Interview

Katar-Kritiker Ott: "Bayern-Bosse sind sehr auf Hoeneß-Linie"

In der AZ erklärt Katar-Kritiker Michael Ott, wie er Präsident Herbert Hainer bei der JHV zur Rede stellen will, warum er das Sponsoring ablehnt – und welche Werte "für ein paar Millionen verhökert" werden.
Krischan Kaufmann
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Vereinsmitglied Michael Ott mit seinem Antrag gegen das Katar Sponsoring des FC Bayern auf der Jahreshauptversammlung 2021.
Vereinsmitglied Michael Ott mit seinem Antrag gegen das Katar Sponsoring des FC Bayern auf der Jahreshauptversammlung 2021. © IMAGO / Sven Simon

Der 29-jährige Jurist ist Anhänger und Mitglied des FC Bayern. Im vergangenen Jahr erlangte er über die Fanszene hinaus Berühmtheit, weil er sich bei der Hauptversammlung im Audi Dome mit einem Antrag öffentlich gegen das Sponsoring von Qatar Airways ausgesprochen hatte.

AZ: Herr Ott, bei der denkwürdigen Jahreshauptversammlung des FC Bayern im vergangenen Herbst waren Sie einer der Hauptkritiker des Katar-Sponsorings, legten sich sogar auf offener Bühne mit den Vereins-Granden an. Nun steht an diesem Samstag die nächste JHV an. Was haben Sie für diesen Abend geplant?
MICHAEL OTT: Ein Antrag, wie im letzten Jahr, wird jetzt nicht noch einmal gestellt. Aber das Präsidium steht ja zur Wahl und - auch wenn es in der Vergangenheit wohl noch nie vorgekommen ist - da wollen ich und andere den drei jeweils alternativlosen Kandidaten für die drei Präsidiumsposten vor der Wahl Fragen stellen, wofür sie denn stehen - gerade auch beim Thema Katar. Das ist - neben der Wahl - für uns Mitglieder die einzige Möglichkeit Einfluss zu nehmen.

Denken Sie, dass Dieter Mayer, Walter Menekes und vor allem Herbert Hainer diesmal besser auf so einen Gegenwind vorbereitet sind?
Es geht uns ja nicht darum, die Kandidaten auf Teufel komm raus zu grillen. Ich denke also nicht, dass sie sich auf Tumulte wie im vergangenen Jahr vorbereiten müssen. Aber wenn man sich zur Wahl stellt, halte ich es nicht für zu viel verlangt, zu erklären, wofür man inhaltlich eigentlich steht. Das ist eine Selbstverständlichkeit.

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Ott: "Austausch mit Kataris und Gastarbeitern im Trainingslager finden wir auch gut"

Darf das Präsidium mit Ihrer Stimme rechnen – oder berufen Sie sich auf das Wahlgeheimnis?
(lacht) Ich mache das abhängig von den Antworten der Kandidaten.

Sie waren auch ein Teil des Round Tables zum Thema Katar-Sponsoring, ein Video des über zweistündigen Treffens im Juli findet man auf der Homepage des FC Bayern und dort wurde in dieser Woche nun auch ein äußerst umfangreicher Fragenkatalog veröffentlicht. Trotz dieser Transparenz bleiben für Sie Fragen offen. Konkret: welche?
Zum Beispiel spricht der FC Bayern in unzähligen Antworten in diesem Fragenkatalog davon, dass es in Katar Fortschritte gibt, kann dann aber nicht konkret beantworten, welche Fortschritte auf diesen Sponsoringvertrag mit Qatar Airways zurückzuführen sind. Es wird auch an vielen Stellen immer wieder der Austausch hervorgehoben und so getan, als ob wir Kritiker stattdessen für Ausgrenzung wären. Allerdings haben wir Kritiker ja gar nichts gegen diesen Austausch. Im Gegenteil: Austausch mit Kataris und Gastarbeitern im Trainingslager finden wir ja auch gut - aber dafür braucht es keinen Sponsoringvertrag.

Macht es für Sie einen Unterschied, ob der FC Bayern in Katar ein Trainingslager abhält und das Emirat via Fotos von dort in der Welt präsentiert oder ob man für die staatliche Fluglinie Werbung macht?
Klar ist es ein Risiko, wenn die Stars nach Katar kommen und dann dort mit Scheichs für Fotos posieren, dass man damit auch Sportwashing betreibt. Die Trainingslager sind dann in Ordnung, wenn man sich nicht instrumentalisieren lässt, sondern auch aktiv in den kritischen Dialog geht mit allen Seiten - das muss man dann aber auch machen!

Kompromiss für Ott: Trainingslager behalten und das Sponsoring mit Qatar Airways beenden

Und der Nachweis des kritischen Dialoges vonseiten des FC Bayern fehlt Ihnen bislang?
Na ja, mit der Frauenmannschaft ist der FC Bayern dort zu Mädchenschulen gegangen und hat Womenempowering betrieben. Das ist eine gute Sache, aber auch dafür braucht man keinen Sponsoringvertrag. Außerdem müsste man ähnliches dann auch mit der Männermannschaft machen. Es ist einfach ein Fakt, dass die Männermannschaft des FC Bayern ein Vielfaches mehr an Aufmerksamkeit generiert.

Was wäre denn für Sie ein Kompromiss, wie ein Katar-Sponsoring mit den Werten des FC Bayern vereinbar wäre?
Ich denke, ich habe schon einen Kompromiss vorgeschlagen, indem man das Trainingslager dort beibehält und das Sponsoring mit Qatar Airways beendet. Für einen weiteren Kompromissvorschlag sehe ich den Ball eher beim FC Bayern. Man müsste zumindest öffentlich Reformen einfordern und das geschieht zum Beispiel in diesem Fragenkatalog auch wieder an keiner Stelle.

Bislang wird die Verlängerung des Vertrags mit Qatar Airways von der Säbener Straße stets als ergebnisoffener Prozess kommuniziert. Wenn aber Ehrenpräsident Uli Hoeneß öffentlich verlauten lässt, dass er persönlich das Sponsoring verlängern würde, könnte das die Entscheidung beeinflussen, oder?
Ich glaube, dass man von den Führungspersonen beim FC Bayern schon erwarten kann, dass sie sich Uli Hoeneß widersetzen können. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass die Bosse da sehr auf Hoeneß-Linie sind - und auch wenn immer gesagt wird, die Entscheidung erst nach der WM treffen zu wollen, geht doch aus den Antworten auf den Fragenkatalog schon eine sehr deutliche Tendenz hervor, dass man den Vertrag verlängern will.

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FC Bayern hat keinen Plan B für das Qatar-Sponsoring

Wo zum Beispiel?
Es gibt ja die Frage, ob es einen Plan B für das Qatar-Sponsoring gibt und da wird ziemlich offen gesagt: nein. Das war übrigens auch schon mein Eindruck bei diesem Round Table.

Warum sollte eigentlich der FC Bayern wegen der Menschenrechtsfrage auf Katar-Millionen verzichten, wenn sogar die deutsche Bundesregierung mit dem Emirat ins Geschäft kommen will?
Wenn es beim Thema Gas keine Alternativen gibt, dann muss man das wohl so hinnehmen, wenn man irgendwie über diesen Winter kommen will. Diese Alternativen hat der FC Bayern beim Sponsoring allemal. Sein Verhalten muss sich deswegen natürlich auch an höheren Standards messen lassen. Außerdem ist ein Gaslieferungsvsertrag etwas anderes als ein Werbevertrag, weil er nicht darauf angelegt ist, das Image von Katar zu verbessern. Im Übrigen verschwinden die Probleme in Katar nicht, nur weil Deutschland sich dort Gas besorgen will.

Dass der FC Bayern ohne die Katar-Millionen im Wettbewerb mit den Scheich- oder Invenstoren-finanzierten europäischen Spitzenklubs womöglich abgehängt wäre, würden Sie bewusst in Kauf nehmen?
Den Handlungsrahmen geben uns nun mal die Menschenrechte vor - auch wenn andere Klubs das anders handhaben -, darüber können wir uns nicht hinwegsetzen. Außerdem sehe ich auch den Sinn nicht, dass wir für vielleicht fünf Millionen Euro mehr im Jahr unsere Werte verhökern. Diese paar Millionen sind doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn es darum geht die Lücke zu Manchester City oder Paris St.-Germain zu schließen. Diese Lücke werden wir nie schließen. Nur strengere Finanzierungsregeln im europäischen Fußball könnten da helfen. Außerdem: In der europäischen Spitze sind wir der einzige Verein, der nicht entweder hochverschuldet ist, oder irgendwelchen Investoren gehört. Das ist also ein Alleinstellungsmerkmal, das wir auch vermarkten können. Aber dafür müssten wir uns auch vorbildlich verhalten.

Ott wurde wegen Katar-Kritik von vielen Bayern-Fans angefeindet

Wurden Sie eigentlich von anderen Bayern-Fans für Ihre Katar-Kritik angefeindet?
Ich habe da durchaus auch Kritik erfahren, vereinzelt auch Anfeindungen. Erst am Freitag verspürte wieder einer das dringende Bedürfnis, mich im Internet als "Möchtegern-Hitler" zu beschimpfen. Das Niveau der Kritik ist also häufig ziemlich niedrig. Aber überwiegend habe ich Zuspruch erhalten.

Und zu guter Letzt: Werden Sie sich eigentlich die Spiele der Weltmeisterschaft in Katar anschauen - oder bleiben Sie da konsequent?
Ich kann da ehrlich gesagt beide Seiten verstehen. Die einen, die sagen, dass das Kind schon in den Brunnen gefallen ist und man das beste daraus macht, wenn man die WM nun für maximale Aufmerksamkeit auf die Probleme in Katar nutzt. Und die anderen, die sagen, dass man mit dieser WM endgültig eine rote Linie überschritten hat und man dies schon aus Prinzip boykottieren muss. Aktuell verspüre ich jedenfalls keine Versuchung, die Spiele anzuschauen.

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10 Kommentare
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  • Südstern7 am 15.10.2022 17:02 Uhr / Bewertung:

    Die Fragen der AZ sind auf den Punkt gebracht und Herr Ott hat sachlich seine Position dargestellt. Das ist ehrenhaft und das ist begrüßenswert.

    Seine Position ist, dass er nichts gegen ein Trainingslager in Katar einzuwenden hat und das Engagement unserer Frauenmannschaft in Katar von ihm lobend herausgestellt wurde. Auf die Frage, ob er sich Weltmeisterschaft in Katar anschaut, hat er ausweichend geantwortet.

    Was mich ein wenig enttäuscht hat ist seine Behauptung der FC Bayern habe sich nicht klar positioniert in den letzten Monaten und seine Meinung transparent gemacht. Würde er das zugeben, dann wäre sein Auftritt heute Abend nämlich hinfällig. Da verschließt unser Mitgliedskamerad aber die Augen. Die Positionen sind klar, die Transparenz uns Mitgliedern ist gegeben, was Ott negiert. So wird es wieder zum verbalen Austausch kommen: Der Eine spielt den Uninformierten, die andern werden ihm ihre Meinung zum x-ten Mal erzählen.

    Ich sehe keinen Sinn in dieser "Fragestunde".

  • Südstern7 am 15.10.2022 21:40 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Südstern7

    "Ich sehe keinen Sinn in dieser Fragestunde", habe ich zuvor geschrieben.

    Diese Meinung muss ich revidieren. Vielmehr glaube ich, dass Herr Ott seine Sachlichkeit beibehalten und kluge Fragen gestellt hat, die jedes Mitglied interessieren und der Sachlage dienen.

    Überhaupt glaube ich, dass fast alle Wortmeldungen zum Thema "diverses" eine Sternstunde unseres Vereins waren. Ich bin stolz und glücklich Teil dieser Gemeinschaft sein zu dürfen.

  • FCB am 15.10.2022 12:57 Uhr / Bewertung:

    Ein Wichtigtuer vor dem Herrn

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