Lahms Vorbild: Immer wieder Barcelona
Wenn Lahm Konzepte fordert, hat er offenbar seinen Beinahe-Klub FC Barcelona, zu dem der Außenverteidiger beinahe zur Saison 2008/09 gewechselt wäre, als Vorbild im Sinn
MÜNCHEN Im Grunde war die Sache klar. Der Wille war da, der Entschluss stand schon länger fest. Es fehlte bis auf Kleinigkeiten nur noch die Unterschrift von Philipp Lahm. Der FC Barcelona wollte den Verteidiger im Mai 2008 unbedingt verpflichten. Dessen Abschied aus seiner Heimat München stand kurz bevor.
Dann intervenierten die Bayern-Bosse ein letztes Mal. Auch Jürgen Klinsmann, damals schon als Trainer für die kommende Saison verpflichtet, sprach noch einmal mit Lahm. Das Ergebnis: Der Wechselwillige blieb. Er unterschrieb einen deutlich besser dotierten Vertrag bis 2012. Eine Entscheidung für den FC Bayern, für seine Heimat.
Und Barca? Für einen damals 24-Jährigen war dieser Transfer nur aufgeschoben.
Doch war es auch sportlich der richtige Weg? Mit den Bayern erlebte Lahm 2008/09 eine Chaos-Saison ohne Titel, momentan droht eine Wiederholung – nur mit anderem Trainer als Verantwortlichem.
Seit er seinen Vertrag verlängert hat, stand er in der Liga nie mehr auf Rang eins. Als Mitspieler von Messi, Xavi & Co., den Granden des FC Barcelona, wäre Lahm jetzt Champions-League-Sieger und spanischer Meister. Wenigstens fehlte Lahm verletzt, als sein Beinahe-Verein seinen aktuellen Klub im April 2009 in einer Halbzeit des Champions-League-Viertelfinals mal eben mit 4:0 auseinandernahm.
Da muss es Lahm um so mehr wurmen, dass Trainer Louis van Gaal die Spielweise des FC Barcelona als das Idealbild des Fußballs sieht und kürzlich deklarierte, Bayern brauche noch „zwei Jahre“, um auf das Niveau des katalanischen Klubs zu kommen: „Barca ist schon völlig ausgebildet, wir noch nicht.“
Im „SZ“-Interview hatte sich Lahm den FC Bayern nun vorgeknöpft. Punkt eins: „Wenn man sich mit Barcelona, mit Chelsea, mit Manchester United messen will – dann braucht man als FC Bayern eine Spielphilosophie. Das muss auch das Ziel des Vereins sein.“
Punkt zwei: „Vereine wie Manchester oder Barcelona geben ein System vor – und dann kauft man Personal für dieses System. Man holt gezielt Spieler – und dann steht die Mannschaft.“ Immer wieder Barca. Und drittens: „Nochmal: Der Verein muss sagen, wenn ein Trainer kommt: So spielen wir. Bei Barcelona kommt doch keiner mehr auf die Idee, dass sie 4-4-2 spielen. Der FC Barcelona ist 4-3-3 – das ist einfach so!“
Ist das wirklich so?
Lahms Thesen stimmen nur zum Teil: Bei Manchester United heißt die Spielphilosophie seit Ewigkeiten Trainer Alex Ferguson, dessen Regiment diktatorische Züge trägt. Bei Chelsea dominiert der Kraftfußball, geprägt von Terry und Lampard. Was stimmt: Beide Vereine haben sich so eine Identität geschaffen. Bei den Einkäufen verfuhr Chelsea unter Roman Abramowitsch wie die Bayern: Gekauft wird, wer gut ist. Und: Gekauft wird, wer den Verein als Gegenspieler schon mal geärgert hat. ManU verstärkt sich punktueller: Vor dieser Saison kam Luis Valencia positionsbezogen für Cristiano Ronaldo.
Und Barca? Tatsächlich spielen die Spanier mit drei Stürmern, mit nur einem (Ibrahimovic) im Zentrum. Dies wird auch den Jugendteams vorgegeben. Wer das Barca-Training beobachtet, sieht kleine Spielübungen auf engstem Raum, etwa vier gegen vier mit drei variablen Spielern: Passen bis zum Exzess. Oder: Teams spielen mit acht Bällen gleichzeitig auf ein Tor. Lahm findet das offenbar vorbildlich.
ps