„Mehr als ein Fußballer“

Bayern-Verteidiger Philipp Lahm gewinnt die AZ-Sportlerwahl. Er ahnt, dass dieses Resultat viel mit seinem sozialen Engagement zu tun hat – und auch mit seiner Kritik am FC Bayern. „Ich werde auch in Zukunft meine Meinung sagen“
AZ: Glückwunsch, Herr Lahm! Die AZ-Leser haben Sie zu Münchens Sportler des Jahres gewählt. Wie schätzen Sie denn selbst Ihre Leistung 2009 ein?
PHILIPP LAHM: Zunächst einmal vielen Dank für die Auszeichnung. Aber zufrieden bin ich mit dem Jahr natürlich nicht. Wir haben keinen Titel gewonnen, und wenn man beim FC Bayern ist, kann man über ein Jahr ohne Titel natürlich nicht zufrieden sein.
Und wie zufrieden sind Sie mit sich selbst?
Ich habe wieder fast jedes Spiel gemacht, habe mich nicht verletzt. Ich glaube, ich hatte schon bessere Jahre, aber es war auf jeden Fall ein ordentliches Jahr und bin froh, dass das auch die AZ-Leser so sehen.
Wie erklären Sie sich Ihre Beliebtheit, wenn Sie selbst zugeben, dass Sie sportlich schon bessere Jahre hatten?
Es ist immer schwer, sich selbst einzuschätzen. Aber vielleicht hat das auch etwas mit den Interviews zu tun, die ich gebe, mit meinem Auftreten, mein soziales Engagement. Ich glaube, ich bin für die Menschen mehr als nur ein Fußballspieler.
Könnten Sie die ganzen Dinge, die Sie neben dem Fußball betreiben, auch tun, wenn Sie kein berühmter Fußballer wären?
Meine Mutter ist Jugendleiterin beim FT Gern, für mich ist soziales Engagement eine Selbstverständlichkeit. Aber natürlich würde es das Philipp Lahm Sommercamp oder meine Stiftung nie geben, wenn ich nicht Fußballer geworden wäre und nicht so in der Öffentlichkeit stehen würde.
Erklären Sie uns doch mal Ihren Antrieb!
Ich möchte meinen Mitmenschen etwas zurückgeben. Ich weiß, dass ich privilegiert bin, dass ich durch meinen Beruf viel Aufmerksamkeit erreiche. Es ist mir einfach ein Bedürfnis, vor allem Kindern und Jugendlichen, denen es nicht so gut geht wie mir, zu helfen. Ich habe neben dem Fußball noch Zeit, und ich will meine Zeit sinnvoll nutzen. Es macht großen Spaß, in glückliche Kinderaugen zu blicken.
Sie sind noch gerade Mal Mitte 20. Wieso haben Sie nicht gewartet bis zum Ende der Karriere mit der Gründung Ihres Sommercamps?
Eben, weil ich jetzt mehr in der Öffentlichkeit stehe. Außerdem glaube ich, dass das auch den Kindern mehr gefällt, wenn ich an einem Tag mit ihnen spielen, ein paar Dinge über Ernährung oder Bewegung erzähle und sie mich am nächsten Tag im Fernsehen sehen. Ich glaube, so merken sie noch mehr, dass da jemand da ist, der wirklich helfen will.
Sie kicken also nicht nur ein bisschen mit den Kindern und fahren dann wieder nach Hause?
Nein, nein, nein. Im Übrigen hat das Sommercamp eigentlich nichts mit Fußball zu tun. Ich will, dass die Kinder im Camp Spaß haben, dass sie etwas über gesunde Ernährung lernen und sich bewegen, ob mit Ball oder nicht. Ich hatte im Sommer Kinder dabei, die vorher noch nie im Urlaub gewesen waren. Für diese Kinder etwas tun zu können, bereitet mir auch Freude.
Sie sprechen von „Ihren Kindern". Ist Philipp Lahm im Camp der Vater der Kompanie?
Nein (lacht). Die Kinder werden größtenteils von Pädagogen betreut. Ich bin drei Mal in der Woche ins Camp gefahren, um mit den Kindern zu spielen. Aber es ist mein Sommercamp, also sind es da meine Kinder.
Wie viel Philipp Lahm steckt in der Philipp-Lahm-Stiftung?
Alle Entscheidungen darüber, welche Projekte wir unterstützen, treffe ich selbst. Mindestens einmal in der Woche bin ich selbst da und kümmere mich um die Dinge. Aber natürlich kann ich nicht bei jeder Sitzung anwesend sein. Natürlich brauche ich viele Menschen, die mir helfen – vor allem ehrenamtlich. Mein Onkel ist etwa im Vorstand, meine Schwester bearbeitet die Anfragen und beantwortet die Emails.
Wie ist es eigentlich in der Kabine? Heißt es da schon mal, schaut, da kommt der Sozial-Philipp?
Nicht, dass ich wüsste (lacht). Nein, im Gegenteil, einige fragen mich auch, was wir im Sommercamp genau machen. Ich merke, dass sich die Kollegen für meine Arbeit interessieren.
Glauben Sie, dass Ihr kritisches „SZ“-Interview, in dem Sie dem FC Bayern unter anderem eine teilweise verfehlte Einkaufspolitik vorgeworfen haben, Ihr Ansehen in der Öffentlichkeit gesteigert hat?
Ich habe durchaus Zuspruch bekommen nach dem Interview. Aber das war sicher nicht der Grund, wieso ich das Interview gegeben habe, wenn Sie das meinen. Aber, klar, die Leute merken natürlich schon, dass ich jemand bin, der seine Meinung äußert und Probleme anspricht. Ich werde auch in Zukunft meine Meinung sagen, aber natürlich nach dem, was alles nach dem Interview passiert ist, in Zukunft in erster Linie intern.
Den Ärger, den dieses Interview bewirken würde, haben Sie bewusst in Kauf genommen?
Ich habe geahnt, dass es Ärger geben würde. Ich weiß, wieso ich es in jener Situation gemacht habe. Jetzt im Nachhinein betrachtet, würde ich es nicht mehr so machen.
Weil Bayern zuletzt erfolgreich spielte und Sie die angesprochenen Dinge anders bewerten?
Weil es viel Ärger gab, den wir aus der Welt schaffen mussten.
Interview: Filippo Cataldo