Interview

"Selbstverständnis, aber ohne Arroganz": Bayerns Ex-Medienboss verrät, wer das "Mia san mia" erfunden hat

Markus Hörwick, lange Jahre Medienchef des FC Bayern, spricht in der AZ über die Ursprünge des Klubmottos und der Vermarktung. Dazu nimmt er auch zum "FC Hollwood" und Vereinsgesicht Thomas Müller Stellung.
Patrick Strasser |
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"Selbstverständnis, aber ohne Arroganz", wie es Markus Hörwick nennt. Die Bayern entwickeln in den Erfolgen vor 40 Jahren ein Wir-Gefühl, das bis heute tief in der DNS des Klubs verwurzelt ist.
"Selbstverständnis, aber ohne Arroganz", wie es Markus Hörwick nennt. Die Bayern entwickeln in den Erfolgen vor 40 Jahren ein Wir-Gefühl, das bis heute tief in der DNS des Klubs verwurzelt ist. © Stefan Matzke / sampics

AZ: Herr Hörwick, Sie sind gebürtiger Münchner, haben ab 1983 die Medienabteilung des FC Bayern München aufgebaut und bis 2016 geführt. Es war Pionierarbeit, weder der DFB noch die Bundesliga selbst hatten eine Medienabteilung. Mit Ihren 33 Jahren Erfahrung beim FC Bayern – was bedeutet der Begriff "Mia san Mia"?
MARKUS HÖRWICK: Das beschreibt das Selbstverständnis des Klubs und seiner Anhänger, das Wir-Gefühl, den Stolz und auch das bayerische Selbstbewusstsein, in ein Spiel zu gehen und dem Gegner zu vermitteln: Kommt nur her! Selbstverständnis, aber ohne Arroganz. Oberhalb der Donau, vor allem bei denen, die es nicht mit dem FC Bayern halten, wird das Mia san mia dann natürlich als arrogant angesehen. Damit haben wir kein Problem.

"Mia san mia, mia san mia. Mia san stärker wia die Stier"

Wer hat den Ausspruch, dieses Motto eigentlich erfunden?
Das ist bei einer Meisterfeier auf dem Münchner Rathausbalkon entstanden. Ich denke 1986 oder 1987, als vier unserer gebürtigen Bayern, Klaus Augenthaler, Hans Pflügler, Wiggerl Kögl und Hans Dorfner, alles gestandene Mannsbilder, plötzlich zu singen anfingen: "Mia san mia, mia san mia. Mia san stärker wia die Stier, mia san stärker wia die Bam, weil mia echte Bayern san!" Viele Fans haben spontan eingestimmt. Später, das war dann in den 90er Jahren, hat Andi Jung, zunächst in der Sport-Werbe GmbH tätig, danach Leiter der Abteilung Sponsoring und Events, den Spruch zu einem Markenclaim gemacht. Der FC Barcelona hatte da schon die Devise "Més que un club", also "mehr als ein Verein", und Real Madrid, das waren immer die Königlichen.

"Viele Fans haben spontan eingestimmt": Klaus Augenthaler (r.) und einige Spieler erfinden Mitte der 1980er Jahre unwissentlich das legendäre Klubmotto.
"Viele Fans haben spontan eingestimmt": Klaus Augenthaler (r.) und einige Spieler erfinden Mitte der 1980er Jahre unwissentlich das legendäre Klubmotto. © imago images/WEREK

Zum Slogan kam irgendwann dann auch das passende Marketing, die Identität konnte monetarisiert werden. Zuvor wurden Fanartikel lediglich auf Nachfrage und in kleinen Stückzahlen produziert, von den Vereinen selbst.
In den 80er Jahren verabschiedete sich Uli Hoeneß eines Tages für eine Woche in die USA, besuchte das NFL-Team der San Francisco 49ers und schaute sich um, was die da so alles machten. Er wollte den Verein unabhängiger von den damals noch immens wichtigen Einnahmen aus dem Verkauf der Eintrittskarten machen. Als er zurückgekommen war, sagte er uns an einem Montag um 9 Uhr: "Wir machen jetzt was Neues! Wir machen Merchandising!" Nachdem er uns "Ahnungslosen" erstmal erklärt hatte, was das ist, war die Poststelle um 11 Uhr ausgeräumt, eine seiner beiden Sekretärinnen musste sich hinsetzen und verkaufen: Bälle, Trikots, Postkarten, Poster, Schals. Am späten Nachmittag kam sie in sein Büro und sagte: "Herr Hoeneß, wir haben Geld verdient. 27,50 Mark." Das war der erste Tag des Merchandisings des FC Bayern München.

"Wenn du das Mia san mia repräsentieren willst, dann musst Du das tief in Dir spüren"

Hat der Charakter des Mia san mia zwischenzeitlich Schaden genommen, etwa in der wilden Zeit des "FC Hollywood" ab Mitte der 90er Jahre?
Wenn du das Mia san mia repräsentieren willst, dann musst Du das tief in Dir spüren. Uns haben damals die Spieler für dieses bayerische Gefühl gefehlt, aus unterschiedlichen Gründen. Wir hatten Weltstars, einen Jürgen Klinsmann, einen Lothar Matthäus, Papin, Sforza, Strunz, Helmer, usw. – aber eben keinen Thomas Müller, den Bayern schlechthin. Ich komme noch einmal auf Uli Hoeneß zurück, er sagte eines Tages: Wir haben ein Problem, wir leben unser Motto nicht mehr. Der FC Bayern hat dann diesen Ausspruch wieder mehr in den Mittelpunkt gestellt. Fans spüren es: Das "Mia san mia" kann ein jeder sagen, aber nicht ein jeder leben. Bei Typen wie Giovane Elber damals haben die Fans irgendwann gesagt: Das ist einer von uns, genauso wie mittlerweile auch Manuel Neuer und Joshua Kimmich.

"Der Kern ist, dass sich der Verein immer seine Eigenständigkeit bewahren will"

Ist Müller als Paradebayer die eigentliche Personifikation des Mia san mia?
Absolut, so wie früher Paul Breitner, Sepp Maier und Bulle Roth. Thomas sollte nach seinem Karriereende dem Fußball unbedingt erhalten bleiben, am besten dem FC Bayern. Unser Fußball, jeder Verein braucht Gesichter – und Müller passt perfekt. Thomas hat Witz, Charme und Fußball-Sachverstand, er ist das sympathische Gesicht des FC Bayern.

Würde der Mia san mia-Gedanke verloren gehen, wenn sich der FC Bayern einen Investor ins Haus holt, falls die 50+1-Regel doch eines Tages von der DFL gekippt wird?
Uli Hoeneß war immer stolz, wenn er aus seinem Büro an der Säbener Straße geschaut und gesagt hat: Das gehört alles uns, dem FC Bayern. Der Kern ist, dass sich der Verein immer seine Eigenständigkeit bewahren will.

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