Opa Louis trägt Klompen
MAINZ - Arrogant, dominant - und jetzt auch noch charmant: Bayern-Trainer van Gaal sammelt im „Sportstudio“ Sympathiepunkte. Und belustigt sich über Uli Hoeneß.
Und dann zog er tatsächlich die orangenen Holzschuhe an. Und schoss damit auf die Torwand. Louis van Gaal hat sich sehr bemüht, am Samstag im Sportstudio. Anders als sein Millionenpublikum ließ das ZDF den Trainer des FC Bayern auch nicht bis nach Mitternacht warten. Da ging man zwar erst auf Sendung - die allerdings zwei Stunden vorher live aufgezeichnet worden war. Und van Gaal hat bei seinem ersten großen Live-Interview im deutschen Fernsehen sogar eine neue Seite gezeigt: Er kann nicht nur arrogant sein und dominant - sondern auch charmant.
"Ein netter Opa - aber auch anders"
Wer ihn täglich an der Säbener Straße sieht (und, wie die meisten Reporter, schon mal sein Opfer wurde, weil journalistische Fragen dem Fußball-Fachmann nicht immer genehm sind), der wird sich gewundert haben, wie nett dieser sonst oft knorrige und rechthaberische Holländer war zu Katrin Müller-Hohenstein, der Moderatorin.
Und wie der Fußball-Gelehrte sich von seiner privaten Seite zeigte: „Ich habe viel Empathie, meine Frau nennt mich einen Softie“, sagte er. Und gefragt, ob er, der sich von seinen Töchtern siezen lässt, denn auch die Enkel zum Sie verpflichte, wurde der 58-Jährige sogar rührend: „Sie sagen Opa Louis. Ich bin ein netter Opa, aber auch anders als andere Opas.“
Ja, van Gaal ist anders. Er grätscht sogar seinen Boss auf charmante Art weg, den neuen Präsidenten und baldigen Aufsichtsratsvorsitzenden. Als Müller-Hohenstein van Gaal darauf hinwies, Uli Hoeneß habe ihn einen „Disziplinfanatiker“ genannt, widersprach der Bayern-Coach vehement: „Das kann Uli Hoeneß nicht beurteilen. Er ist nicht beim Training. Er ist nur am Freitagabend bei mir, um ein Glas Rotwein zu trinken.“
Uli, Louis und der Rotwein
Das Publikum amüsierte sich prächtig. Tatsächlich aber zeigte van Gaal, wie wichtig auch Selbstdisziplin ihm ist. Zur Verwunderung der ZDF-Crew hatte er das Angebot des Senders abgelehnt, ihn per Fahrservice vom Spielort in Bochum zur ZDF-Zentrale nach Mainz zu chauffieren - sondern fuhr mit der Mannschaft nach Düsseldorf und flog mit ihr nach München, um dann den nächsten Flieger nach Frankfurt zu nehmen und sich von dort nach Mainz bringen zu lassen. Dort erklärte er sein Selbstverständnis: "Fußball-Profi ist nicht ein Hobby. Es ist ein Fach." Das Publikum lauschte andächtig (oder verständnislos?) van Gaals Vortrag von Moral und Werten, die auch vor dem Profigeschäft nicht halt machen. „Ich denke, dass Fußball ein Gehirnsport ist und nicht ein Beinsport“, sagte er noch, um sich dann doch als Rumpelfuß zu versuchen.
Das war der Höhepunkt um kurz vor halb zwei: Als es ans Torwandschießen ging, überreichte Müller-Hohenstein ihrem holländischen Gast ein Paar orangenfarbene Holzschuhe mit dem LvG-Wappen, nannte sie „Holzklompen“ und wunderte sich wohl selbst, dass van Gaal, der sich zuweilen auch mal für Gott hält, bei dieser Holländer-Vorführung mitspielte. Van Gaal auf den Spuren Franz Beckenbauers, der einst vom Weißbierglas aus auf die Torwand schoss.
Schade nur, dass Gott schlechter kickt als der Kaiser. Der traf einst beim ersten Versuch vom Weißbierglas in die Torwand. Holzfuß van Gaal wechselte nach dem ersten Fehlschuss die Schuhe. Trotzdem: Sein Auftritt war ein Volltreffer. Van Gaal sammelt Sympathiepunkte.
Gunnar Jans