Ballack: Die finale Furie

Beim Drama gegen Barça scheitert der Chelsea-Star erneut beim Versuch, einen großen internationalen Titel zu holen - diesmal verliert er allerdings auch die Nerven.
LONDON Oftmals wirkt er unterkühlt, oftmals wirken seine Aktionen behäbig. Bayern-Präsident Franz Beckenbauer lästerte einst über Michael Ballack: „Immer nur Dauerlauf...“ Was natürlich eine optische Täuschung war und ist. Spätestens seit Mittwochabend und dem Champions-League-Aus des FC Chelsea im Halbfinale gegen Barcelona ist klar: Geht es für den DFB-Kapitän um den sehnlichst erhofften internationalen Titel, kann der 32-Jährige zur Furie werden – und zum Sprinter!
Der Anlass? Die sechste Minute der Nachspielzeit: Barcelonas Andres Iniesta hatte drei Minuten zuvor die Chelsea-Führung egalisiert, die Blues standen vor dem K.o. – und der norwegische Schiedsrichter Tom Ovrebo verweigerte dem Mittelfeldstar, zumindest in diesem Fall völlig zurecht, einen Elfmeter. Samuel Eto’o hatte bei einem Ballack-Schuss den Oberarm nicht mehr zur Seite gebracht. Was folgte, war der wütendste Ballack, den man je zu Gesicht bekommen hat. Er brüllte, tobte und rannte hinter dem erstaunlich flinken Ovrebo, den Ballack mehrfach an der Schulter packte, her. Sogar die altehrwürdige „Times“ attestierte Ballack „einen 40-Yard-Sprint“ (ca. 36.5 Meter). Der völlig gelassene Skandinavier Ovrebo zeigte ihm dafür die Gelbe Karte.
Es dauerte, bis Ballack sich nach dem Aus der Presse stellte. Noch enttäuscht meinte Ballack bei der BBC über Ovrebo: „Jeder hat es gesehen! Es waren nicht ein oder zwei Entscheidungen, es waren drei, vier, fünf, über die man diskutieren kann. Es war nicht nur die Last-Minute-Entscheidung. Wenn man die Vorgeschichte betrachtet, hätte er uns eben zum Schluss diesen Elfmeter geben sollen.“
Ein paar Minuten später gab es dann wieder typische Ballack-Sätze. „In der 94. Minute auszuscheiden, in einer Situation, wo man nicht mehr reagieren kann – das ist natürlich eine riesige Enttäuschung“, sagte er und fügte hinzu: „Wir waren die bessere Mannschaft und hatten mehr Chancen. Wir sind enttäuscht darüber, dass wir es selbst nicht gepackt haben – und über den Schiedsrichter.“
Der „Mirror“ bezeichnete Ballack wegen seines Wutausbruchs als „dummes, kleines Mädchen“, doch der Frust ist nachvollziehbar. Denn erneut hat er, Deutschlands aktuell bester Fußballspieler, einen Titel verpasst. Die finale Furie: Seine Karriere ist, von Ausnahmen abgesehen, eine Chronologie des finalen Scheiterns:
2000: Leverkusen genügt am letzten Spieltag ein Remis in Haching. Ballack gelingt ein Eigentor – ein sehenswertes. Am Ende jubeln die Bayern.
2002: Ballack festigt sein Image als ewiger Zweiter: Vize mit Bayer, Vize-Pokalsieger, Niederlage im Champions-League-Finale gegen Real – und als „Krönung“: Vize-Weltmeister. Als ob er das Ergebnis geahnt hätte, stand Ballack – neben Oliver Kahn zuvor bester DFB-Akteur – im Finale nicht auf dem Feld. Im Halbfinale hatte er seine zweite Gelbe Karte kassiert.
2004: Nach einer Meisterschaft mit den Bayern 2003, folgt der Rückschlag: Bayern wird mit Ballack nur Vize.
2007 Vizemeister in der ersten Saison bei Chelsea.
2008: Wieder Vizemeister mit Chelsea, er verliert das Champions-League-Finale gegen ManU und das EM–Finale gegen Spanien. Zu allem Überfluss brüllt er danach DFB-Teammanager Oliver Bierhoff an. Allerdings ohne vorherige Verfolgungsjagd.
Was die Zukunft bringt? Am Mittwoch machte sich Ballack Mut: „In den letzten Jahren waren es fast immer dieselben Mannschaften, die im Halbfinale standen, von daher hoffe ich, dass da in den nächsten ein, zwei Jahren noch etwas möglich ist.“ Etwas sollte acht Kilo wiegen und Henkel haben.
jos