"Geht schon seit 40 Jahren so": An diesem Punkt geht ein Ex-Trainer hart ins Gericht mit dem FC Bayern

AZ-Interview mit Felix Magath. Als Trainer des FC Bayern holte der gebürtige Aschaffenburger zwei Mal in Folge das Double aus Meistertitel und Pokalsieg (2004/2005 und 2005/2006). Seit August ist der 72-jährige Sportvorstand beim Regionalligisten Viktoria Aschaffenburg.
AZ: Herr Magath, Sie haben die Fußballwelt unlängst mit Ihrem Engagement als Sportvorstand beim Regionalligisten Viktoria Aschaffenburg überrascht, sozusagen in Ihrer alten Heimat, wo Sie schon in den 70er-Jahren gekickt haben. Was passiert da gerade?
FELIX MAGATH: Dazu kann ich im Moment noch gar nicht viel sagen, weil ich da erst mal reinkommen muss. In den letzten Jahren hatte ich nicht so viel Kontakt zu Viktoria, insofern habe ich da im Moment noch zu wenig Informationen, dass ich da jetzt schon viel dazu sagen könnte.
Heißt: Sie verbringen jetzt erst mal viel Zeit auf der Autobahn?
Ja, klar. Aber ich bleibe ja in Bayern.
Gerade so. Hatten Sie über die Jahre denn noch Kontakt in die Heimat?
Selbstverständlich. Meine erste Meisterschaft habe ich dort 1970 gefeiert - die ist schon ein paar Tage her. Mit Teilen dieser Mannschaft habe ich mich jedes Jahr getroffen. Daher ist der Kontakt nicht abgerissen. Meine Mutter hat ja auch noch lange Jahre dort gelebt. Insofern ist Aschaffenburg für mich Heimat.
Ist das noch das Stadion, in dem Sie früher auch gespielt haben?
Absolut, auch wenn sich einiges geändert hat: Man hat das Spielfeld gedreht. Und modernisiert wurde natürlich auch.
"Der FC Bayern gehört immer noch zu den besten europäischen Teams"
Auch beim FC Bayern wurde so einiges modernisiert, seit Sie dort vor rund 20 Jahren Trainer waren. Wie erleben Sie Ihren Ex-Klub in den letzten Wochen vor dem Bundesliga-Start?
Es ist ja jetzt eine fast spiellose Zeit gewesen – diese Klub-WM habe ich nicht so ganz ernst genommen. Daher haben eher Transferangelegenheiten im Vordergrund gestanden.
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Für die Fußball-Interessierten schon.
Was für einen Kader hat der FC Bayern gerade: So ganz fertig ist der noch nicht, oder?
Naja, er hat einen Kader, der wieder deutscher Meister werden wird. Für die Bundesliga ist er immer noch zu gut. Die meisten Partien dominiert der FC Bayern so, dass im Grunde nie so ein richtiges Spiel zustande kommt. International ist Bayern die einzige deutsche Mannschaft, die in der Spitze mithalten könnte. Was die Champions League betrifft, ist das auch eine Frage von Tagesform und wie die Mannschaft im Frühjahr beisammen ist. Aber der FC Bayern gehört immer noch zu den besten europäischen Teams, und diesen Status wird er auch in dieser Saison behalten.

Magath über den FC Bayern: "Was die Führung des Vereins angeht, gibt es keine Klarheit"
Glauben Sie wirklich, dass der derzeitige Kader ausreichend ist? Selbst Spieler wie Harry Kane haben da schon öffentlich Zweifel angemeldet.
Der FC Bayern hat sich ja um offensive Spieler bemüht und wird das bestimmt auch weiterhin tun. Anscheinend ist man sich noch nicht ganz schlüssig. Woltemade: ja oder nein? Ich denke, da wird im Laufe der nächsten Tage schon noch was passieren.
Sie haben es angesprochen: Man ist sich nicht so ganz schlüssig. Ist das nicht ein Armutszeugnis für einen solchen Klub? Nicht dass es uns etwas angehen würde, aber: Kein Mensch weiß, wer beim FC Bayern die Transfers verhandelt. Dreesen? Eberl? Freund? Oder doch Uli Hoeneß? Von außen betrachtet wirkt es wie: Der eine sagt Hü, der andere sagt Hott. Ein richtig gutes Bild gibt der FC Bayern da nicht ab, oder?
Außer Manchester United gibt es keinen anderen Klub, der in einer vergleichbaren Situation ist wie der FC Bayern. Wir wissen, wie schwer sich ManUnited immer noch tut, das geht jetzt schon über viele Jahre. Lange hatten sie einen Mann wie Ferguson, der alles bestimmt hat. Bei Bayern war es Uli Hoeneß, der jetzt loslassen muss. Was die Führung des Vereins angeht, gibt es keine Klarheit. Wer hat welche Verantwortungen? Wer hat welche Kompetenzen? Insofern tut sich der FC Bayern gerade schwer.
Können Sie sich denn vorstellen, dass Uli Hoeneß loslässt?
(lacht) Das ist eine schwierige Situation für ihn und für den Klub, weil er Jahrzehnte lang so dominant und erfolgreich war. Das geht ja im Grunde schon seit 40 Jahren so.
Aber da war er halt noch 40 Jahre jünger, jetzt ist er 73. Das mit dem Nachfolger-Bestellen scheint irgendwie nicht so recht zu funktionieren, auch mit dem so lange herbeigesehnten Max Eberl nicht.
Das ist keine Frage des Alters. Aber nein, die richtige Führung hat der FC Bayern anscheinend noch nicht gefunden. Das müsste man in den Griff kriegen. Vielleicht finden Sie ja diese Saison zusammen.
FC Bayern genießt international "nicht mehr so die Anerkennung"
Schreckt so etwas auch Spieler ab? Oder ist denen eher egal, wer den Verein führt? Ist für die nur der Trainer, die Mitspieler und der Gehaltszettel relevant?
Das spielt für den Spieler keine große Rolle, wer den Verein führt. Aber dadurch, dass sich dieser Eindruck auch öffentlich verfestigt hat, glaube ich schon, dass auch international die Stärke, die der FC Bayern immer ausgestrahlt hat, nicht mehr so wahrgenommen wird. Möglicherweise hat das dann Auswirkungen. Es sind ja nicht nur die Spieler, die entscheiden, sondern auch die Berater. Es kann schon sein, dass der FC Bayern international nicht mehr so die Anerkennung genießt wie noch vor ein paar Jahren.
Der Klub kommt schon ziemlich verbeult aus den letzten Transfer-Wochen: Wirtz nicht bekommen, Woltemade nicht bekommen, und außer Luis Diaz noch keine weitere Verstärkung für den schmalen Kader.
Hinzu kommt, dass durch die Klub-WM eine richtige Vorbereitung auf die Saison fehlt. In der Bundesliga kann das der FC Bayern natürlich verkraften - ob das auch international funktioniert, wird sich zeigen.
Trauen Sie einem der Jungen wie Lennart Karl den Sprung ins Team zu?
Den konnte man noch nicht so richtig sehen. Nach solchen Spielchen wie bei der Klub-WM oder in der Vorbereitungszeit ist das noch nicht final zu beurteilen. Aber es macht mir Hoffnung, dass Bayern anscheinend ein bisschen ernster macht, nun auch eigene Talente wieder ins Team zu bringen.
Wäre mal wieder an der Zeit. Wie haben Sie Vincent Kompany bislang erlebt?
Ein ruhiger Vertreter, keiner, der sich aufspielt, eher zurückhaltend, ganz angenehm. Es war für ihn ein schwieriger Kader in der letzten Saison. Ich denke, dass man nun in der zweiten Saison klarer sehen wird, ob er die Mannschaft zur internationalen Spitze bringen kann oder nicht.