Uli Hoeneß: "Das ist nicht mein Titel"
Für Uli Hoeneß war der Gewinn der Champions League die Krönung seines Lebenswerks. Die Aufmerksamtkeit um seine Person schien dem Präsidenten allerdings unangenehm zu sein.
London/München - Bundeskanzlerin Angela Merkel, die von ihm ja so enttäuscht ist, schüttelte ihm die Hand, und der Steuersünder Uli Hoeneß machte brav seinen Diener. Kurze Zeit später drückte ihm Bastian Schweinsteiger auf dem schmalen Siegerbalkon in Wembley den Henkelpott in die Hände, doch diese Szene glich fast einer Nötigung. Die Anhänger des FC Bayern jubelten, schrien „Uli, Uli“, doch es war nicht zu übersehen, dass Hoeneß das alles eher unangenehm war.
Und noch ein bisschen später, um 2.17 Uhr Ortszeit im Hotel Grosvenor House am Hyde Park, wo passenderweise „The Great Room“ für die große Münchner After-Spiel-Party hergerichtet worden war, wurde es dann doch ein bisschen peinlich: Jan-Christian Dreesen, der neue Finanzvorstand des FC Bayern, rief zunächst seine Vorstandskollegen Karl-Heinz-Rummenigge, Matthias Sammer und Andreas Jung herauf auf die Bühne – dann verlangte er plötzlich nach Uli Hoeneß.
„Wir woll'n den Uli seh'n“, rief Dreesen in das Saal-Mikrofon – für Momente entstand eine eigenartige Stimmung. Hoeneß ging auf die Bühne, doch erneut schien er sich unwohl zu fühlen, im Mittelpunkt wollte er an diesem Abend nicht stehen. „Ich war nie einer, der sich in den Vordergrund drängt“, hatte er zuvor beteuert, als ihm Markus Hörwick, Mediendirektor des FC Bayern, beim Interview mit Sky den Pokal ebenfalls fast aufzwingen musste: „Da, das ist deiner.“
Hoeneß wirkte gezeichnet von den vergangenen Wochen, von seiner Steueraffäre, von den Diskussionen um seine Person. „Das ist nicht mein Titel, sondern der des FC Bayern. In den letzten Wochen war es für mich nicht einfach, aber die Mannschaft und der Verein haben da unglaublich drübergestanden“, sagte er. Er wirkte seltsam verschämt und verdruckst. Er wirkte freilich auch, als müsse er sich zwingen, Distanz zu dieser Krönungsfeier auch seiner Laufbahn zu wahren.
Die Situation im „Great Room“ wurde schließlich von Rumnmenigge gerettet, der Dreesen einfach das Mikrofon wegnahm und sagte: „Ich glaube, was unseren Klub auszeichnet, ist Uli Hoeneß. Uli Hoeneß ist der Architekt des FC Bayern. Uli hat schwierige Zeiten hinter sich, aber was dieses Klub auszeichnet, ist, dass wir Freunde sind und in schwierigen Zeiten zusammenstehen.“ Und dann durfte Hoeneß runter von der Bühne – und ein wohliges Bad in der tobenden Menge nehmen.
Rund 1200 Menschen waren im „Great Room“, sie klatschten, sie jubelten Hoeneß zu, und er genoss die Huldigungen. Zumindest in diesem Augenblick schien es, als sei wieder alles so wie früher. In Wahrheit hatte Hoeneß auch den Moment auf dem Siegerbalkon irgendwie genossen. „Ich spüre bei allen Spielern, dass sie sich für mich Freude haben“, sagte er im ZDF und merkte an, dass er „nicht alles falsch gemacht habe den vergangenen zehn Jahren“.
Der Gewinn der Champions League ist auch der Sieg von Hoeneß, er weiß das, alle wissen das. Deswegen haben sie ihn bislang auch nicht fallen lassen, obwohl sich hartnäckig der Verdacht hält, dass schon am Montag der kommenden Woche, nach dem Pokalfinale, Schluss ist für ihn, zumindest als Aufsichtsrat. In London wirkte Hoeneß eigenartig distanziert – er sprach vom und über den „FC Bayern“, wo er früher „wir“ oder „wir beim FC Bayern“ gesagt hatte.
Nach Spielen in der Champions League haben sich die Granden des FC Bayern zu später Stunde immer eine Zigarre angezündet. Es sollte diesmal selbstverständlich nicht anders sein, doch als nächtens der erste Rauch aufstieg, kam plötzlich die Durchsage: „No smoking, this is a non-smoking room.“ Nein, für Uli Hoeneß ist nichts mehr, wie es
einmal war. Zwanzig Minuten vor vier Uhr ging er.