John Bryant: "Meine Zeit bei Bayern hat mich verändert"

München - AZ-Interview mit John Bryant. Der 31 Jahre alte US-Amerikaner lief von 2013 bis 2016 für den FC Bayern auf, aktuell spielt er für Gießen.
AZ: Herr Bryant, Sie sind mit Gießen mit zwei Liga-Siegen gestartet. Im Pokal geht es am Sonntag (15 Uhr) in München gegen Ihren Ex-Klub FC Bayern (2013-2016). Speziell, oder?
JOHN BRYANT: Auf jeden Fall. Meine Partnerin und ihre ganze Familie leben ja in München. Auch viele Freunde werden da sein. Es ist schon etwas Besonderes, vor Ihnen zu spielen.
Sind Sie auch noch mit Bayern-Spielern in Kontakt?
Nein, Anton (Gavel, Karriereende im Sommer; d. Red.) war der letzte, mit dem ich noch richtig in Kontakt war.
Ist es jetzt zu Saisonbeginn vielleicht ein guter Zeitpunkt, um gegen Bayern für eine Überraschung zu sorgen?
Ich glaube schon. Es ist eine schwierige Phase für Teams wie Bayern, die ihre Nationalspieler gerade erst wieder dazubekommen haben. Sie müssen sich noch finden. Wir werden hart spielen, kämpfen und schauen, was passiert. Es ist ein K.o.-Spiel, in dem wir als Underdog nichts zu verlieren haben – Bayern dagegen alles. Wenn sie in der ersten Runde ausscheiden würden, wäre das für sie als Titelverteidiger eine Riesenenttäuschung. Für uns wäre ein Sieg das größte Ding des Jahres.
Wie wollen Sie Bayerns Neuzugang Derrick Williams sein Debüt verderben?
Er wird sicher einer der Schlüsselspieler sein, die wir stoppen wollen. Hoffentlich ist er noch nicht so im Rhythmus und im Team integriert. Er ist ein sehr athletischer Spieler, der viel springt, da werden wir mit physischem Spiel dagegenhalten – und ihn möglichst am Boden halten.
Wollen Sie die Bayern am Saisonende in den Playoffs wieder treffen?
Die Playoffs sind schon unser Ziel. Dann wollen wir schauen, wohin unsere Reise führt, egal gegen wen. Wir sind ein kleiner Klub und wollen weiter wachsen. Das ist einer der Hauptgründe, warum ich meinen Vertrag um zwei Jahre verlängert habe. Ich möchte Teil von etwas Besonderem sein, dabei helfen, etwas zu erschaffen. Einen Klub wie Gießen von der drohenden Insolvenz zu einem Playoffteam zu machen, ist ein großer Schritt. Das bedeutet mir persönlich mehr als nur in einem schon bestehenden, größeren Team mitzuspielen.
Bayern-Basketballer: Frisches Blut für die Mission Titelverteidigung
Wie sind Ihre Erinnerungen an Ihre Zeit bei Bayern, wo Sie 2016 Ihren Vertrag auflösten?
Da ist Positives, aber auch Negatives. Ich hatte dort eine gute Zeit, war 2014 Teil der Meistermannschaft. Ich habe aber auch viele negative Dinge erlebt. Wenn ich jetzt zurück in die Halle komme, werden zwangsläufig auch Erinnerungen hochkommen – positive und negative. In München habe ich viel gelernt – als Spieler und als Mensch. Meine Zeit bei Bayern war ein Punkt in meinem Leben, der mich verändert hat und ich bin daran gewachsen.
Stimmt es, dass Coach Svetislav Pesic Sie damals jeden Tag auf die Waage stellte?
(lacht) Nicht jeden Tag. Einmal in der Woche mussten wir aber alle auf die Waage. Das gehörte zu seiner Coaching-Philosophie. Es war also nichts Spezielles, was nur ich machen musste. Er hatte eben seine Vorstellungen für jeden einzelnen Spieler, wollte zum Beispiel auch, dass die dünnen Jungs ein bisschen zulegen.
Ihr Sohn kam in München zur Welt und wächst dort auf.
Deshalb steige ich, sobald wir mal frei bekommen, sofort in den Zug nach München. Oma macht einfach so gutes Essen (lacht). Ich genieße es sehr, die Zeit mit der Familie zu verbringen. Und München ist nach wie vor meine absolute Lieblingsstadt in Europa. Ich liebe München, das Lebensgefühl und die Leute dort. Ich fühle mich da wirklich zu Hause und könnte mir auch vorstellen, nach meiner Karriere dort zu leben. Deshalb schaue ich mich gerade auch nach einem Haus in der Umgebung um.
Sie haben harte Zeiten durchgemacht, wurden 2016 in Valencia wegen Gewichtsproblemen entlassen, waren vertragslos. Wie haben Sie es geschafft, wieder so zurückzukommen, wie Sie es als zweitwertvollster Spieler der Liga getan haben?
Die zwei Monate in Monaco waren da sehr wichtig. Dort haben mir alle wieder ein gutes Gefühl gegeben und mir geholfen, wieder positiv über Basketball zu denken, nachdem was ich erlebt hatte. Da habe ich plötzlich wieder gemerkt: Ok, du kannst noch Basketball spielen und es fühlt sich wieder gut an. In Gießen habe ich dann eine Umgebung mit sehr positiver Energie und sehr familiärer Atmosphäre gefunden – genau das, was ich gesucht habe. Ich wollte es allen beweisen, die mich schon abgeschrieben hatten. Denen, die mich nicht mehr wollten, dass das ein Fehler war.
Sind Sie wieder ganz der Alte?
Ich glaube, ich bin sogar ein bisschen besser. Ich habe jetzt viel mehr Erfahrung und mein Spiel verbessert, gehe mit gewissen Dingen besser um. Der junge John Bryant war ein wenig impulsiv, hat mehr mit den Schiedsrichtern, einem schlechten Wurf oder mal mit dem Coach gehadert. Jetzt kontrolliere ich mich und meine Emotionen besser selbst.
Sie bemühen sich gerade auch um den deutschen Pass.
Meine Partnerin hat ebenfalls sowohl die deutsche als auch die amerikanische Staatsbürgerschaft. Wir wollen gerne beide Optionen haben, uns nach meiner Basketballkarriere entweder in Deutschland oder in den USA niederzulassen. Als Profi-Basketballer den deutschen Pass zu bekommen, wäre natürlich auch eine große Sache. Es sieht ganz gut damit aus und es muss eigentlich nur noch ein bisschen Papierkram dafür erledigt werden.