"Meine Frau denkt: Jetzt kommt Uli, der Rentner"

Nein, wir haben mit Uli Hoeneß nicht über den FC Bayern geredet. Sondern übers Altern. Nächste Woche am 5. Januar wird er 60 – und sagt: „Ich bin mit mir im Reinen.”  
von  Gunnar Jans
Am 5. Januar feiern Uli Hoeneß und seine Frau Susi seinen 60. Geburtstag.
Am 5. Januar feiern Uli Hoeneß und seine Frau Susi seinen 60. Geburtstag. © Rauchensteiner/Augenklick

Nein, wir haben mit Uli Hoeneß nicht über den FC Bayern geredet. Sondern übers Altern. Nächste Woche am 5. Januar wird er 60 – und sagt: „Ich bin mit mir im Reinen.” Nur seiner Susi will er mehr Zeit widmen

AZ: Herr Hoeneß, lassen Sie uns übers Altern sprechen. Am 5. Januar werden Sie 60 Jahre. Wie alt fühlen Sie sich?

ULI HOENESS: Ich habe mir bisher nie Gedanken übers Altern gemacht. Wenn wir daheim über den einen oder anderen diskutieren, sagt meine Frau manchmal: „Der ist ja alt geworden.” Dann überlegst du: Wie alt eigentlich? 58, 59? Und plötzlich bist du selber so alt. Ich hab’ zwar meine Zipperlein, mein Knie ist meine Schwachstelle – aber im Großen und Ganzen geht’s noch.

Und jetzt, wenn Sie 60 werden – kriegen Sie da nicht die Krise?

Der einzige Zeitpunkt, an dem ich mich richtig mit so einer runden Zahl befasst habe, war mein 30. Geburtstag. Da hab’ ich gedacht: Boah, Uli, jetzt wirst du alt. Aber der 40. und der 50. Geburtstag, das war kein Problem. Es wäre schwieriger, wenn ich mehr Zeit hätte zum Nachdenken – aber die geb’ ich mir ja gar nicht.

Sie denken nicht übers Altern nach?

Ach, wir werden ja alle immer älter. Dank der heutigen Medizin ist das kein Problem mehr, auch dank der Ernährung – erst neulich habe ich einem Reporter vom „kicker” meine Wurstfabrik gezeigt und wie sauber heute Lebensmittel produziert werden, fast chemisch rein. Die Geißel ist ja eher, dass wir alle so alt werden – und dement. Davor hätte ich Angst. Und wenn ich mich nicht mehr richtig fortbewegen könnte, das wäre ein Problem.

Sie fühlen sich also wohl mit dieser Zahl 60?

Ich habe gerade so eine Phase, in der ich mir wünsche: Es soll mir bitte nie schlechter gehen als heute. Ich habe ein großes Zufriedenheitsgefühl: in meiner Familie, in der Wurstfabrik und beim FC Bayern stimmt einfach alles – der einzige Wermutstropfen: Meine Aktien waren schon mal mehr wert. Aber ich habe gelernt: Dieses Perfekte, dieses „immer höher, immer weiter”, das geht nicht mehr.

Ist das die Altersweisheit? Früher wäre das doch nicht Ihr Credo gewesen.

Ganz und gar nicht. Aber ich habe gemerkt, dass es im persönlichen Befinden eine Phase geben muss, wo man zufrieden ist.

Zum Altern gehört auch der Tod.

Damit beschäftige ich mich ungern. Ich bin keiner, der gerne traurige Filme anschaut. Meine Frau macht das schon. Ich seh’ lieber was Lustiges, zum Beispiel den Hans Moser. Oder Schnulzen, an Weihnachten hab’ ich „Sissi” geschaut, da bin ich nah am Wasser.

Sie haben mal gesagt, dass Sie fürchten, eines Tages unter der Last des Schreibtisches zusammenzubrechen.

Ich hatte damals das Gefühl, dass der Druck zu sehr auf mir alleine lastet. Aber jetzt haben wir das auf viele Schultern verteilt, beim FC Bayern und auch in der Wurstfabrik, wo mein Sohn die Geschäfte führt. Heute brauchst du Teams, die harmonieren. Du kannst auf Dauer nur richtig erfolgreich sein, wenn in deinem Umfeld die Stimmung gut ist. Dieses ewige Druckmachen ist nicht leistungsfördernd. Das gilt für Fußballvereine, Unternehmen, Parteien: Wenn du intern zu viele Reibungsverluste hast, bist du nicht erfolgreich. Das haben wir ja beim FC Bayern in der letzten Saison erst festgestellt.

Können Sie sich ein Leben ohne den FC Bayern überhaupt vorstellen? Sitzen wir hier auch in zehn oder 15 Jahren mit Ihnen zusammen, wenn Sie dann Ehrenpräsident sind?

Ich weiß nicht, ob Sie da noch großes Interesse an mir hätten. Ich habe noch keine Vorstellung, was ein Ende meiner Funktionen beim FC Bayern angeht. Aber ich habe einen totalen Sensor, ob ich gebraucht werde oder nicht. Und wenn ich das Gefühl habe, ich bin nicht mehr gelitten: Dann bin ich schnell weg.

Das glauben wir nicht: Dass Sie wirklich ohne den FC Bayern könnten!

Ohne Funktion sein könnte ich, aber Fan sein werde ich bis ans Ende meiner Tage. Ich werde immer zum Spiel gehen – zumindest zu den Heimspielen.

Uns was kommt dann? Können Sie das überhaupt: einfach mal nichts tun?

Das ist etwas, was ich noch nicht so gut mache. Ich sage der Frau Potthoff (Hoeneß’ jahrzehntelange Sekretärin, d. Red.) manchmal: Jetzt machen wir eine Woche gar nichts, keinerlei Termine. Aber dann kommt wieder eine Anfrage von irgendeiner Firma, die 20000 Euro für die FC Bayern-Hilfe oder die Dominik-Brunner-Stiftung geben will, wenn ich einen Vortrag halte. Und dann denk’ ich: Verdammt noch mal, dafür hat mein Vater ein halbes Jahr gearbeitet! Da kann ich doch dann nicht sagen: Nein, ich spaziere lieber um den Tegernsee.

Ihrer Frau würde das aber gefallen.

Das ist ein wunder Punkt. Meine Frau ist nicht zufrieden mit mir. Weil ich zu wenig gehalten habe von dem, was ich ihr nach dem Ende meiner Zeit als Manager versprochen habe. Meine Frau denkt schon: Jetzt kommt Uli, der Rentner. Der morgens mit ihr zwei Stunden im Garten frühstückt und dann mit ihr zum Einkaufen geht – soweit hat sie mich noch nicht.

Einen bald 60-Jährigen, dessen Enkel gerade ein Jahr ist, darf man das fragen: Sind Sie ein guter Opa?

Wäre ich sehr gern. Das Problem ist, dass mein Sohn in Nürnberg lebt, wo die Wurstfabrik ist, und dass wir uns deshalb viel zu wenig sehen. Aber jetzt fängt der Kleine ja an zu sprechen. Ich hoffe sehr, dass er bald sagt: „Ich mag beim Opa bleiben.”

Wie können wir uns das vorstellen? Etwa so, dass der Opa Uli beim Spielen mit dem Enkel auf dem Boden rumkrabbelt?

Natürlich mach’ ich das. Mit dem Hund mach’ ich das ja auch. Und der honoriert das auch – naja, vor allem, weil ich derjenige bin, der ihn heimlich füttert und ihm beim Frühstück Leberkäs zusteckt. Der ist mein Vorbild: Er ist zwölf, aber noch topfit.

Wie gläubig wird man mit fortgeschrittenem Lebensstadium?

Gott möchte ich nicht thematisieren, aber das, was gepredigt wird: die Nächstenliebe. Dieses „Liebe deinen nächsten wie dich selbst”. Ich habe eine Haltung, dass ich Leuten in meinem Umfeld bis zum Gehtnichtmehr helfe, wenn es nötig ist. Ich bin schon ein guter Freund. Wenn einer mich braucht, dann bin ich da. Ich bin gerne ein Helfer. Ein Dienstleister. Ich könnte mir auch vorstellen, morgen mit Ihnen einen Biergarten aufzumachen und selbst zu zapfen. Das würde mir großen Spaß machen.

Familie, Beruf, Freunde – verändern sich da im Alter die Prioritäten?

Ich mag da keine Rangfolge aufstellen. Nur zusammen funktioniert es. Du kannst im Job nur gut sein, wenn es in der Familie klappt. Ich hatte ja auch mal Phasen, wo ich total unausgegoren war, so vor 15 Jahren, da habe ich auch gemeint, das Leben geht an mir vorbei. Da macht man Dinge, die falsch sind und die man später bereut. Ich habe festgestellt: In den Phasen, als ich zu Hause Probleme hatte, war ich in der Arbeit nicht gut. Wenn du aber ein gutes Familienleben hast, hast du auch gute Freunde. Damit meine ich: keine Claqueure! Ich brauche niemanden, der mir nach dem Mund redet. Zum Freund brauche ich einen, der mir sagt: „Uli, was du da gerade erzählst, ist großer Mist!” Weil ich dann darüber nachdenke und bereit bin, meine Meinung zu ändern.

Herr Hoeneß, was wollen Sie denn in Ihrem Leben künftig anders machen, jetzt, wenn Sie 60 werden?

Ich bin mit mir im Reinen. Mein wichtigstes Ziel ist, dass ich gar nicht so viel verändern muss. Nur dass ich mich mehr meiner Frau widme. Ich muss mehr zu Hause sein. Meine Frau hat mir soviel gegeben in unseren gemeinsamen 44 Jahren. Wir waren ja 16, als wir zusammenkamen. Und wir sind immer noch zusammen. Wann gibt es das denn noch? Die Susi hat so viel aufgegeben, ich muss da jetzt was zurückzahlen.

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