Kahn: Bayern ist beim Pep-System am Scheidepunkt
Bayern-Trainer Guardiola hatte zuletzt betont, er werde auf seinem Ballbesitz-System beharren. Fußballexperte Oliver Kahn sieht den FC Bayern diesbezüglich vor einer Grundsatzentscheidung.
München – Ex-Torwart-Titan Oliver Kahn sieht den FC Bayern im (Fußball-)Kulturkampf um das System von Trainer Pep Guardiola vor einer Grundsatzentscheidung. "Die Frage ist: Wie viel Barcelona, wie viel von dieser Philosophie möchte ich umsetzen? Wie viel ist der Verein bereit, von dieser Philosophie umsetzen zu lassen. Das muss man sicherlich diskutieren", sagte Kahn am Dienstag in München dem SID.
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Guardiola hatte zuletzt betont, er werde auf seinem Ballbesitz-Fußball beharren, zugleich aber öffentlich die Frage gestellt, ob er die dafür nötigen Spieler habe. Kahn sieht die dadurch aufgekommene Diskussionen um den Kader als "Mega-Luxusproblem", betonte aber auch, dass verschärfter Konkurrenzkampf in Form von neuem Personal förderlich sein könnte. "Es ist wichtig, dass man den Spielern das Gefühl gibt: Gemütlich könnt ihr es euch bei uns nicht machen, sondern: die Konkurrenz wartet, wir haben hier die allerhöchsten Ziele. Das führt ja meistens zu einem Hallo-Wach-Effekt bei der Mannschaft. Und jeder weiß, dass er nur, wenn er sich permanent an der Leistungsgrenze bewegt, beim FC Bayern eine Chance hat."
Mit Blick auf das DFB-Pokalfinale am 17. Mai gegen Borussia Dortmund ist Kahn trotz des jüngsten Leistungsabfalls nicht bange. "Meistens ist es so gewesen, dass der FC Bayern gewonnen hat, wenn er in einer kritischen Phase ist, wo viel diskutiert wird und ein bisschen Unruhe auch innerhalb der Mannschaft ist", sagte der 44-Jährige. Letzteres sei derzeit der Fall: "(Sportvorstand) Matthias Sammer hat ja das Wort von der Kuscheloase eingeworfen – momentan ist es keine Kuscheloase mehr."
Kahn hält gleichwohl nichts davon, vor dem Duell mit dem BVB alles über den Haufen zu werfen. "Du kriegst jetzt nichts mehr geändert, um Gottes Willen! Also: ruhig bleiben!", sagte er. Die Münchner müssten mit der aufgekommenen Kritik schlicht leben. Kahn sieht sie da als Opfer des eigenen Erfolgs. "Das sind einfach die Geister, die der Verein gerufen hat."
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Guardiola müsse sich indes fragen, ob er Fehler gemacht habe. Es sei vielleicht aus Sicht des Spaniers richtig gewesen, die Bundesliga nach dem vorzeitigen Gewinn der Meisterschaft als beendet zu bezeichnen, "aber das ist auch eine Kulturfrage. Vielleicht haben spanische Spieler eine andere Mentalität, vielleicht hat er es ein bisschen unterschätzt, dass deutsche Spieler da ein bisschen anders sind. Den Motor wieder anzuwerfen ist nicht so einfach..."