Für Guardiola gibt es wichtigeres als Titel
Pep Guardiola will vor allem die Spieler verbessern – und nicht bloß Trophäen sammeln: „Ich werde Bayern immer dankbar sein, dass sie es mir ermöglicht haben, es zu versuchen“, offenbart der Bayern-Coach
München - Für einen, der gerade erst mit der neuen Sprache angefangen hat, mutet sich Pep Guardiola ganz schön viel Text zu. Während des Spiels auch nach dem Spiel, im Dialog mit den Reportern. Ständig wollen alle wissen, was er denn so vorhat mit dem Triple-Sieger, wo all die Stars ein Stammplätzchen finden sollen und warum der weltbeste Rechtsverteidiger plötzlich im Mittelfeld spielt. Solche Sachen. Guardiola redet und redet, und sagt zum Schluss, so dass es kaum jemand mitkriegen kann, weil auf Italienisch: „Es sind nicht die Titel, die einem Trainer zu Prestige verhelfen.“ Wie jetzt? Keine Titel? Mit den Triple-Bayern? Geht ja gar nicht.
Wenige Tage vor dem ersten Pflichtspiel mit der Pokalpartie am Montag in Rehden herrscht eine gewisse Verunsicherung beim FC Bayern. Egal, welchen Spieler man nach dem 2:0 im Audi-Cup-Halbfinale gegen den FC Sao Paulo nach dem neuen Spielsystem fragte, alle spielten sie auf Zeit: Es dauere halt noch ein wenig, bis man verstanden habe und umsetzen könne, was der neue Coach sich so vorstellt. Kapitän Lahm: „Wir sind mitten in der Entwicklung.“ Claudio Pizarro (34) gab zu: „Ich hatte noch nie einen Trainer, der so viel verändert hat. Es ist nicht immer einfach zu verstehen, was er will.“ Arjen Robben meinte vielsagend: „Man muss den Fußball ja nicht schwieriger machen als er ist.“
Bastian Schweinsteiger, der erstmals unter Guardiola auflief, meinte nach der Partie, er wisse „nicht so genau“, welche Rolle der Trainer für ihn vorgesehen habe und „wo ich spiele“. Er könne aber „alle drei zentrale Positionen im Mittelfeld spielen“, fügte der Mann an, den Sportvorstand Matthias Sammer zuvor noch zum „besten Mittelfeldspieler der Welt“ erklärt hatte. Und der weiß nun nicht, wo und was er spielen soll?
Guardiola erklärt. Auf die Frage, ob er das 4-1-4-1-System für den FC Bayern entwickelt habe, sagte er: „Systeme sind wie Nummern im Telefonbuch. Sie sind nicht das Wichtigste. Alle wissen, welche Art von Spielern ich bevorzuge. Ich bin überrascht, wie sehr die Spieler bereit sind zu lernen und wie viel sie schon umgesetzt haben von dem, was ich will. Das ist mein größtes Glück: dass die Spieler mich verstehen und von mir lernen wollen.“
So weit, so gut. Doch dann folgte dieser Satz von den ach so unwichtigen Titeln, über den in der Chefetage so manche Stirn gerunzelt werden dürfte. Guardiola legte sogar nach: „Titel sind schön, aber am Ende geht es nur darum, dass die Spieler irgendwann zu dir sagen: ,Trainer, du hast mich echt nach vorne gebracht. Ich habe viel gelernt.’ Das ist das größte Glück eines Trainers.“ Das mag so sein und ist aus Guardiolas Sicht auch ein erstrebenswertes Ziel. Allerdings dürfte es sich bis zu ihm herumgesprochen haben, dass man beim Rekordmeister durchaus Wert legt auf den Gewinn des ein oder anderen Titels, dass vielmehr fast so etwas wie ein Pokalzwang herrscht. Doch der Alles-Gewinner sagt: „Egal, wie es ausgeht: Ich werde dem FC Bayern immer dankbar sein, dass sie es mir ermöglicht haben, es zumindest zu versuchen.“ Baut da etwa einer vor für den möglichen, aber mäßig wahrscheinlichen Fall des Nicht-Erfolgs? Bei Barça kam der Erfolg ja auch nicht über Nacht, gab es Probleme zu überwinden. Aber: Immerhin kannten und verstanden dort alle das System Pep.