Klaus Fischer über Robert Lewandowski: "Reisende soll man nicht aufhalten"
AZ-Interview mit Klaus Fischer: Der jetzt 72-Jährige liegt mit 268 Treffern in der Bundesliga (535 Einsätze) auf Platz drei der ewigen Torschützenliste hinter Gerd Müller (365) und Robert Lewandowski (309). Der ehemalige Sechzig-Spieler erzielte per Fallrückzieher im Länderspiel 1977 gegen die Schweiz das "Tor des Jahrhunderts".
Klaus Fischer: "Barcelona keine überragende Mannschaft mehr"
AZ: Herr Fischer, der FC Bayern kann am Samstag gegen Borussia Dortmund die Meisterschaft klarmachen, sich den zehnten Titel in Serie sichern. Doch wie groß ist der Schatten, der über der ersten Saison von Cheftrainer Julian Nagelsmann liegt, nach dem unerwarteten Viertelfinal-Aus in der Champions League gegen den FC Villarreal?
KLAUS FISCHER: Sie sagen es. Auch ich hätte es niemals für möglich gehalten, dass sie gegen den Tabellensiebten der spanischen Liga ausscheiden. Auch wenn die anderen Bundesliga-Vertreter sich noch früher aus der Champions-League verabschiedet haben, der BVB sogar kläglich nach der Vorrunde, ist das für die Bayern natürlich sehr enttäuschend. Auch im DFB-Pokal sind sie mit einer deftigen Niederlage viel zu früh raus - und das gegen Borussia Mönchengladbach, eine Mannschaft, die in der Bundesliga in dieser Saison große Probleme hat. Nun bleibt den Bayern nur die Meisterschaft. Ich bin überzeugt, dass sie sich diese Gelegenheit am Samstag im direkten Duell mit dem BVB nicht nehmen lassen.
Das Duell Bald-Meister gegen Verfolger ist auch das Aufeinandertreffen der Toptorjäger Robert Lewandowski und Erling Haaland. Der Mittelstürmer der Bayern hat noch einen Vertrag bis 2023, die Münchner arbeiten daran, mit Lewandowski zu verlängern. Doch auch ein Wechsel samt Ablösesumme in diesem Sommer zum FC Barcelona ist denkbar.
Was mich wundert: Denn in meinen Augen ist Barcelona keine überragende Mannschaft mehr wie früher, keine Spitzenmannschaft in Europa. Das hat man beim Aus in der Europa League gegen Eintracht Frankfurt gesehen.

Robert Lewandowski "ist in München anerkannt"
Was spricht für, was gegen einen Wechsel?
Er ist in München anerkannt, hat ein schönes Leben. Er weiß genau, was er an Bayern hat - umgekehrt natürlich auch. Im Angriffsspiel ist alles auf ihn zugeschnitten, er wird mit Vorlagen gefüttert. Lewandowski garantiert dir 30 Tore plus X pro Saison. Mir ist aufgefallen, dass er zuletzt nicht mehr so stark aufspielte, wie man es von ihm kennt. Ich denke, dieses ganze Hin und Her um seinen Vertrag und einen möglichen Wechsel ist nicht förderlich für seine Leistung.
Wäre es aus Sicht der Bayern-Bosse also ratsam, ihn schon ein Jahr vor Vertragsende ziehen zu lassen, um rund 40 Millionen Euro Ablöse zu kassieren?
Wenn er sowieso vorhat, 2023 den Verein zu verlassen, dann ja. Reisende soll man nicht aufhalten. Die Bayern können es sich wie im Fall David Alaba oder Niklas Süle nicht auch bei Lewandowski erlauben, einen Spieler ablösefrei gehen lassen zu müssen. Parallel werden sie sich Gedanken machen: Wer könnte Lewandowski ersetzen?
Fischer über Haaland: "Er scheint anfällig zu sein"
Was glauben Sie aus der Perspektive eines ehemaligen Mittelstürmers?
Haaland ist sicher ein super Spieler, aber das finanzielle Paket an Ablöse, Gehalt und Beraterhonoraren, das derzeit im Gespräch ist (335 Millionen Euro, d.Red.) ist ja verrückt. Außerdem finde ich, dass Halaand sehr viele Muskelverletzungen erleidet, was bei seinem kraftstrotzenden Körper und seiner Wucht nicht ungewöhnlich ist. Er scheint da anfällig zu sein und das wird in seiner Karriere nicht weniger werden.

Ist irgendein für Bayern finanzierbarer Lewandowski-Nachfolger in Sicht?
In meinen Augen höchstens Patrik Schick von Leverkusen. Er ist erst 26, macht seine Tore und würde bei Bayern noch viel besser beliefert werden, viel mehr Torchancen bekommen.
Diskutiert wird auch über die Vertragsverlängerungen der Routiniers Thomas Müller und Torhüter Manuel Neuer.
Auch für die beiden gilt, dass die biologische Uhr nicht stehenbleibt. Neuer wird in meinen Augen auch in den nächsten Jahren noch Weltklasse sein. Müller arbeitet viel, läuft viel, ist ein Schleicher, der seine Tore macht. Zuletzt allerdings kämpft auch er mit einer Formschwäche. Bei ihm kann ich mir gut vorstellen, dass er zum Ende seiner Laufbahn auch nicht murren wird, wenn er mal auf der Bank sitzt. Außerdem bin ich überzeugt, dass er nach der WM in Katar seine Karriere in der Nationalelf beenden wird, um seine Kräfte für den FC Bayern zu bündeln.