AZ-Analyse: Vive la Turnier-Mannschaft!
München - Und plötzlich zählt das Ergebnis doch. Die Partie am Dienstag gegen Italien in der Allianz Arena (20.45 Uhr, ARD live) ist ein Freundschaftsländerspiel – na gut, im Halbjahr vor einem Turnier eher ein Testländerspiel.
Bundestrainer Joachim Löw will einige Dinge ausprobieren, Spieler außerhalb der 13, 14 Profis, die für die Stammelf in Frage kommen. Dennoch will man nach dem 2:3 gegen England in Berlin nicht noch einen (Test-)Klassiker verlieren. „Die Niederlage hat uns unter Druck gesetzt. Wir müssen gegen Italien liefern“, sagte Thomas Schneider, Assistent von Bundestrainer Joachim Löw, am Montagmittag in München.
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Ein wichtiges Ergebnis – und das ausgerechnet gegen Italien, gegen die Auf-Ergebnis-Spielen-Spezialisten? Knifflig. Der letzte Erfolg gegen die Azzurri liegt über zwei Jahrzehnte zurück (im Juni 1995, ein 2:0 in Zürich). Bei der letzten EM verlor man im Halbfinale von Warschau mit 1:2. „Italien ist ein Top-Gegner mit einer guten Organisation und guten Einzelspielern“, sagte Sami Khedira, der seit Juli für Juventus Turin spielt, „es ist ein Phänomen, dass sich italienische Mannschaften gegen deutsche Mannschaften einfacher tun.“
Gefährliches Laissez-faire?
Und die Stimmungslage im Kreise der Nationalelf rund zehn Wochen vor der Abreise zur Endrunde in Frankreich? Irgendwo zwischen dem Gefühl, dass man mal wieder gewinnen sollte und dem Urvertrauen auf die traditionelle Ziellinien-Mentalität. Zwar hat man von den letzten vier Länderspielen drei verloren (in Irland, in Frankreich und gegen England), dennoch gilt es erst so richtig nach Ende der Saison, wenn es ab dem 23. Mai zum Trainingslager ins Tessin geht.
Da ist sie wieder: Vive la (Turnier-)Mannschaft! Man strahlt momentan die Attitüde der Wird-Schon-Nationalelf aus, schließlich ist man ja Weltmeister. Gerechtfertigtes Selbstvertrauen oder gefährliches Laissez-faire?
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„Wir haben alle zwei Jahre die gleiche Diskussion“, sagte Khedira, „es ist nicht so, dass wir hier her kommen und sagen: Es ist uns egal. Wir wollten und wollen die beiden Tests nutzen, um in die richtige Richtung zu gehen. Es ist ganz gut, dass uns gegen England ein wenig die Augen geöffnet wurden.“ Aber deutlich. Aus dem sehr ansehnlich herausgespielten 2:0 durch die Treffer von Toni Kroos und Mario Gomez wurde eine 2:3-Pleite mit Lücken im Mittelfeld und in Sachen Konzentration. Die DFB-Baustellen en detail:
1-B-Innenverteidigung kann nicht überzeugen
Die Abwehr: Es wird Zeit, dass sich Jérôme Boateng (Muskelbündelriss) fit meldet. Gesetzt ist nur der andere Weltmeister, Mats Hummels. Ob der Dortmunder gegen Italien spielt, hängt von seinem Fitnessstand ab nach seiner Muskelverhärtung. Gegen England testete Löw Antonio Rüdiger vom AS Rom und in Halbzeit zwei Jonathan Tah (Leverkusen). Stabilität und Sicherheit strahlte die 1-B-Innenverteidigung nicht aus, Stellungsfehler und schläfriges Zweikampfverhalten inklusive.
Also wird gegen Italien Shkodran Mustafi (Valencia) eine neue Chance bekommen. Links ist Jonas Hector aus Köln gesetzt, rechts hat Löw (lediglich) die Wahl zwischen Emre Can (Liverpool) und dem Dortmunder Matthias Ginter, der wohl gegen Italien spielt.
Bei Testspielen: Keine 100 Prozent
Die Mitte: Kapitän Khedira bemängelte „riesige Löcher bei uns im Mittelfeld“. Müller, der offensiv komplett abgemeldet war, sagte: „Wir waren nicht eingespielt genug, der eine hat Hü, der andere Hott gesagt.“ Keine Kreativität im Spielaufbau, es gab große Probleme, wenn die Engländer früh störten. Für die EM scheinen der aktuell leicht verletzte Ilkay Gündogan (Borussia Dortmund) und Khedira im Zentrum gesetzt, davor agiert Kroos, gegen England nicht nur wegen seines Tores einer der Besten.
Die Motivation: Der Schwung, der die Deutschen zum WM-Titel führte, ist längst abhandengekommen. Müller, der wohl gegen Italien zunächst auf der Bank sitzt: „Wir bekommen es bei Testspielen irgendwie nicht richtig hin, 100 Prozent zu geben.“ Also erinnerte Müller an die gute, alte Stärke: „Es bleibt dabei, dass Deutschland eine Turniermannschaft ist.“ Und Khedira ergänzte: „Bei einem Turnier, wenn es um Punkte geht, sind wir 90 Minuten fokussiert – das wissen wir.“