Vorspiel mit Ancelotti und Guardiola

Ganz am Ende erlaubte sich der Realist tatsächlich einen Ausflug in die Welt der Träume und Wünsche, Carlo Ancelotti dachte an den 3. Juni 2017, das Champions-League-Finale in der walisischen Hauptstadt Cardiff. Und er dachte an Pep Guardiola. „Ja, das wäre gut für mich und ihn und für unsere Klubs“, sagte Ancelotti, als er auf ein mögliches Königsklassen-Duell mit Manchester City und dem Ex-Bayern-Trainer angesprochen wurde: „Ich hoffe, wir treffen uns das nächste Mal in Cardiff.“ Dann lachte der Italiener. Diese Vorstellung gefiel ihm richtig gut.
Ancelotti und Guardiola, Vergangenheit und Gegenwart auf der Trainerbank der Bayern – an diesem Mittwoch treffen sich die beiden in der Allianz Arena zum Testspiel (20.30 Uhr/live im ZDF). Es ist Guardiolas Rückkehr an den Ort, an dem er drei Jahre große Erfolge feierte, aber nie geliebt wurde, und gleichzeitig das Aufeinandertreffen zweier „Freunde“, wie Ancelotti die Beziehung zu Pep bezeichnet. Der Katalane hatte ihm im Büro an der Säbener Straße eine Grußbotschaft an der Wand hinterlassen. Das kam bei Ancelotti gut an. „Er hat hier hervorragende Arbeit geleistet“, sagte der Italiener am Dienstag voller Respekt und Bewunderung: „Ich habe bisher noch nicht mit ihm gesprochen, aber das mache ich morgen.“
Ancelottis Stärke? Die Gelassenheit
Guardiolas Erbe, Guardiolas Grundlagen – Guardiolas großer Schatten: In diesem Spannungsfeld bewegt sich der neue Bayern-Trainer in dieser Saison. Ancelotti weiß, dass sein Vorgänger in vielen Bereichen Maßstäbe gesetzt hat, den Fußball taktisch und in puncto Variantenreichtum auf ein neues Niveau gehoben hat. Und Ancelotti ist erfahren, schlau und pragmatisch genug, sich dieser glänzenden Vorarbeit zu bedienen. „Guardiolas Stil war sehr schön, ich hoffe, die Spieler vergessen das nicht“, sagte er: „Das, was Pep hier eingebracht hat, wird wichtig sein für diese Saison. Ich will Charakteristiken wie Ballbesitz und die gute Organisation übernehmen.“ Und natürlich „meine eigenen Ideen einbringen“.
Zu diesen Ideen, zu Ancelottis Stärken zählt neben dem Umgang mit seinen Stars, neben der Fähigkeit, die Taktik genau an die Qualitäten der Spieler anzupassen, auch seine gelassene Art, die ansteckt. Der 57-Jährige hat kein Problem damit, Macht und Kontrolle abzugeben. Ein Thema, mit dem sich Pep in seiner Bayern-Zeit immer schwergetan hatte. Besonders im medizinischen Bereich. Ancelotti erklärte am Dienstag, wie er das Zusammenspiel mit den Ärzten versteht. Er werde zwar mit den Spielern über ihre Verletzungen sprechen, „wenn ihre Zunge nicht verletzt ist“, aber sonst werde er einen Teufel tun, den Experten reinzureden. „Ich weiß nicht, was unter Pep war“, sagte er, „aber die Verletzten müssen mit dem Doktor arbeiten. Sie sagen, wann der Spieler fit ist, nicht ich.“ Guardiola hatte da bekanntlich eine andere Meinung, ließ etwa seinen Star Thiago gegen den Rat der Bayern-Ärzte in Barcelona operieren. Ancelotti wünscht sich in jedem Bereich eine enge Abstimmung mit den Bayern-Bossen um Karl-Heinz Rummenigge. Alleingänge wird es unter ihm nicht geben.
„Das Ergebnis ist am unwichtigsten"
Auch mit Forderungen nach Neuzugängen („Thiago oder nix“) hält sich Ancelotti öffentlich zurück. „Unsere Mannschaft ist sehr gut, alle Positionen sind besetzt, wir brauchen keine neuen Spieler“, sagte er am Dienstag. Selbst nach dem Ausfall von Arjen Robben, der sechs Wochen fehlen wird, sieht Ancelotti keinen Handlungsbedarf in der Offensive: „Ich bin nicht glücklich über seine Verletzung, aber zu Saisonbeginn ist er bereit.“ Leroy Sané, der als möglicher Robben-Ersatz gehandelt wurde, wird deshalb wohl zu einem anderen Verein wechseln – zu Guardiola und ManCity.
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Auch darüber werden Carlo und Pep am Abend sprechen können, der sportliche Wert des Testspiels ist ohne die EM-Fahrer begrenzt. „Das Ergebnis ist am unwichtigsten. Ich will mein Team gut spielen sehen, es ist unser erstes Spiel Zuhause“, sagte Ancelotti. Ihm wird Zeit bleiben, um mit seinem Freund über andere Dinge zu plaudern. Die besten Münchner Restaurants zum Beispiel – und über Cardiff.