Sammer: Quälgeist oder Antreiber?

Die Bayern siegen zum neunten Mal – doch Matthias Sammer ist sauer: „Vom Auftreten her waren wir heute recht lätschert. Wir waren nicht gallig!“, motzt der Sportvorstand
Patrick Strasser |
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Bremen - Matthias Sammer bat um Geduld. Er müsse noch sein Sakko aus der Kabine holen, entschuldigte sich der Sportvorstand und scherzte: „Damit ich im Gespräch mit euch besser aussehe.“ Nicht bei den TV-Kameras, mit den Printreportern. Als er, feinstens gezwirnt, zurückkehrte, verdunkelte sich seine Miene. Sorgenfalten dominierten seine Stirn, als bildliche Untermalung seiner Botschaft.

Kurz zuvor hatten die Spieler ihre Freude und Erleichterung über das 2:0 in Bremen erklärt. Klar war die Leistung nicht meisterlich, die späten Tore von Gustavo und Mandzukic sicherten einen verdienten Sieg. Den sechsten seit Saisonbeginn: Liga-Startrekord, weiter sieben Punkte Vorsprung auf Meister Dortmund. Den neunten in neun Pflichtspielen (inklusive des Supercup-Sieges gegen Dortmund): Einstellung ihrer Bestmarke von 1984/85. Alles paletti? Nicht mit Sammer!

„Ergebnistechnisch bin ich zufrieden, wir haben drei Punkte“, setzte er an – und dann folgte ein langes Aber. „Vom Auftreten her waren wir heute recht lätschert. Wir waren nicht hellwach, wir waren nicht gallig! Dafür müssen wir die Ursachen suchen. Es kann sein, dass es menschelt, dann war es eben einer dieser Tage. Vielleicht ging nicht mehr.“ Tage wie dieser? Der 2:0-Sieg war ziemlich Bayern-like. Gute, alte Tradition: Abwarten, den Gegner kommen lassen, dennoch dominieren und am Ende clever drei Punkte einsacken. Was nicht immer gut geht. Und gerade dieses Risiko will Sammer minimieren, die Bayern aus ihrer Selbstverständlichkeit reißen.

Er fordert 100 Prozent Leistungsbereitschaft ein. Immer. „Wenn Training ist und wenn ein Spiel ist, dann muss die Laterne an sein – dann aber so richtig. Heute hat sie nur leicht geglimmt“, ereiferte sich Sammer. Könnte einer der Gründe aufkommende Zufriedenheit, gar Überheblichkeit sein angesichts der Seriensiege? Auf diese Frage hatte er gewartet: „Der beste Start bedeutet mir gar nichts. Du kannst heute mal versuchen, irgendwo in München auf einen Balkon zu rennen – da wird dir keiner was überreichen. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht mit hängenden Schultern herumlaufen, weil zu viele Leute zu viel draufgeklopft haben. Ich sage immer: Wehret den Anfängen!“ Er will in Gesprächen Ursachenforschung betreiben.

Ob das so einfach wird? Es könnte nicht besser laufen bei den Bayern derzeit, trotzdem gibt Sammer den Mahner, den Motzki? Wohl ganz bewusst in einer Hochphase – um die Profis emotional zu erreichen. Unter ihm soll es eben nicht passieren, dass ein Vorsprung wie aus der letzten Saison mit acht Punkten auf den BVB verspielt wird. Dafür wurde er geholt, „für die letzten Prozentpunkte“, wie er sagt, „für den Schritt von gut zu sehr gut.“ Doch übertreibt der 46-Jährigen mit seiner Kritik? Ist er mehr Spaßbremse denn Motivator? Quälgeist oder Antreiber? Kommt es gut an, wenn er wie am Samstag bei „Liga total!“ sagt: „Lange Zeit war es ein richtiger Käse!“

Schon nach den letzten Siegen hatte er betont, dass die „Gier“ (Sammers Schlüsselwort) auf Erfolge nicht nachlassen dürfe. Den Bossen gefällt diese bewusst nervende, antizyklische Art, Präsident Uli Hoeneß hatte sie oft als Stilmittel eingesetzt. Trainer Jupp Heynckes wird Arbeit abgenommen.

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