Alle Fragen zum Kießling-Treffer
Debatte um Kießlings Phantomtor gegen Hoffenheim: Wer ist schuld? Gab es bereits ähnliche Fälle? Kann die Technik helfen? Und wer entscheidet, ob das Spiel wiederholt wird? Die AZ beantwortet die Fragen
SINSHEIM Franck Ribéry nahm es mit Humor. „Ich habe es gesehen – war ein super”, scherzte der Bayern-Star. Und Thomas Müller witzelte: „Ich denke, ab sofort werden die Tornetze aus Stahl sein.” Lachen können nur die Nicht-Beteiligten. Denn das Phantomtor von Stefan Kießling im Bundesliga-Spiel zwischen 1899 Hoffenheim und Bayer Leverkusen (1:2) erhitzt die Gemüter. Hoffenheim hat gegen die Wertung Protest eingelegt und fordert ein Wiederholungsspiel. Die wichtigsten Fragen und die Antworten:
Was ist in Hoffenheim vorgefallen? In der 70. Minute köpfte Kießling den Ball ans Außennetz. Durch ein Loch im Netz gelangte der Ball aber ins Tor. Schiedsrichter Felix Brych entschied auf Tor zum 2:0 für Bayer. Hofffenheims Trainer Markus Gisdol: „Du denkst, du hast einen Sehfehler.” Erst Minuten später, als die Hoffenheimer Ersatzspieler um Sebastian Rudy den Referee auf das Loch im Netz hingewiesen hatten, wurde Brych bewusst, dass der Ball nicht im Tor war.
Hätte Brych die Entscheidung revidieren können? Nein. Brych hätte seine Entscheidung nur bis zum Anstoß ändern können. Sobald das Spiel fortgesetzt wird, gilt die Tatsachenentscheidung.
Was sagen die Beteiligten? Kießling bekräftigte, dass er es nicht genau mitbekommen habe: „Was soll ich da machen? Ich war überrascht. Das habe ich dem Schiedsrichter auch gesagt.” Brych sprach mit Kießling. „Die Reaktionen der Spieler waren eindeutig, es gab kein Kontra”, so Brych.
Wen trifft die Schuld? Schiedsrichter-Assistent Stefan Lupp hatte noch in der Halbzeit das Tornetz kontrolliert. Ihm war das Loch nicht aufgefallen. Der gastgebende Verein ist für die korrekte Ausstattung des Spielfeldes zuständig. Platzwart Klaus-Peter Sauer war noch während des Spiels zum Tor geeilt und hatte nach dem Phantomtor einen Knoten an der Stelle gemacht – zu spät.
Gab es bereits ähnliche Fälle im deutschen Fußball? Das berühmteste Phantom-Tor erzielte Thomas Helmer am 23. April 1994 (siehe unten). Beim Spiel zwischen dem FC Bayern und dem 1. FC Nürnberg (2:1) hatte Helmer den Ball mit der Hacke am Tor vorbeigelegt.
Nürnberg legte erfolgreich Einspruch ein, das Wiederholungsspiel gewannen die Bayern 5:0. Noch ähnlicher war der Fall beim Zweitliga-Spiel am 21. Oktober 1978 zwischen Borussia Neunkirchen und den Stuttgarter Kickers (4:3). Damals erkannte der Unparteiische auf ein Tor der Saarländer, obwohl der Ball durch ein Loch im Seitennetz in das Tor gelangt war. Nach einem Einspruch der Stuttgarter und der Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht wurde der Fernsehbeweis zugelassen und das Spiel wiederholt.
Hätte die Torlinientechnik, die bei der WM 2014 zum Einsatz kommt, die Fehlentscheidung verhindert? Ja. Das System von GoalControl, das bereits beim Confederations Cup im Sommer 2013 erfolgreich getestet worden war, beruht auf einer dreidimensionalen Kontrolle des Balls durch 14 Kameras, die auf beide Tore gerichtet sind. Überquert der Ball die Torlinie, geht ein Signal an den Schiedsrichter. Dieses wäre im Fall Kießling nicht erfolgt.
Wann wird die Torlinientechnik in Deutschland eingeführt? Mit einer Einführung in der Bundesliga wird – wenn überhaupt – frühestens 2014/15 gerechnet.
Gibt es ein Wiederholungsspiel? Hoffenheim hat Einspruch eingelegt. Das Sportgericht des DFB wird sich mit dem Fall beschäftigen. Eine Entscheidung steht aber unter dem Vorbehalt der Abstimmung mit dem Weltverband Fifa.
Können nur 22 Minuten in einem Wiederholungsspiel gespielt werden, und kann Leverkusen dann mit einem 1:0-Vorsprung starten? In Italien und Spanien gab es solche Fälle schon, in der DFB-Satzung ist so etwas nicht vorgesehen.
Was wird aus Brych? Vier Tage nach seinem Fauxpas wird er am Dienstag das Champions-League-Spiel zwischen dem AC Mailand und dem FC Barcelona leiten. Inwieweit der Tor-Skandal seine Karriere beschädigt (beendet?), muss abgewartet werden.