Wegen Schweinsteiger: Erster Sammer-Anfall

Weil Gerüchte kursieren, der Nationalspieler habe gebeten, ihn nicht mit nach China zu nehmen, tobt Bayerns neuer Sportvorstand: „Unverschämtheit! Schwachsinn! Wo kämen wir denn da hin?“
Matthias Sammer schob den Oberkörper nach vorne, sein Kopf pendelte vor und zurück, die Arme ruderten mit raumgreifenden Bewegungen hin und her. So stand der neue Sportvorstand des FC Bayern also auf dem Nebenplatz des Stadio Comunale von Arco da und redete sich in Rage. „Das ist eine Unverschämtheit!“, sagte er. „Wo kämen wir denn da hin?“, fragte er. Irgendwann fiel auch das Wörtchen „Schwachsinn“. Zum ersten Mal beim FC Bayern ist Sammer öffentlich – als Matthias Sammer aufgetreten: Da war er, der Feuerkopf, der Motzki, der impulsive Typ, den die sie beim FC Bayern haben wollten, als sie ihn holten.
Grund für den ersten leidenschaftlichen Sammer-Anfall war Bastian Schweinsteiger. Oder besser: Ein Bericht über den Mittelfeldchef, der für viel Wirbel gesorgt hat beim FC Bayern. Der „Münchner Merkur“ wollte erfahren haben, dass Schweinsteiger, der sich wie die anderen acht deutschen EM-Teilnehmer noch im Urlaub befindet, darum gebeten hätte, die nächste Woche anstehende fünftägige China-Reise des Rekordmeisters nicht anzutreten und stattdessen individuell in München trainieren zu dürfen.
Eine Meldung, die durchaus Sinn zu ergeben schien: Schweinsteiger hatte sich die gesamte Rückrunde der letzten Saison mit Verletzungen herumplagen müssen, die nie vollständig ausgeheilt schienen. Selbst bei der EM spielte er unter Schmerzen, beschwerte sich über Probleme mit dem Knöchel. Immer wieder waren am Rande des Trainingslagers Gerüchte aufgekommen, dass Schweinsteiger den Marketing-Trip ins Reich der Mitte wohl nicht mitmachen würde.
Sammer ärgerte sich über die Diskussion, widersprach sie schließlich seiner These, dass beim FC Bayern kein Platz sei für persönliche Eitelkeiten. „Wir sind hier in einer Leistungsgesellschaft. Wo kämen wir denn hin, wenn Spieler Wünsche äußern dürften, ob sie spielen oder nicht! Allein der Trainer entscheidet am Ende, ob er mitfliegt oder nicht“, sagte Sammer also, „so einen Wunsch zu äußern, wäre Schwachsinn.“ Das „wäre“ ist wichtig, weil: „Bastian hat diesen Wunsch nicht geäußert“, schloss Sammer seine Philippika ab.
Dass Schweinsteiger aber am Sonntagabend, wenn der Bayern-Tross nach Peking reist, nun im Flieger sitzen wird, heißt das nicht. Im Gegenteil spricht sogar viel dafür, dass der Mittelfeldchef tatsächlich in München bleiben darf. Trotz Sammers Feuerkopf-Anfall. Oder vielleicht sogar deswegen. Bei Uli Hoeneß war es früher immer so, dass er am meisten zeterte und wütete, wenn Reporter mit ihren Berichten ins Schwarze getroffen hatten. Wieso sollte das bei Sammer anders sein?
Zumal auch sportliche Gründe fürs Daheimbleiben Schweinsteigers sprechen dürften – was Sammer auch gar nicht bestritt. „Der Trainer macht eine Bestandsanalyse. Danach gibt es eine Entscheidung. Oder es gibt keine Entscheidung“, sagte Sammer.
Am Sonntag ist ein Laktattest angesetzt für die Nationalspieler. Sollten Schweinsteiger, oder die anderen, nicht richtig fit sein, könnten sie in München bleiben und individuell trainieren, ehe sie ins Mannschaftstraining einsteigen.
Dass dieses Vorgehen möglich ist, machen die Bayern gerade vor: Franck Ribéry, bei der EM im Viertelfinale ausgeschieden, absolvierte seinen Laktattest schon am Samstag. Statt mit ins Trainingslager zu reisen, stieg er gestern an der Säbener Straße ins Aufbautraining ein. Ähnlich könnte Bayern es nun mit Schweinsteiger & Co. praktizieren. Und wieso auch nicht?
Die Ziele für kommende Saison sind hoch, es müssen Titel her. Zwar bringt der Trip nach China viel Geld, doch Image lässt sich auch in Asien am besten durch Titel aufbauen.