„Wojtek ist der Wahnsinn“

Beim Spaß-Kick in der Allianz Arena sorgt der beinamputierte Leichtathlet, ein guter Freund von Bayern-Stürmer Miroslav Klose, für Furore.
von  Abendzeitung
"Unglaublich, woher der Kerl die Kraft schöpft": Wojtek Czyz beim Gaudi-Kick in Fröttmaning.
"Unglaublich, woher der Kerl die Kraft schöpft": Wojtek Czyz beim Gaudi-Kick in Fröttmaning. © Sampics/Augenklick

Beim Spaß-Kick in der Allianz Arena sorgt der beinamputierte Leichtathlet, ein guter Freund von Bayern-Stürmer Miroslav Klose, für Furore.

MÜNCHEN Er konnte den Salto nicht ganz stehen, aber was soll’s? Wojtek Czyz war’s egal, er hatte das Ehrentor zum 1:11 gegen die Bayern-Profis erzielt. Denn der Salto gelingt Miroslav Klose, dem Pionier des Torjublers mit Überschlag, auch nicht immer.

Für die Szene des Gaudi-Kicks zugunsten der Bewerbung Münchens für Olympia 2018 hatte der 30-jährige Czyz zuvor schon gesorgt: ein Fallrückzieher – trotz Beinprothese. Die Fans in der Allianz Arena wurden auch bei seinen Tempodribblings zu Beifallsstürmen hingerissen. Als Sprinter und Weitspringer hatte man den gebürtigen Polen noch in Erinnerung, bei den Paralympics in Athen 2004 und Peking 2008 gewann er insgesamt vier Goldmedaillen, aber als Fußballer?

„Es ist immer schön, wenn man die Leute mal wieder auf den neuesten Stand bringen kann“, sagte Czyz der AZ, seine Sportprothese ganz nebensächlich wie eine Flasche Wein unter den Arm geklemmt. Schön gesagt. Auf den neuesten Stand bringen: ein Beinamputierter kann auch kicken, hat sogar einen Fallrückzieher im Programm, was aber - natürlich - „nichts Besonderes“ sei. Große Augen hätten die Bayern-Stars schon gemacht. „So etwas“, meinte Czyz und grinste, „haben die auch noch nicht gesehen.“ Einer schon: Miroslav Klose.

Er ist ein Freund von Czyz. Nicht nur ein Kumpel, ein „toller Freund“ wie Czyz sagt, „ich kann mich auf ihn jederzeit verlassen.“ Und das nicht wegen all der Gemeinsamkeiten. Beide sind in Polen geboren, als Kinder jeweils mit den Eltern in die Pfalz ausgewandert. Beide waren in der Jugend Fans des 1. FC Kaiserslautern, Czyz trifft heute noch für den Verein an. Als Leichtathlet. Er wollte Fußballer werden, das Talent hatte er. Mit Klose spielte er einst gemeinsam in der Südwest-Auswahl.

Bis zu seinem Schicksalsschlag. Vier Tage nach einem erfolgreichen Probetraining im September 2001 bei Fortuna Köln verletzte der gegnerische Torwart Czyz in seinem letzten Spiel für den VfR Grünstadt so schwer am Knie, dass sein linkes Bein nach einer Kette von Behandlungsfehlern amputiert werden musste. „Als ich das gehört hatte, habe ich Wojtek angerufen und ihn dann im Krankenhaus besucht“, erzählte Klose der AZ. „Was ihm passiert ist, ist einfach nur brutal. Ich habe ihm jede Hilfe angeboten, die er brauchen konnte.“ Czyz, damals 21, ließ sich nicht unterkriegen. Nach einer kurzen Phase der Depression begann er eine Leichtathletik-Karriere, verbesserte nur zehn Monate nach dem Unfall die deutschen Rekorde über 100 Meter und im Weitsprung.

„Wojtek hat damals alle Leute aus dem Krankenzimmer geschmissen, die ihm gesagt haben, was er alles jetzt nicht mehr machen kann und wie er mit seiner Behinderung umzugehen hat“, erinnert sich Klose, „er wollte kämpfen. Es ist unglaublich, wie er das weggesteckt hat, woher der Kerl die Kraft schöpft, mit welcher Freude er alles macht – Wojtek ist der Wahnsinn.“

Vor dem Winterstars-Kick hat Czyz bei den Kloses übernachtet, in der Freizeit haben sie miteinander Fußballtennis gespielt, vor ein paar Jahren waren sie einmal vier Tage beim Angeln auf Rügen, eine gemeinsame Leidenschaft. „Dabei kann man einfach abschalten und die Welt hinter sich lassen“, sagte Czyz.

Nur ein Wunsch erfüllte sich nicht. Klose stand nicht auf dem Platz als Gegner am Sonntag, wurde geschont, da er beim Supercup tags zuvor in Augsburg gegen Schalke 90 Minuten gespielt hatte. Die beiden machten sich lediglich gemeinsam ein wenig warm.

Auch das mit dem misslungenen Salto wurmte Czyz ein wenig. „Ich weiß, dass er ihn drauf hat“, meinte Klose und lachte. „Der kann alles, das ist eine Maschine.“

Patrick Strasser

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