AZ-Interview: Radio-Legende Günther Koch über Geisterspiele
München - Der 78-jährige Günther Koch ist in München aufgewachsen, arbeitete jahrzehntelang als Fußball-Reporter für den BR und sitzt heute im Aufsichtsrat des 1. FC Nürnberg.
AZ: Herr Koch, der 26. Januar 2004, Alemannia Aachen gegen den 1. FC Nürnberg, das erste Geisterspiel im deutschen Profi-Fußball – und Sie waren als Reporter fürs Radio dabei. War’s wirklich so schaurig?
GÜNTHER KOCH: Es war einerseits ein Highlight, denn ich konnte damals ein Echtzeit-Hörspiel (zu finden in der Mediathek des BR, Anm. d. Red.) daraus machen. 95 Minuten durchgehend auf Sendung, ich bin durch das Stadion gegangen, habe mich mit allen unterhalten, auch mit der Würstlfrau, ich habe sogar mit der Mülltonne und den Steinen gesprochen. Das war kurios und eine tolle künstlerische Herausforderung für mich. Aber es war auch schlimm, trostlos und beklemmend. Es war so still, ich habe fast nur mich selber sprechen hören. Ich hatte gehofft, es würde ein einmaliges Erlebnis bleiben.

Wie sind die Spieler auf dem Platz mit dieser Ausnahmesituation umgegangen?
Die Jungs waren irgendwie mit sich selbst nicht im Reinen. So ganz ohne Fans, das war auch für sie surreal. Der Nürnberger Stürmer Marek Mintal, der das 1:0 geschossen hatte, rannte nach seinem Tor in die Kurve – und dann war da keiner. Völlig verrückt war das!
Günther Koch: Geisterspiele können neuen Unterhaltungswert liefern
Sie sind ja ein ausgewiesener Geisterspiel-Experte, was würden Sie Ihren Reporter-Kollegen empfehlen, um die Live-Übertragung etwas aufzupeppen?
Ich würde die Tonspur voll aufdrehen und den Klang kommentieren. Du hörst ja am Klang, wie man den Ball trifft. Ob das jetzt ein saftiger Volley ist, oder der Spieler den Ball gar nicht richtig trifft, so wie der Oliver Bierhoff 1996 im EM-Finale. Außerdem sollte man einzelnen Spielern Mikros geben. Wenn da einer sagt: ¸Hey, Du Depp, den Ball musst du besser spielen’ – genau das will ich hören. Die Geisterspiele wären die einmalige Chance, etwas ganz Neues an Unterhaltung – und Fußball ist ja nun mal Unterhaltung – zu schaffen.
Mit den Worten "Hoffentlich gibt es so etwas nie wieder" haben Sie damals Ihre berühmte Reportage beendet. Mittlerweile sitzen Sie beim 1. FC Nürnberg im Aufsichtsrat eines Profi-Klubs, der auf die TV-Einnahmen aus den Geisterspielen angewiesen ist. Hat sich Ihre Meinung nun gewandelt?
Auch wenn ich noch nie ein Mann für Kompromisse war, aber in der Frage und mit meiner großen Mit-Verantwortung für den 1. FC Nürnberg bin ich zwangsläufig hin und her gerissen.
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