Van Gaal: „Seit ich hier bin, scheint die Sonne!“

Van Gaal privat: Hier erklärt er, was er in seiner Freizeit macht, was er an München liebt und warum seine Töchter ihn siezen.
von  Abendzeitung
„Truus, wir haben es sehr gut!“ Der Bayern-Trainer Louis van Gaal und seine Frau fühlen sich wohl in München.
„Truus, wir haben es sehr gut!“ Der Bayern-Trainer Louis van Gaal und seine Frau fühlen sich wohl in München. © dpa

Van Gaal privat: Hier erklärt er, was er in seiner Freizeit macht, was er an München liebt und warum seine Töchter ihn siezen.

AZ: Herr van Gaal, im ersten Teil des Interviews haben Sie uns erzählt, dass Sie schon an Ihre Zeit nach dem FC Bayern denken und zum Abschluss Ihrer Karriere einmal eine Nationalmannschaft trainieren wollen. Gefällt es Ihnen denn nicht bei uns in München?

LOUIS VAN GAAL: Da interpretieren Sie mich, und das auch noch falsch. Ich denke, dass es wunderschön ist in München, auch im Vergleich zu meinen früheren Stationen.

Besser als in Barcelona oder in Amsterdam?

Ich liebe die Menschen hier in München. Die sind immer freundlich, immer höflich. Die Straßen sind immer sauber. Und das Essen ist außergewöhnlich gut. Sie müssen wissen: Ich bin ein Fleischesser! Und für so jemanden ist es unglaublich gut hier in Bayern. Obwohl: Vielleicht ist das Essen ein bisschen zu fett. In Spanien war es besser für mein Gewicht. Aber hier schmeckt es mir besser.

Was gefällt Ihnen noch?

Die Natur. Die ist phantastisch. Groß, weit und robust. Und das Wetter: Seit ich hier bin, scheint die Sonne. Das habe ich bei meinem Antritt ja versprochen, auch dem Uli Hoeneß. Dann hatten wir in den ersten zwei Wochen nur Sturm und Regen, und Hoeneß hat sich beschwert. Aber jetzt weiß er, warum im Dezember in München noch die Sonne scheint. Und fragen Sie mal in Alkmaar nach.

Ihrer vormaligen Station.

Da regnet es jetzt viel öfter, seit ich weg bin.

Was machen Sie in München nach Feierabend?

Mit meiner Frau essen gehen und Wein trinken. Oder mit Freunden Karten spielen oder Golf spielen oder Tennis. Ich habe viele Hobbys.

Gehen Sie gern aus in München, oder ist das schwierig?

Nein, warum sollte das schwierig sein?

Weil Sie der Trainer des FC Bayern sind. Jürgen Klinsmann, Ihr scheuer Vor-Vorgänger, hat sich selten in der Stadt gezeigt.

Ich tue das schon. Ich denke sogar, dass ich mehr Restaurants kenne als Sie.

Mit Verlaub: Sie sind noch kein halbes Jahr hier.

Aber ich habe schon viele gute Restaurants in München kennen gelernt. Und meine Frau weiß auch, wo man gut einkaufen kann.

Das geht ans Geld.

Das kann sein, ja. Aber das ist auch eine schöne Art zu leben.

Kochen Sie nicht selber?

(schmunzelt) Ich? Nein, ich mache nichts zu Hause.

Dann sind Sie ja doch ein Macho!

Dann bin ich Softie und Macho. Ich werde verwöhnt von meiner Frau. Das liebe ich.

Womit belohnen Sie sich?

Belohnen? Warum? Ich bin zufrieden mit meinem Leben. Ich habe eine schöne Frau, zwei liebe Töchter, zwei Enkelinnen, viele Freunde. Ich habe alles, was mein Herz begehrt. Ich bin sehr zufrieden. Ich sage oft zu meiner Frau: „Truus, wir haben es sehr gut.“

Sprechen Sie mit Ihrer Frau über Fußball? Über das, was Sie mit den Spielern erleben?

Nein, sie möchte das zwar gerne. Aber ich mache das nicht.

Warum nicht?

Alles, was in der Kabine passiert, muss unter uns Männern bleiben. Das erwarte ich von meinen Spielern, also muss ich mich auch selbst dran halten.

Sie sprachen von Regeln, von Werten. Was gefällt Ihnen nicht in unserer Gesellschaft?

Wir leben inzwischen in einer unpersönlichen Welt – aber alles wird aufs Persönliche gedreht. Wir leben in einem Computer-Zeitalter. Viele Menschen verstehen es leider nicht mehr, sich auf das Wesentliche zu fokussieren. Wir haben weniger Erziehung, weniger Respekt. In so einer Welt leben wir. Ich kann es nicht ändern, aber ich kämpfe dagegen.

Sie halten es anders. Sie lassen sich von Ihren – inzwischen erwachsenen – Töchtern sogar siezen. Können Sie uns das erklären?

Ganz einfach: Meine Töchter sagen „Sie“ zu mir, so wie ich meine Eltern gesiezt habe. Und ich finde das in Ordnung.

Entschuldigung, wir haben auch Kinder, Töchter, wie Sie. Wir können uns das nicht vorstellen, von unseren Töchtern gesiezt zu werden.

Und ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Tochter mich duzt. Sie müssen das akzeptieren: Das ist eine andere Kultur als bei Ihnen. Sie dürfen nicht glauben, man müsse duzen, um jemanden zu lieben. Aus meiner Sicht muss da zwischen Eltern und Kindern immer eine Distanz sein. Es ist eine Frage des Respekts, des Altersunterschieds – und der Distanz, die man aufrecht erhalten muss. So denke ich.

Damit man Sie besser versteht, haben Sie Ihr Leben in einem Buch aufgeschrieben, „Biografie und Visie“. War das lange geplant?

Es war die Idee eines Freundes. Ich habe zwei Jahre nachgedacht: Muss ich das machen? Biografien werden doch eigentlich erst nach dem Tod geschrieben. Ich lebe noch, ich arbeite sogar noch. Aber ich wollte meine Philosophie erklären. Viele Leute interessieren sich für mein Training, meine Philosophie. Ich will sie daran teilhaben lassen.

Auch in Deutschland? Planen Sie eine deutsche Ausgabe?

Noch nicht. Die Leute müssen es ja lesen wollen, sich dafür interessieren. Und das wird erst dann der Fall sein, wenn ich Erfolge habe beim FC Bayern. Dann lasse ich es vielleicht übersetzen.

Ist Ihr Buch denn ein Erfolg in Holland? Verkauft es sich?

Ich stand auf Platz 5 auf der Bestsellerliste. Und das mit einem Buch, das 50 Euro kostet. Sonst kosten Bücher 9,95 oder auch mal 2,50. Aber nicht 50 Euro. Das ist sehr teuer, das gab es nur einmal bisher – mit einem Atlas. Von „Biografie und Visie“ ist jetzt schon die dritte Auflage erschienen.

Nehmen Sie eigentlich noch Deutsch-Unterricht?

Ich habe keinen Lehrer mehr, ich mache das jetzt selbst. Ich lerne mit dem Computer und mit CDs. Ich habe Lehrbücher, und ich schreibe, wenn ich deutsche Texte lese, die Wörter auf, die ich nicht genau kenne. Das werde ich auch mit diesem Interview so machen.

Da haben Sie ja was zu tun. Ist ja doch ein ziemlich langes Gespräch geworden.

Es kann sein, dass ich zu viel gesagt habe. Wir sitzen jetzt schon über eine Stunde hier, dabei waren nur 30 Minuten vereinbart. Ich hätte Sie also schon längst wegschicken können. Aber ich will, dass Sie mich kennen lernen und mich besser verstehen.

Interview: Gunnar Jans, Michael Schilling

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