4-2-fantasia
MAILAND Leonardo Nascimento de Araújo hat am 24. Dezember 2010 seinen Vertrag bei Inter Mailand unterschrieben. Fans und Experten kam die Neuverpflichtung von Präsident Massimo Moratti wie ein etwas seltsames Weihnachtsgeschenk vor. Hatte Leonardo schließlich in der Vorsaison noch den verhassten Lokalrivalen AC Milan trainiert, wo er nach nur einer Saison wegen vermeintlicher Erfolglosigkeit – Milan war nur Dritter geworden – entlassen worden war.
Leonardo fand in Mailand eine zutiefst verunsicherte Mannschaft vor, die nicht wiederzuerkennen war. Innerhalb eines halben Jahres hatte es Leonardos Vorgänger Rafael Benitez geschafft, die Triple-Gewinner der Vorsaison herunterzuwirtschaften. Das von Jose Mourinho zuvor perfekt geformte Kollektiv, diese Spieler auf dem Höhepunkt ihres Schaffens, diese Truppe, die den Catenaccio neu erfunden und im Finale dem FC Bayern das Fürchten gelehrt hatte – sie existierte nicht mehr. Benitez hatte der Mannschaft befohlen, offensiver zu spielen. Das Ergebnis waren peinliche, gegentorreiche Auftritte – und Tabellenplatz sieben.
Wenn Bayern-Präsident Uli Hoeneß heute unwidersprochen sagen darf, dass Inter nicht mehr so stark wie letztes Jahr sei, dann liegt das am Auftreten Inters im Spätherbst und Winter 2010.
Doch Leonardo, dieses Weihnachtsgeschenk aus Brasilien, schaffte es binnen kürzester Zeit, Klub und Mannschaft neu zu erfinden. Plötzlich spielen mit den Winterzugängen Andrea Ranocchia und Stürmer Giampaolo Pazzini sogar zwei italienische Nationalspieler bei Inter. „4-2-fantasia”, so bezeichnet Leonardo sein System. Inter und Fantasie?
Vor der Viererkette um die Abwehrbosse Lucio und der Winter-Neuverpflichtung Andrea Ranocchia und den zwei defensiven Mittelfeldspielern Thiago Motta und Esteban Cambiasso, wirbeln – wie bei Bayern – vier Offensivkräfte. Sie sollen sich viel bewegen, zaubern und Tore schießen. Nach Weihnachten holte Inter so Punkt um Punkt auf Milan auf. Fünf Zähler fehlen nur noch auf den Tabellenführer. Vor allem aber berauschen sich die einstigen Defensivkünstler immer öfter am eigenen Spiel: 5:3 gewannen sie zuletzt etwa gegen AS Rom.
Gegen Bayern würde Lucio ein 2:0 reichen – wie schon im Finale. Statt des verletzten Diego Milito, der im Mai beide Tore schoss, hofft Inter vor allem auf Samuel Eto’o als Torschützen. Denn Neuzugang Giampaolo Pazzini ist in der Champions League gesperrt.