Neuer Bayern-Trainer: "Karl der Große" mit dem großen Herzen

Carlo Ancelotti wird neuer Trainer des FC Bayern. Von ehemaligen Spielern wie Cristiano Ronaldo oder Toni Kroos ist nur das Beste über den Italiener zu hören.
München - In Italien haben sie sich fast überschlagen vor Begeisterung. Die Bestätigung, dass Carlo Ancelotti Trainer des FC Bayern wird, verleitete die Autoren der Tageszeitungen zu den blumigsten Formulierungen. "Karl der Große" dehne sein Reich nun auf die Bundesliga aus, schrieb La Repubblica voller Ehrfurcht. La Stampa bezeichnete es sogar als die "natürliche Krönung einer einmaligen Karriere", dass Carletto, wie sie ihn nennen, dass also "Karlchen" der nächste Trainer ist, "der die Lederhosen beim Oktoberfest tragen wird".
Vielleicht wächst da ab dem kommenden Sommer endlich zusammen, was ohnehin zusammengehört. München gilt ja als die nördlichste Stadt Italiens, das zweite Wochenende des Oktoberfestes ist das "Italiener-Wochenende". Und ein "Prosit der Gemütlichkeit", das den Besuchern des größten Volksfestes der Welt das Maßkrugheben ankündet, könnte locker Ancelottis Lebensmotto sein. Denn dem 56-Jährigen gelingt es ganz offensichtlich, dass sich alle wohlfühlen in seiner Umgebung, und ganz besonders die Spieler, wie sie auch heißen mögen.
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Ancelotti hat es in mehr als 40 Jahren Fußball geschafft, dass niemand ein böses Wort über ihn verloren hat oder verliert. Ganz im Gegenteil. Dem Gemütsmenschen aus der Emilia-Romagna weint auch ein Ego-Shooter wie Cristiano Ronaldo mehr als nur eine Träne nach. "Er war eine unglaubliche Überraschung", berichtete er in einem Interview mit ESPN, "ich dachte am Anfang, dass er härter sei, etwas arrogant. Es war das Gegenteil. Er ist wie ein großer Bär, ein genialer Typ, sehr sensibel. Er sprach täglich mit uns. Nicht nur mit mir, sondern mit allen. Er hatte Spaß mit uns."
Mit Cristiano Ronaldo und Real Madrid gewann Ancelotti 2014 als erster Trainer zum dritten Mal die Champions League, nachdem er im Halbfinale den FC Bayern und das Taktik-Genie Pep Guardiola überlistet hatte. Zuvor war er in der Königsklasse mit dem AC Mailand erfolgreich gewesen, 2003 und 2007. "Ich habe Lust, noch mal die Champions League zu gewinnen", hatte er vor Kurzem noch erzählt und ergänzt: "Ich werde bei einem Klub trainieren, der in der Lage ist, das zu schaffen." Nicht nur der FC Bayern ist von Ancelotti überzeugt, auch umgekehrt ist das der Fall.
Nun also ist es die selbsternannte "Weltstadt mit Herz", in die es den Weltbürger Ancelotti zieht. Ansonsten hat er fast alles schon gesehen, er hat in Rom und Mailand gespielt, er hat neben Milan auch den FC Chelsea in London, das Scheich-Projekt Paris St. Germain und zuletzt eben Real trainiert. Überall hatte er Erfolg, überall ist es ihm vor allem gelungen, die großen Egos in der Kabine zu bändigen. "Er ist eine großartige Person, ein fantastischer Typ und Trainer. Ich vermisse ihn sehr." Sagt Cristiano Ronaldo, die Mutter aller Primadonnen.
Ancelotti versteht sich als Freund, als Psychologe der Spieler und als Dienstleister des Klubs, für den er arbeitet. "Er konnte die Erfolgsbedingungen am besten mixen: die taktische Idee, das Menschliche, was gerade bei Real Madrid nicht so einfach ist. Als er ging, waren alle traurig - auch die, die nicht gespielt haben und Grund gehabt hätten, ihn dafür zu kritisieren. Es fiel kein negatives Wort über ihn. Das ist außergewöhnlich", sagte etwa Toni Kroos neulich in der Zeit. Kein Wunder, dass sie sich bei Real gewünscht haben, dass er zurückkehrt.
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Ancelotti ist ein unaufgeregter Pragmatiker. Er akzeptiert, was er vorfindet, und macht dann das Beste daraus. System und Taktik passt er so an, dass es den "Hochbegabten entgegenkommt", wie er das nennt. Seine Art, eine Mannschaft zu führen, begründet sich nicht zuletzt auf seiner Herkunft. Ancelotti ist der Sohn eines Kleinbauern aus Reggiolo in der Nähe von Bologna, er hat früher auf dem Hof helfen müssen. "Landwirtschaft", hat er in seinen Erinnerungen geschrieben, "hat viel mit Fußball zu tun: Man braucht Ruhe, Geduld und Planung."