"Wer bist du?": Felix Magaths Psycho-Spielchen mit FC-Bayern-Legende Schweinsteiger

Also fragt Felix Magath seinen Gesprächspartner direkt: "Wer bist du?" Der Gesprächspartner schaut irritiert. Ist das ein Test? Er zögert. Es ist Sommer 2004, und dann sagt der Mann, den schon ganz Deutschland kennt, zu Bayern-Trainer Magath: "Ich bin der Basti Schweinsteiger."
Um diesen Dialog zu verstehen, muss der Kontext stimmen. Hier ist er.
Bastian Schweinsteiger – sofort ein kleiner Star mit großem Echo
Blonde Strähnchen treten hervor, die Haare wachsen im Nacken länger als am Scheitel. Dazu dieses bübische Grinsen! Schwarzlackierte Fingernägel kommen erst, aber der Sommer 2004 ist auch der Sommer des juvenilen, flippigen Bastian Schweinsteiger, der damals 20 wird, unter dem anerkannten Kosenamen Schweini firmiert und im dahinsiechenden deutschen Fußball so etwas wie 50 Prozent aller Hoffnungen verkörpert (neben Lukas Podolski).
In der Saison 2003/04 hat sich Schweinsteiger bereits zur Stammkraft beim FC Bayern gemauert – zumindest für die Verhältnisse von Ottmar Hitzfeld, einem Verfechter der Rotation. Kurz vor der EM 2004 debütiert er im DFB-Team, beim Turnier ist er dabei. Deutschland scheitert in der Vorrunde, doch Schweinsteigers nassforsches Spiel gefällt.
Als Himmelsstürmer Schweini, der eigentlich Mittelfeldspieler ist, nach der EM zurückkehrt, ist er ein kleiner Star mit großem Echo. Hitzfeld trifft er in München nicht mehr an. Der Meistertrainer wird nach sechs Jahren von Magath ersetzt, einem eigenwilligen Typen, der gerne schweigt, leise spricht, süffisant lächelt und beinhart trainieren lässt. Magath hat die Gabe, irgendwie undurchschaubar zu sein. Er ist nicht oft undurchschaubar. Er ist es immer.
FC Bayern: Magath will Schweinsteiger "wieder vom Olymp holen"
Jahre später schildert Schweinsteiger bei "11Freunde" das erste Aufeinandertreffen mit seinem neuen Chef. "Magath schaute mich an und sagte: ‚Wer bist du?‘ Also musste ich mich mit Namen bei ihm vorstellen. Anschließend war ich für eine Operation am Knie zehn Tage weg." Als sich Schweinsteiger zurückmeldet, baut sich Magath vor ihm auf, stoisch. "Er guckte mich an und fragte wieder: ‚Wer bist du?'"
Ist der aufstrebende, begabte, populäre Schweinsteiger tatsächlich kein Begriff für Bayern-Trainer Magath? Natürlich nicht. In Wahrheit hat dessen Reaktion eine Menge damit zu tun, dass Schweinsteiger aufstrebend, begabt, populär ist.
Magath setzt sein klassisches Magath-Gesicht auf, eventuell hat er auch kein anderes: "Ob Bayern-Trainer oder nicht – wie konnte denn wirklich jemand annehmen, dass ich Schweinsteiger nicht kenne!?"
2022 erzählt er die Story bei "Bild" ausführlich: "Schweinsteiger und Podolski hatten eine gute EM, alle anderen deutschen Spieler eine katastrophale. Er hatte zwei Wochen Extra-Urlaub, kam dann zu mir und stellte sich vor. Da habe ich gesagt: ‚Wer bist du?‘ Und habe ihn zwei Wochen zu den Amateuren geschickt, um ihn mal wieder vom Olymp zu holen. Die EM war halt nichts, da kannst du danach nicht freudestrahlend in einen Verein kommen. Ich wollte ihn erst einmal zurückstufen und einen Gegenpol setzen. Ich wollte ihm mit 19 Jahren klarmachen, dass er noch nicht der Superstar ist."

Schweinsteiger-Lob: Unter Magath "gelernt, wie man als Profi sein muss"
Unter Magaths straffer Regie wächst Schweinsteiger an Widerständen. Er reibt sich auf, hat starke Phasen und schwache. Er muss den Linksverteidiger mimen, auf der Außenbahn dribbeln und sich von Uli Hoeneß anhören, dass ihm zu viel "Puderzucker in den Hintern geblasen" wurde. Es ist: wechselhaft. Es ist auch: charakterbildend.
Zu "Four Four Two" sagt Schweinsteiger viele Jahre später: "Wir hatten talentierte Spieler, aber um wirklich die Chance zu haben zu gewinnen, brauchst du die richtige Einstellung, und die hat er eingefordert. Ich habe gelernt, wie man als Profi sein muss. Diese Zeit war sehr hilfreich für meine gesamte Karriere."

Magath wird Anfang 2007 entlassen, erneut übernimmt Hitzfeld. Jetzt hat es Schweinsteiger noch schwerer, es ist die Zeit der schwarzlackierten Fingernägel und besonders die Zeit der Zweifel: Wie gut ist Schweini wirklich?
Heute wissen wir, dass Schweini allmählich zu Herrn Schweinsteiger mutiert. Es dauert, aber es lohnt sich. Bayern-Triple 2013, WM-Epos 2014. Die Kommentatoren applaudieren. "Bastian Schweinsteiger ist sicher zu einem der besten Mittelfeldspieler der Welt geworden." Zitat: Felix Magath.