Robben will weg - auf eine einsame Insel
Der Holländer verschießt den Strafstoß gegen Cech – und kneift später beim Elfmeterschießen
MÜNCHEN Man kann die Bayern-Saison 2011/12 an Arjen Robben entlang erzählen, an ihm und seinen Elfmetern. Ein holländischer linker Fuß spielte Schicksal.
Ganz ruhig wurde es in der 95. Minute im Stadion. Keine Vorfreude, kein Jubel ob des Elfmeters nach dem Foul an Ribéry. Wie ein Schleier braute sich das Raunen der Fans, das Murmeln, die Stoßgebete über Robben zusammen. Nicht schon wieder der! Er sollte den Elfmeter zum größten Triumph der Vereinsgeschichte treten – und konnte in diesem Moment nur verlieren. Robben drosch den Ball auf Chelsea-Keeper Cech als zähle die Geschwindigkeit des Schusses. „Ich wollte knochenhart schießen”, sagte er später. Ne gute Idee? „Ich wusste, dass Arjen hart schießt”, erklärte Cech.
Seine Theorie ging auf: „Je später ein Elfmeter geschossen wird, desto eher entscheidet sich ein Spieler für die Kraft, nicht für die Technik.” Cech hielt, Bayerns Pokalsehnsucht klebte am Bauch des Tschechen.
Von April bis Mai lief das Robben-Elferschießen. Erst Dortmund, Bundesliga. Das Vorendspiel der Meisterschaft. Er verschießt. 0:1, Ende. Titel weg. Dann Madrid, eine Woche später. Wieder hat Robben einen Comeback-Elfer, diesmal beim Stand von 0:2. Er trifft. Bayern rettet sich ins Elferschießen, er verzichtet. Ein Seufzer-Elfer reicht.
Vor einer Woche: Berlin, das Pokalfinale. Wieder Elfer, wieder bei 0:1. Robben trifft. Ein Schönheitsfleck auf den triumphalen BVB-Sieg, 2:5. Schließlich der Elfer dahoam.
Es bleiben Fragen: Warum hat Robben geschossen? Weil er die Nummer eins in der Hierarchie ist? Klar, er war eingeteilt. Doch warum bespricht man sich nicht kurz, warum schießt nicht der, der sich am besten fühlt? Müßig hinterher, natürlich. Dass er verzichten kann, bewies Robben später beim Elfmeterschießen. Nicht schon wieder – nun war auch ihm dieser Gedanke gekommen. „Ich habe Verständnis für Arjen, dass er nach seinem verschossenen Elfmeter nicht vor Selbstvertrauen strotzt und im Elfmeterschießen nicht mehr antritt”, sagte Trainer Heynckes. Als wäre der Verzicht eine Heldentat.
„Es ist unbeschreibbar. Ich kann es nicht glauben, kann es nicht fassen”, stammelte Robben. Nach Ende der Elfer-Tragödie war er in die Knie gegangen, starrte ins Leere. Alleine. Drogba tröstete ihn. Später, auf dem stillen Bankett, war es seine Frau Bernadien. Es war kurz nach drei Uhr morgens als Robben seinen Kopf auf ihre Schulter lehnte – völlig apathisch. Gomez redete mit ihm. Es war mehr gemeinsames Kopfschütteln.
Wie es nun weiter geht? „Am liebsten möchte ich für eine Woche auf eine unbewohnte Insel”, meinte Robben. Prima. Die Insel heißt Allianz Arena, der Ort der Trauer. Die Einsamkeit bilden rund 25000 Zuschauer. Am Dienstag kommt seine Nationalelf zum Kompensationsspiel gegen die Depri-Bayern. Wird das ein Spaß! Und zugleich Robbens Abschiedsspiel?
Vor dem Pokalfinale wurde sein Vertrag bis 2015 verlängert. Und nun? Präsident Uli Hoeneß tendiert zu Veränderungen, sagte ganz allgemein: „Wir müssen alles ganz genau analysieren, dann Entscheidungen fällen.” Meinte er Roben? Kann man nächstes Jahr einfach so weitermachen? Dieses Jahr war mehr als unglücklich für Robben, auch wenn er im Zwist mit Ribéry das Opfer war und sich trotz Watschn samt Veilchen professionell verhielt. Beharrt Robben auf seinem Vertrag, bleibt das Flügel-System. Hieße das Stillstand statt Fortschritt?