Showdown in der Allianz Arena: "Bayern packt's"
Ottmar Hitzfeld führte die Bayern 2001 zum Sieg in der Champions League. Das aktuelle Team erinnert ihn an seine Helden – er traut ihm den Coup zu: erst gegen Real, dann gegen Barcelona.
AZ: Herr Hitzfeld, nach dem 2:1 der Dortmunder beim FC Schalke hat Jupp Heynckes einige Spieler der ersten Mannschaft für das Halbfinal-Hinspiel gegen Real Madrid geschont. Clever oder zu riskant, da die Spieler aus dem Rhythmus kommen könnten?
OTTMAR HITZFELD: Jupp Heynckes ist ein Trainer mit Weitblick. er weiß, dass es gut ist, wichtige Kräfte zu schonen. Die Aufstellung gegen Mainz war mutig und riskant. Aber mit Blick auf die Champions League war das gut.
Einige Bayern-Fans haben ob des zähen Spiels gepfiffen.
Dafür habe ich wenig Verständnis. Ein Trainer muss vorausschauend planen. Die Vorteile überwiegen doch. Manche Spieler sind am Ende einer Saison überspielt. Wenn sie keine Möglichkeiten bekommen, zu pausieren, wären die Folgen verheerend. Außerdem kann man mit solchen Einsätzen Ergänzungsspieler motivieren. Gerade Olic kann man vielleicht in den letzten Wochen nochmal brauchen.
Gehen die Bayern trotz der Chance auf das Triple bis zum Dortmund-Spiel ohne einen Titel aus der Saison?
Nein, Bayern wird einen oder vielleicht sogar zwei Titel holen. Ich habe jedoch den Eindruck, dass sie verwundbar sind, wenn sie in Rückstand geraten, da fehlt die mentale Stärke, das Nervenkostüm scheint mir nicht das stabilste. Das macht mich stutzig. Die Champions League ist schwieriger, aber machbar.
Was macht Sie vor den Duellen mit Real so sicher?
Die Bayern müssen das, was jetzt in der Liga passiert ist und die Champions League mental trennen. Sie müssen sich erinnern, dass sie in der Champions League sehr gute Spiele gezeigt haben. Gegen Real ist es ein 50:50-Spiel, da entscheidet die Tagesform. Aber die Bayern haben einen entscheidenden Vorteil.
Ja, bitte?
Real liegt den Bayern, das wissen sie. Und vor allem die Spanier wissen das. Die Statistik der letzten Duelle spricht eine deutliche Sprache.
Kümmert das einen Spieler?
Doch, solche Dinge sind aussagekräftig, das setzt sich in den Köpfen fest, auch wenn man vielleicht nicht beteiligt war. Man hört es, liest es. Das kann Spieler lähmen. Real hat großen Respekt. Real im Halbfinale ist für Bayern einfacher als Barcelona.
Welche sind die Schlüsselduelle im Halbfinale?
In meinen Augen ist die Bayern-Offensive genau so stark wie die von Real – trotz Cristiano Ronaldo. Und gegen den kann sich nun Philipp Lahm beweisen, nachdem er die Seite gewechselt hat. Rechts hinten ist er defensiv stärker. Er muss Ronaldo schon vor und bei der Ballannahme stören, denn wenn er erstmal Tempo aufnimmt und ins Dribbling kommt, ist er kaum zu stoppen. Das war ein guter Schachzug von Heynckes, dass er Alaba zum Linksverteidiger gemacht hat, der Junge spielt fantastisch.
Wie wichtig wird das Mitwirken von Bastian Schweinsteiger, auch wenn er noch nicht wieder zu 100 Prozent fit und im Rhythmus ist?
Er kann in so einem Spiel über sich hinauswachsen. Seine Erfahrung ist immens wichtig. Es ist zwar schwierig, in so einer Phase der Saison nach einer Verletzung zurückzukehren, aber Bastian ist intelligent genug. Es ist eine Frage des Willens.
Ein Hinspiel im eigenen Stadion birgt Gefahren. Wie viel Risiko darf man gehen?
Man darf kein Gegentor kassieren, muss aber einen Vorsprung herausspielen. Einerseits hat Real mit Ramos und Pepe in der Innenverteidigung möglicherweise die stabileren Spieler, andererseits hat Bayern bis auf Dortmund in der Liga zuletzt auch oft zu Null gespielt, das gibt Sicherheit. Es ist immer eine Gratwanderung. Dennoch denke und hoffe ich: Bayern packt’s! In einem Spiel im Finale gegen Barcelona ist ein Sieg machbar.
So optimistisch?
Ja, bei Bayern liegt der Fokus in dieser Saison auf der Champions League, das Finale ist in München. Außerdem sehe ich Parallelen zu meiner Mannschaft der Saison 2000/2001. Da waren wir auch in der Bundesliga nicht so stark, haben keine gute Runde gespielt.
Sie haben damals dennoch die Meisterschaft geholt. Nun droht Bayern im Pokalfinale die fünfte Pleite hintereinander gegen die Borussia.
Das Pokalfinale ist nur ein Spiel, das ja nicht in Dortmund stattfindet, sondern in Berlin – da haben die Bayern immer gut ausgesehen. Man kann in einem Spiel einen Titel holen. Der Pokal wäre mehr als eine Entschädigung, es ist ein Titel. Und Titel gehören beim FC Bayern wie selbstverständlich zum Leben dazu.