Timoschtschuk: Wird er der blonde Lothar?
Der Elf-Millionen-Mann aus der Ukraine, zunächst von Bayerns Trainer van Gaal verschmäht, muss sich nach der Verletzung von Kapitän Mark van Bommel nun beweisen. Timoschtschuks Vorbild Matthäus sagt: „Er ist einer der Besten der Welt“
MÜNCHEN Verstanden hat es Anatolij Timoschtschuk nicht. Er musste aber. Louis van Gaal hatte sich entschieden – für Mark van Bommel und gegen den Ukrainer auf der Position im defensiven Mittelfeld vor der Abwehr. Timoschtschuk war draußen im Pokal und beim Bundesliga-Auftakt letzten Samstag, ein Bankhocker – was ihm letztmals „als Teenager“ passiert ist. Behauptet der 30-Jährige.
Nun ist er wieder drin. Mark van Bommel musste nach einem Zehenbruch operiert werden, fehlt bis zu vier Wochen. So schnell kann sich alles drehen. „Ich bin mehr als überzeugt, mir nun einen Stammplatz erkämpfen zu können“, sagte Timoschtschuk. Seine erste Bewährungschance: Die Heimspiel-Premiere der neuen Saison am Samstag (15.30 Uhr, Liveticker bei abendzeitung.de) gegen Werder Bremen.
„Wir bedauern es sehr, dass Mark verletzt ist“, sagte Manager Uli Hoeneß zur AZ, „jetzt spielt eben Timoschtschuk. Ich denke keine Sekunde darüber nach, dass dies ein Problem ist. Ich weiß, dass er gut spielen wird. Das ist ein Vorteil unseres ausgeglichenen Kaders.“
Und des Bankkontos. Rund elf Millionen Euro haben die Bayern an Zenit St. Petersburg für Timoschtschuk überwiesen. Imponiert hat sie der Auftritt im Uefa-Cup-Halbfinale der vorletzten Saison (1:1/0:4), als der Ukrainer zwei Rollen in einer verkörperte: Flinker, energischer Balldieb und flotter, ideenreicher Aufbauspieler. Wie ein Lothar Matthäus zu besten Zeiten. Nach so einem Spielertyp haben sie sich gesehnt bei Bayern.
„Für mich ist er der beste Einkauf der Bayern diese Saison. Auf seiner Position ist Timo einer der Besten der Welt“, sagte Lothar Matthäus und rühmte sich: „Vor vier Jahren habe ich Manager Uli Hoeneß gesagt: Den musst du holen! Doch ich bin froh, dass Uli jetzt aufgewacht ist und ihn geholt hat.“ Ihn, der eben jenen Matthäus verehrt, früher bei Zenit eine Original-Kapitänsbinde des Vorbilds trug. „Beckham ist zweifellos eine große Persönlichkeit, aber Matthäus eine noch größere Persönlichkeit“, sagte Timoschtschuk. Nun kann er ab Samstag zeigen, ob er dem Vergleich standhält. Gute Kopie, schlechte Kopie? Wird er der blonde Lothar?
Selbstbewusst ist er ja. „Ich bin ein Leader“, behauptet Timoschtschuk und erklärt: „Man muss vorangehen und antreiben. Das ist Charaktersache. Ans Scheitern denke ich nicht.“ Er macht sich viele Gedanken über Fußball – siehe Lothar. Da spricht die Kopie schon wie ein Trainer, wie das Original. Timoschtschuk hat seine Prinzipien.
Erstens: „Zehn Prozent im Fußball sind Talent, der Rest harte Arbeit.“ Zweitens: „Disziplin besiegt immer Klasse.“ Drittens: „Die gesamte Elf muss verteidigen und stürmen – und das in jeder Situation. Das ist Fußball total.“ Das wird van Gaal gefallen. Und viertens, abseits des Platzes, sein Lebensmotto: „Ich befolge folgendes Prinzip: ,Frag nach dem Unmöglichen, und du bekommst das Maximum.’“ Einen Stammplatz?
Bis dahin muss der Mann mit dem schwarzen Haarband noch lernen – Deutsch etwa, obwohl er es schon in der Schule hatte. Er will demnächst einen persönlichen Lehrer engagieren. Dabei versteht er schon ganz gut. Bayerische Schmankerl hat er schon drauf, fragte kürzlich: „Host mi?“
Patrick Strasser