Hitzfeld: „Das Jagen liegt den Bayern nicht“

Ex-BayernTrainer Ottmar Hitzfeld über die ungewohnte Situation, nur Verfolger zu sein, über die Ausleihe von Jungstar Kroos zu Bayer Leverkusen – und warum der Titel am Saisonende doch in München bleibt
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Glaubt weiter an seine Bayern: Ex-Coach Ottmar Hitzfeld.
dpa Glaubt weiter an seine Bayern: Ex-Coach Ottmar Hitzfeld.

Ex-BayernTrainer Ottmar Hitzfeld über die ungewohnte Situation, nur Verfolger zu sein, über die Ausleihe von Jungstar Kroos zu Bayer Leverkusen – und warum der Titel am Saisonende doch in München bleibt

AZ: Herr Hitzfeld, am Sonntag spielt Bayern gegen Dortmund und Sie sind nicht mehr dabei.

OTTMAR HITZFELD: Ja, das ist schon merkwürdig. Und ich kann es leider nicht einmal live im Fernsehen anschauen. Ich bin in Zürich beim Derby zwischen Grashopper Club und FC Zürich.

Dabei waren Sie der letzte Dortmunder Trainer, dem ein Sieg beim FC Bayern gelang. Das war am 12. Oktober 1991, ein 3:0. Danach blieb der BVB 16 Mal in Serie sieglos in München. Wem wünschen Sie den Erfolg?

Meine Sympathie ist jetzt mehr bei Bayern, weil das ja noch vor einem halben Jahr meine aktuelle Mannschaft war. Bei Dortmund drücke ich Alexander Frei die Daumen, er ist mein Kapitän in der Schweizer Nationalmannschaft. Für Dortmund ist es immer schwer bei Bayern, diesmal doppelt. Dazu kommt jetzt: Nach der Pleite beim HSV sind die Münchner in Zugzwang, sie müssen sich rehabilitieren für die unglücklich verlorenen drei Punkte.

Sie kennen das aus all ihren Jahren bei Bayern. Nach einer Niederlage in der Liga ist die Mannschaft – ach, der gesamte Verein – richtig gereizt. Der nächste Gegner bekommt es zu spüren.

Klar, da steigt die Spannung, auch die Anspannung. Jeder ist noch motivierter und konzentrierter – daher bin ich mir sicher, dass Dortmund keine großen Chancen hat.

Vor dem 18. Spieltag sagten Sie, der FC Bayern wird sicher Meister und Hoffenheim in der Tabelle abrutschen. Der Trend war ein anderer, Bayern verlor 0:1, Hoffenheim besiegte Cottbus 2:0, blieb oben. Bleiben Sie bei Ihrer Prognose?

Ich habe das gesagt, bevor ich wusste, dass Sanogo verpflichtet wurde. Dadurch hat sich die Ausgangssituation geändert. Hoffenheim kommt in einen internationalen Wettbewerb, sie haben jetzt einen ähnlichen Stoßstürmer wie Ibisevic. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie Meister werden – das wird Bayern.

Obwohl sie jetzt Punkte verloren haben? Gerade jetzt, da die englischen Wochen und die Doppelbelastung mit der Champions League noch nicht begonnen haben?

Natürlich wäre es jetzt der richtige Zeitpunkt, ein paar Punkte gut zu machen. Wenn die Champions-League-Spiele beginnen, wird es nicht leichter. Im Gegenteil: Dann geht es an die Substanz, die Spiele, die Reisen – die Anspannung, die Motivation ist noch höher, es kostet nervliche Substanz.

Ein Weiterkommen ins Viertel- oder Halbfinale würde die Meisterschaft gefährden?

Nein, große Erfolge gegen große Mannschaften setzen Kräfte frei, desto motivierter ist man in der Meisterschaft.

Das Thema der Woche war das überraschende Ausleihgeschäft von Toni Kroos an Bayer Leverkusen. Was sagen Sie zu der spektakulären Ausleihe?

Das hängt immer von den Planungen des Trainers ab: Auf wen setzt er? Wer drängt in die Stammelf? Dazu kommt: Bayern konnte Sosa nicht abgeben. Wenn er weggegangen wäre, hätte man Kroos zu 100 Prozent behalten. Die Entscheidung kann ich nachvollziehen, sie ist genau richtig. Vernünftig.

Inwiefern?

Es kann ja nur Gewinner geben. Kroos profitiert – und wenn er seine Einsätze bekommt sowohl Leverkusen als auch der FC Bayern. Dann kommt er gestärkt zurück, bei Babbel und bei Lahm hat das ja früher auch geklappt.

Finden Sie es nicht bedauerlich, dass es Kroos nicht direkt bei Bayern geschafft hat? Sie waren es, der ihn im September 2007 zum jüngsten Bundesliga-Spieler aller Zeiten gemacht hat.

Junge Spieler sollten so viele Einsätze wie möglich bekommen, kein Training ersetzt Spielpraxis. Aber man muss auch sehen, welche Konkurrenz Kroos hat. An Ribéry kommt keiner vorbei, er ist Weltklasse. Dazu Schweinsteiger, der sich verbessert hat, dazu Altintop, der als Transfer voll eingeschlagen hat. Daneben setzt Trainer Klinsmann auf van Bommel und Zé Roberto. Aber ich bin mir sicher: Kroos wird einmal Stammspieler bei Bayern. Und in der Nationalelf. Da würde ich jede Wette eingehen. Er hat eine sehr hohe Spielintelligenz, ist für sein Alter sehr reif. Sein Weg ist programmiert.

Aber über den Umweg Leverkusen. Uli Hoeneß sagte anfangs der Woche, es ist unmöglich, zweigleisig zu fahren: Titel holen und Talente einzubauen.

Das ist immer ein Spagat. Bei Bayern stehen immer die Ergebnisse, der Erfolg im Vordergrund. Es ist schön, junge Spieler zu fördern, aber Bayern ist kein Ausbildungsverein. Bei Arsenal London etwa geht es um ein möglichst attraktives Spiel und darum, junge Spieler zu integrieren und zu forcieren. Das geht bei Bayern nicht. Dahinter steckt eine andere Philosophie: Bei Bayern zählen nur Titel.

Wie war das bei Ihnen? Haben Sie öfter mal bewusst einen älteren, erfahrenen Spieler einem Talent vorgezogen – um das Risiko zu mindern?

Klar. Wenn in kritischen Spielen Erfahrung notwendig war. Aber ich habe 2001 Owen Hargreaves aufgestellt oder Bastian Schweinsteiger, als er 18 war, da habe ich ihn forciert. Doch in manchen Spielen muss man auf Ältere setzen, das ist bei Bayern so. Man kann nur junge Spieler bringen, wenn man fünf, sechs Punkte Vorsprung hat. Jetzt nicht. Nun ist Nervenstärke gefragt: Eine weitere Niederlage können sie sich kaum erlauben, dann wird’s gefährlich.

Das Hinterherhecheln schmeckt den Bayern nicht.

Richtig, das Jagen liegt ihnen nicht. Die Bayern sind immer stärker von der Pole Position.

Interview: Patrick Strasser

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