Louis van Gaal: „Meine Spieler haben mich weinen gesehen“

Der Bayern-Trainer mag hart und unnahbar wirken. Seine Frau aber findet, er sei ein Softie. Im AZ-Interview erklärt Louis van Gaal seine empfindliche Seite – und was er nach seiner Zeit in München noch vorhat.
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Louis van Gaal im Interview mit Gunnar Jans (l.) und Michael Schilling
az Louis van Gaal im Interview mit Gunnar Jans (l.) und Michael Schilling

Der Bayern-Trainer mag hart und unnahbar wirken. Seine Frau aber findet, er sei ein Softie. Im AZ-Interview erklärt Louis van Gaal seine empfindliche Seite – und was er nach seiner Zeit in München noch vorhat.

AZ: Das war ein nettes Bild neulich, Herr van Gaal, als Sie bei der Jahreshauptversammlung des FC Bayern Arm in Arm mit einem Fan mit Gamsbart und Lederhosen posierten. Wie gefiel Ihnen die Veranstaltung?

LOUIS VAN GAAL: Es war ein Festabend. Nicht nur für Beckenbauer und Hoeneß, sondern auch für meine Spieler und mich. Wir wurden sehr gut empfangen, obwohl unsere Resultate nicht so gut gewesen waren. Das war sehr schön. An diesem Abend habe ich den FC Bayern besser kennen gelernt – auch aus den Filmbeiträgen und Reden. Es war beeindruckend. In Holland kann man das nicht so organisieren: vier Stunden auf Holzstühlen ohne Getränk und Toilettenpause – nein!

Wie wichtig ist Ihnen dieser Zuspruch der Fans?

Ich hatte in meiner Karriere immer mal Phasen, in denen es nicht so gut lief und ich Pfiffe bekommen habe. Ich kenne das. Und ich fürchte nichts. Ich bekomme viel Post beim FC Bayern, ich schätze, 95 Prozent der Zuschriften sind positiv. Viele Leute sind froh, dass ich Bayern-Trainer bin. Es ist immer wichtig, dass das Publikum hinter dem Trainer steht. Als ich 1991 meine Karriere bei Ajax Amsterdam begann, bin ich im ersten halben Jahr immer ausgepfiffen worden, die Rufe nach Johan Cruyff waren immer da (er singt): „Jo-han-cruyff, Jo-hancruyff!“ Da drohte mir auch, dass ich vielleicht entlassen würde. Wir kamen in die dritte Runde des Uefa-Pokals, ich musste gegen Osasuna unbedingt gewinnen. Ich gewann. Am Ende holten wir den Uefa-Pokal. Schon eine Woche vor dem Finale sangen die Fans meinen Namen.

Lassen Pfiffe Sie kalt?

Nein. Das tut mir weh. Aber ich kann damit umgehen.

Wer spürt Ihren Schmerz?

Niemand. Das zeige ich nicht. Das können sie nicht merken. Auch meine Assistenten und meine Frau nicht. Ich bin meist ausgeglichen. Bei einem akuten Ereignis, einem Tor vielleicht, bin ich emotional, für den Moment bin ich extrem in meinen Gefühlen. Aber nach zehn Minuten bin ich wieder ausgeglichen.

Die Gefühle zu verbergen, ist Ihnen das anerzogen?

Ich bin immer sehr offen, auch zu meinen Spielern. Sie haben gesehen, dass ich emotional bin, sie haben mich weinen gesehen, sie haben mich lachen gesehen. Aber zehn Minuten danach bin ich anders.

Spieler sahen Sie weinen?

Ja, ich denke, einige haben das gesehen. Es gibt sehr emotionale Momente in Einzelgesprächen mit Spielern. Aber das ist kein richtiges Weinen, sondern eine Emotionalität, Tränen in den Augen. Wenn ich einem Spieler zum Beispiel sagen muss, dass er keinen Stammplatz bekommt.

Sie haben vom Spiel mit Ajax gegen Osasuna gesprochen, das für Sie ein persönliches Endspiel war. Haben Sie davon auch erzählt, weil es vor dem Spiel mit Bayern gegen Juventus am 8. Dezember für Sie wieder so ähnlich ist?

Nein. Ich habe eine Geschichte von Ajax erzählt. Und Sie sind suggestiv wie andere Journalisten manchmal auch – da werde ich böse! Sie müssen diese Frage nicht stellen. Es ist eine Frage von Leuten von außen, die nicht wissen, wie es bei uns intern aussieht. Sie müssen eine andere Frage stellen.

Okay. Also: Wie sind Ihre Gefühle vor den anstehenden Spielen bis zur Winterpause?

Wie immer. Für mich ist das keine Veränderung – aber für Sie! Warum stellen Sie diese Frage?

Weil diese Spiele für Bayern richtungsweisend sind.

Ich denke nicht. Nur ein Spiel vielleicht, das ist das Juventus-Spiel. Die anderen drei in der Bundesliga nicht.

Sportdirektor Nerlinger hat erklärt, die Bundesliga-Spiele müsse man gewinnen. So sagte es auch Franz Beckenbauer...

... der ist kein Präsident mehr, nur dass Sie das wissen.

Aber Christian Nerlinger ist noch Sportdirektor.

Ja. Und er kann mich entlassen, wenn er das sagt. Das ist einfach. Aber dann muss er das zu mir sagen, nicht zu den Medien.

Wir sprachen nicht von Ihrer Entlassung, sondern vom Juve-Spiel. Das ist auch für Sie ein Endspiel.

Nein.

Ein Endspiel um den Verbleib in der Champions League.

Das schon. Aber das Ziel war nicht, die Champions League zu gewinnen. Das hat Uli Hoeneß deutlich erklärt. Und er ist jetzt der Präsident.

Was bedeutet ein Aus in der Champions League für Sie?

Es wäre eine Enttäuschung, ja. Ich bin mit Barcelona im ersten Jahr auch in der Gruppenphase ausgeschieden. Aber wir sind in diesem Jahr Meister und Pokalsieger geworden. Natürlich bin ich sehr froh, wenn wir in der Champions League weiterkommen. Aber die schon jetzt zu gewinnen, ist nicht die Vorgabe, die ich mit dem Vorstand bei meiner Einstellung vereinbart habe.

Sie kamen in Ihrer Anfangszeit beim FC Bayern sehr dominant, teilweise schroff rüber. Haben Sie sich geändert?

Nein. Ich bin noch immer derselbe Louis van Gaal.

Ist Ihnen Ihre Außenwirkung wichtig?

Ich habe schon gesagt, manches – wie die Pfiffe – tut mir weh. Aber nicht so sehr, dass ich mich ändern muss.

Sie ändern sich nicht mehr?

Doch, das kann ich – wenn die Argumente gut sind. Ich ändere ja auch Entscheidungen mit meinen Spielern, wenn sie gute Argumente haben. Ich habe mich auch in dieser Saison schon – wenn auch nicht allzu – geändert.

Wann?

Die Spieler und das interne Umfeld beim FC Bayern, die wissen das. Ich möchte das nicht an die große Glocke hängen, indem ich es nach außen trage. Das ist privat. Wir müssen in der Mannschaft unsere Innenwelt für uns behalten, damit wir offen miteinander umgehen können. Es sind ja schon Dinge nach außen gedrungen, das war nicht gut.

Welche Regeln stellen Sie auf?

Hier gelten Normen und Werte wie in einer Familie. Hier stehen 40, 50 Männer unter meiner Leitung, da muss es Regeln geben. Wenn einer dagegen verstößt, führen wir ein Gespräch darüber.

Wie hart sind Sie dann?

Ich respektiere Fehler. Und wenn ein Mensch Regeln nicht befolgt, frage ich immer nach dem Warum. Ich bin nicht hart, ich bin ein Softie – meine Frau sagt das zumindest.

Ach, was!

Ja. Meine Frau sagt auch, dass ich aufhören und das Leben genießen soll.

Jetzt schon?

Ja, schon längst. Ich habe ihr das schon mal versprochen: Mit 55 höre ich auf, sagte ich. Jetzt bin ich 58. Und nach dem FC Bayern will ich noch einen Job machen. Ich will noch einmal Nationaltrainer sein und an einem großen Turnier teilnehmen. Das fehlt mir noch.

Dann müssen Sie noch viereinhalb Jahre Trainer sein.

Nein, zweieinhalb. Europameisterschaft 2012, das wäre auch ein schöner Abschluss.

Das heißt, nach zwei Jahren – so lange läuft Ihr Vertrag bei Bayern – werden Sie München wieder verlassen?

Mal sehen. Vielleicht haben dann andere die besseren Argumente.

Interview: Gunnar Jans, Michael Schilling

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