Vom Lückensucher zum Lückenbüßer

Thomas Müller ist mit 22 Jahren bereits an einem Scheidepunkt seiner Karriere angekommen. Macht er seine Sache hinter den Spitzen gut, kann er auf Dauer Regisseur sein.
von  Filippo Cataldo
Muss laut Trainer Jupp Heynckes wieder torgefährlicher werden: Bayerns Thomas Müller, der gegen Gladbach wieder zur Startelf gehört.
Muss laut Trainer Jupp Heynckes wieder torgefährlicher werden: Bayerns Thomas Müller, der gegen Gladbach wieder zur Startelf gehört. © Rauchensteiner/AK

Thomas Müller ist mit 22 Jahren bereits an einem Scheidepunkt seiner Karriere angekommen. Macht er seine Sache hinter den Spitzen gut, kann er auf Dauer Regisseur sein. Sonst droht die Bank.

München - Lionel Messi. Klar, wen sonst? Spaniens Nationaltrainer Vicente del Bosque lag bei seiner Wahl zum Weltfußballer des Jahres im Trend. Auch seine Nummer 2, Cristiano Ronaldo, ist keine Überraschung. Doch als drittbesten Spieler des Jahres 2011 kürte del Bosque nicht etwa einen seiner spanischen Weltmeister, sondern: Thomas Müller.

Insgesamt landete der Pähler bei der Wahl zum Ballon d'Or als bester Bundesligaspieler auf Rang 13. Nicht schlecht für einen, der daheim bei Bayern nach seinem Platz sucht.
„Stammspieler ohne Stammplatz”, hat ihn „Sport Bild” genannt. Weil der 22-Jährige, auf dem Platz meist unnachahmlich als Lückensucher unterwegs, in der Hinrunde vor allem den Lückenbüßer geben musste. Meist vertrat er den verletzten Arjen Robben auf dem rechten Flügel, doch er spielte auch mal im Sturmzentrum, links oder hinter der Spitze.

Müller ist so, inklusive Champions League, Pokal und Nationalmannschaft, auf 31 Spiele in der Vorrunde gekommen – so viele schaffte kein anderer Bundesligaprofi. Aber befriedigend war die Situation für ihn nicht. Müller spielte ordentlich, aber nicht so auffallend wie früher. „Ich will nicht von einer schlechten Hinrunde sprechen, aber ich hätte sie besser gestalten können. Ich habe zu wenig Tore geschossen", sagte Müller. Tatsächlich waren es nur zwei Bundesligatreffer, dazu kamen starke sieben Vorlagen. Auch Coach Jupp Heynckes mahnte während des Trainingslagers in Doha an, dass Müller seine alte Torgefährlichkeit wiederfinden müsse.

Heynckes mag Müller, er schätzt und fördert ihn. Aber Müller ist nicht mehr der Lieblingsschüler, der er noch unter Louis van Gaal war („Müller spielt immer"). Bei Heynckes gilt bisher: Müller spielt, wo gerade Bedarf ist. Doch Heynckes weiß, dass Müller sich nach einem festen Platz im Bayern-Ensemble sehnt. „Thomas hat einen sehr großen Aktionsradius, das gefällt mir gut”, sagte Heynckes, „aber wir müssen aufpassen, ihn mit den vielen Positionswechseln nicht zu überfordern.”

Darum handelt Heynckes jetzt. Beim Rückrundenauftakt in Mönchengladbach (Spiel bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht begonnen) durfte Müller hinter dem Sturmzentrum ran. Es ist Müllers Lieblingsposition. „Ich fühle mich in der Mitte am wohlsten. Da kann ich meine Stärken am besten einbringen”, sagte Müller, der mit 22 bereits an einem Scheidepunkt seiner Karriere angelangt zu sein scheint. Macht er seine Sache jetzt gut, kann er sich auf eine Zukunft als Bayern-Regisseur einrichten. Ansonsten droht ihm – zumindest unter Heynckes – die Rolle des Lückenbüßers und gelegentlichen Bankdrückers.

Will er das verhindern, muss Müller Heynckes-Lieblingsschüler Toni Kroos dauerhaft in seinen Rücken verdrängen. Kroos gab in der Hinrunde einen vorzüglichen Regisseur, kann aber auch defensiver agieren. Müller kennt nur den Weg nach vorn mit dem Ball, seine Stärke ist neben dem Abschluss das Fährtensuchen – er erahnt Räume, wo eigentlich keine sind. Er ist ein ganz anderer Typ als Kroos, der Pässe spielt, die kein Gegner erahnt und das Spiel lesen kann wie nur ganz wenige. Wo Müller mit seinem unkonventionellen Spiel, dem lässigen Mundwerk und den tief sitzenden Schienbeinschonern aus der Zeit gefallen scheint, wirkt Kroos, für Heynckes ein „intelligenter Spieler”, wie ein Dirigent des modernen Fußballs. Wer von den beiden künftig die Offensive leiten darf, das ist derzeit die spannendste Frage beim FC Bayern. Eine Frage des Stils.

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