"Wir verlieren und gewinnen zusammen": Pechvogel Urbig bekommt Rückendeckung von FC-Bayern-Bossen und Spielern
München - Vor zwölf Tagen, am 5. März, war Aschermittwoch. Da fing alles an. Unerwartet, unverhofft. Jonas Urbig bereitete sich auf das Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Bayer Leverkusen vor. Sein nächstes Spiel als Stellvertreter von Manuel Neuer. Warmmachen für den so seltenen Ernstfall, für eine plötzliche Einwechslung. Mittendrin, aber doch nicht ganz dabei – das Schicksal von Ersatztorhütern.
Bis Neuer jubelte und daraufhin verletzt raus musste. Ein Tor, ein Sprint, die Wade. Urbig kam ins Bayern-Tor wie die Jungfrau zum Kinde – und elf Tage später kann man sagen: Es ist: ein Kerl. Die elf Tage mit dreieinhalb Spielen im Leben des 21-jährigen Jonas Urbig dürften sich wie elf Monate anfühlen. Gedanken und Gefühle. Paraden und Patzer. Viel Lob, kein Tadel.

Die Lehrzeit endete am Samstag bei Union Berlin mit einem Negativerlebnis. Nach einer Flanke in den Fünfmeterraum patschte Urbig den Ball direkt vor die Füße von Benedict Hollerbach, der zum 1:1, dem späten Ausgleich der Köpenicker, einschießen konnte. "Ein Geschenk" sei es gewesen, gestand der gebürtige Starnberger, der in seiner Jugend bei den Löwen und den Bayern kickte.
Nach Patzer gegen Union: Teamkollegen sorgen sofort für Trost bei Urbig
"Ich glaube, dass er zu spät reagiert", sagte Sky Experte Dietmar Hamann und analysierte Urbigs Patzer: "Die Flugbahn muss er natürlich erstmal antizipieren. Wenn er mit der Hand hingeht, muss er schauen, dass er den Ball aus der Gefahrenzone rausbringen kann. Wenn er sofort zurück geht, kann er den Ball möglicherweise fangen." In der Theorie. Ein Patzer klar, abzulesen an Urbigs Gesicht.

Die Reaktion der Teamkollegen war bemerkenswert, selbst Harry Kane eilte zum jungen Torwart, um ihm einen Klaps zu geben. Kann passieren, Junge. Gehört zum Lernprozess. Sie nahmen ihren jungen Keeper nach dem vierten Pflichtspiel (eineinhalb gewonnen, die beiden Leverkusen-Spiele, dazu ein Remis und eine Niederlage, das 2:3 gegen Bochum) in Schutz. "Wir hätten die Flanke besser verteidigen können, bei dem Tor hängen ein paar Spieler mit drin", sagte Sportvorstand Max Eberl. Alphonso Davies etwa, der mit etwas mehr Entschlossenheit die Flanke hätte verhindern können.
Eberl macht sich "keine Sorgen" um Urbig
Zu Urbig nur dies: "Jonas wird jetzt damit umgehen müssen, aber da mache ich mir keine Sorgen." Der Sportvorstand fasste es mit einem Bonmot zusammen, es eberlte: "Wir verlieren zusammen und wir gewinnen zusammen – und in diesem Fall unentschieden wir eben zusammen."

Ein maximal breites Grinsen gab's gratis hinzu. Und eine sinnvolle Einordnung der Relevanz des Fehlers. "Manu ist unser Kapitän, ein Faktor, der dreieinhalb Spiele nicht da war. Jonas ist fast 18 Jahre jünger, also hat Manu eine Million mehr Bälle gehalten und gespielt und dieses Mehr an Erfahrung." Für Urbig, zwei Bundesligaspiele und zwei Champions-League-Spiele auf dem jugendlichen Buckel, war es eine Feuertaufe im kalten Wasser.
Neuer könnte nach der Länderspielpause wieder zur Verfügung stehen
Im Januar von der Ersatzbank des 1. FC Köln verpflichtet, hat sich Urbig unfreiwillig sofort den Gegebenheiten des großen FCB angepasst. Große Spiele, große Leistung – vor allem in Leverkusen. Kleinere Gegner, reduzierte Leistung.
Am Freitag hat Neuer nach seinem Muskelfaserriss wieder bestens gelaunt mit Lauf-Training begonnen und könnte in zwei Wochen beim Heimspiel gegen St. Pauli wieder im Tor stehen. Die Bayern wissen, dass sie ein großes Talent in der Hinterhand haben, das nun einen ersten Crashkurs in seinem Reifeprozess hinter sich hat. Früher als erwartet. In dieser Woche hält Urbig bei der U21-Nationalelf.