die fünf Fehler im Bild…? Ansonsten lese ich gerne mal ein Buch oder ruhe mich einfach nur aus. Und natürlich verfolgen wir die anderen Spiele.

Ist Ihnen da auf „Ihren“ Positionen, also bei den Innen- oder Rechtsverteidigern, etwas oder jemand bisher besonders aufgefallen?

Eigentlich noch nicht. Die Italiener mit ihrem Bollwerk und De Rossi als Ausputzer gegen Spanien vielleicht. Ein einzelner Spieler ist bei mir noch nicht besonders in den Blickpunkt gerückt. Aber man kann schon erkennen, dass die meisten Mannschaften eher defensiv aufgestellt sind. Da fällt es einigen Mannschaften nicht leicht, ihr Spiel durchzuziehen und zu Torchancen zu kommen.

Trotzdem ist die Torquote pro Spiel bisher sehr ordentlich.

Was wiederum ein Beweis dafür ist, dass viele Mannschaften sich auf einem sehr hohen Level bewegen. Die Spanier, wir, auch Kroatien und die Russen haben offensiv schon ordentlich zugeschlagen, Portugal hat zuletzt drei Tore erzielt. Die offensive Qualität bei diesem Turnier ist schon enorm.

Zur Vorbereitung sind einige Spieler angereist, die sich körperlich nicht auf ihrem gewohnten Level befanden. Rechtzeitig zum Turnierstart waren fast alle Spieler aber wieder topfit. Können Sie die Arbeit der medizinischen Abteilung beschreiben?

Mir erging es ja auch so, ich hatte bei der Anreise selbst starke Probleme mit der Wade. Aber Klaus Eder und die Fitnesstrainer haben mich wieder fit gemacht. Sie leisten hier hervorragende Arbeit, wir sind körperlich in einem sehr guten Zustand. Dafür haben wir aber auch sehr viel getan. Selbst im so genannten Regenerationstrainingslager auf Sardinien haben wir viel gearbeitet, in Südfrankreich sowieso. Letztlich waren das für die beiden Testspiele zwar keine guten Voraussetzungen, aber natürlich einkalkuliert. Wir wollten fit ins Turnier starten und das haben wir geschafft.

Viele andere Nationen hatten bisweilen mehrere Ausfälle zu verkraften, weil sich Spieler noch in den Trainingslagern verletzt hatten. Die deutsche Mannschaft dagegen nicht. Ein Zufall?

Keine Ahnung. Wir sind sehr gut organisiert und aufgestellt. Jedes Training wird weit im Voraus geplant und durchorganisiert. Das alles trägt dazu bei, dass wir auf dem Fitnessstand sind, den wir heute erreicht haben.

Rechnen Sie mit einem Einsatz im Spiel gegen Dänemark? Was sagt Ihr Gefühl?

Ich habe gar kein Gefühl. Ich lasse mich überraschen, wie sich der Trainer entscheiden wird. Ich kann nicht mehr tun, als mich im Training immer voll reinzuhängen.

 

 

 

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