Ex-Nationalspielerin Turid Knaak: "Ein Zeichen, dass man mehr in die Jugendarbeit investieren muss"
München - Erster gegen Dritter, Topteam gegen Topteam: Die Frankfurter Eintracht empfängt am Samstag (13 Uhr, Hessischer Rundfunk) die Bayern-Frauen. Ex-Nationalspielerin und DAZN-Expertin Turid Knaak, die das Spiel mitkommentieren wird, spricht im AZ-Interview darüber, was Bayern der Eintracht voraus hat - und wie sich die Frauen-Bundesliga insgesamt entwickelt.
AZ: Die Eintracht liegt 10 Punkte hinter den Bayern-Frauen, hat die letzten beiden Spiele verloren. Kann man bei Eintracht Frankfurt in dieser Saison von einem Topteam sprechen?
Turid Knaak: Sie sind ein Topteam, aber vor allem durch die Doppelbelastung mit der Champions League hatten sie viele Spiele. Da könnte es sein, dass ihnen zum Saisonende hin ein wenig die Luft ausgeht. Sie haben viele Topspielerinnen, aber ihnen fehlt die Breite im Kader. Nur so können sie aber mit Wolfsburg und den Bayern mithalten. Das ist der nächste Entwicklungsschritt in Frankfurt.
Viele Spielerinnen sind seit Jahren bei der Eintracht, der Trainer auch, alle kennen sich gut. Wo liegen die Probleme?
Sie sind immer noch ein junges Team, das sich von Jahr zu Jahr weiterentwickelt. Vergangene Saison haben sie sich nicht für die Champions League qualifiziert, diese Saison schon, mussten dafür aber auch Lehrgeld zahlen. Diesen Prozess muss die Mannschaft durchmachen. Aus Frankfurter Sicht muss man den Kader verstärken, um die nötige Breite zu haben, damit Topspielerinnen mal eine Pause bekommen.
FC Bayern hat gelernt: "Man braucht einen breit aufgestellten Kader"
Die FC Bayern Frauen haben das im Sommer getan und den Kader mit Topspielerinnen verbreitert. Sind sie der Eintracht einen Schritt voraus?
Vergangenes Jahr ist den Bayern-Frauen die Luft ausgegangen, wie man in der Champions League gesehen hat. In der Sommerpause haben sie sich verstärkt und im Winter nach der Verletzung von Magdalena Eriksson nachgelegt und Linda Sembrant verpflichtet. Bayern hat gelernt: Man braucht einen breit aufgestellten Kader, um international eine Spitzenmannschaft sein zu können.
Trotzdem hat es für Bayern nicht gereicht, um in der Champions League das Achtelfinale zu erreichen. Warum nicht?
Es waren nicht die Spiele gegen Paris, in denen man es verspielt hat. Ajax ist dieses Jahr eine Überraschungsmannschaft. Dazu hatte man Pech, in den letzten Minuten nach individuellen Fehlern noch Gegentore kassiert zu haben. Vieles lief gegen die Mannschaft. Sie sind nicht wegen fehlender Qualität gescheitert.
Knaak: Keine Sorge um die deutschen Teams in Europa
Auch Frankfurt hat es in der Champions League nicht über die Gruppenphase hinausgeschafft. Was bedeutet das für den Frauenfußball in Deutschland?
Natürlich wird es enger in Europa, es wird immer schwieriger, in der Champions League weit zu kommen. Wolfsburg hatte zu Beginn der Saison Probleme, sie haben es sich selbst zuzuschreiben. Die Qualifikation für die Champions League kam zu einem ungünstigen Zeitpunkt.
Die Eintracht hat gegen Barcelona zwei extrem gute Spiele gemacht, in denen sie gezeigt hat, dass sie international gut mithalten kann. In manchen Situationen, zum Beispiel gegen Benfica Lissabon, hat man gesehen, dass sie nicht mutig genug waren. Auch die Bayern haben es unglücklich verspielt. Ich mache mir deshalb keine Sorgen um die deutschen Teams im internationalen Vergleich.

Die englische Liga ist schneller, auch die spanischen Teams haben sich enorm weiterentwickelt. Die DFB-Elf, in der viele Spielerinnen von Wolfsburg, Bayern und Frankfurt spielen, schied nach der Vorrunde aus. Sehen sie einen Zusammenhang?
Natürlich sollte man sich in Deutschland Gedanken machen, wie man sich künftig aufstellen will. Spanien ist ein Beispiel für eine extrem gute Jugendarbeit. Man sieht, dass die Spielerinnen – etwa bei Barcelona – sehr gut ausgebildet sind. Ein Zeichen an Deutschland, dass man mehr in die Jugendarbeit investieren muss. Das Geld ist eher in die Professionalisierung der ersten Liga geflossen. Vereinen wie dem FC Bayern ist das bewusst. Sie versuchen, ihre Jugend und die zweite Mannschaft auszubauen und eigene Talente zu entwickeln. Das wird sehr wichtig für die Nationalmannschaft sein.
Aufstockung der Frauenbundesliga? "Kann ein sinnvoller Schritt sein"
Zuletzt kam auch wieder die Idee einer U23 auf Nationalmannschaftsebene auf. Ein Baustein, um den Übergang von der Jugend in den Profibereich zu erleichtern?
Ich habe das Gefühl, dass es in den vergangenen Jahren für junge Spielerinnen schwieriger geworden ist, den Step in die erste Mannschaft zu machen. In meiner Jugend, als wir U17-Meisterinnen wurden, kamen sechs Spielerinnen aus dem Meisterkader in die erste Mannschaft hoch, zum Champions-League-Aspiranten FCR Duisburg. Durch die größere Leistungsdichte, mehr Wettbewerb und mehr Geld ist es heute schwieriger, diesen Step zu machen.
Was würden Sie von einer Erweiterung der Frauen-Bundesliga halten? Trägt das dazu bei, dass die Liga professioneller wird?
Viele sagen, mit einer Erweiterung der Liga würde nicht automatisch die Qualität steigen. Das kann sein. Ich bin aber vor allem dafür, die Liga auf 14 oder perspektivisch 16 Teams aufzustocken, um ein größeres Mittelfeld zu haben. Im Moment müssen die Mannschaften ab Platz sechs oder sieben in der zweiten Saisonhälfte häufig bangen, nicht abzusteigen. Investments werden nicht getätigt, weil der Klub nicht weiß, ob sie die Liga halten. Zudem gibt es viele große Vereine in Deutschland, die in den Frauenfußball hineinwachsen wollen. Ihnen eine Chance zu geben, ist wichtig. Eine Aufstockung kann ein sinnvoller Schritt sein.
Eine Aufstockung wäre für die Vereine auch aus finanzieller Sicht ein Reiz: mehr Spiele, mehr Zuschauer, mehr Relevanz für Sponsoren.
Die TV-Gelder im aktuellen TV-Rechtezyklus müssten auf mehr Vereine verteilt werden, da könnte für den einzelnen Verein weniger abfallen. Wichtig ist, regelmäßig sichtbar zu sein, um eine Aufmerksamkeit zu schaffen. Jetzt haben wir phasenweise kaum Bundesliga-Spiele. Ich glaube, diese Konstanz, mehr Spiele, würden dazu beitragen, dass mehr Leute aufmerksam werden.
Wie hat sich die Sichtbarkeit des Frauenfußballs in Deutschland in den vergangenen Jahren verändert?
Noch vor einigen Jahren sind zum Beispiel die Champions-League-Spiele nicht übertragen worden. Fans können sich jetzt alles anschauen, dadurch ist sie Sichtbarkeit größer geworden. Es gibt auch häufiger Spiele in großen Stadien. Um den Fußball attraktiv zu machen, muss man Gesichter schaffen, die für die Liga stehen. Die Nationalspielerinnen sind heutzutage bekannte Persönlichkeiten. Auch mit den Vereinen muss man Gesichter verbinden können, die als Vorbilder für Mädchen und Jungs dienen. Wenn man weiß, wem man zuschaut, wird es interessanter.
Frühere Nationalspielerinnen "waren eher Phantompersönlichkeiten"
Birgit Prinz, Nia Künzer, Simone Laudehr: Die früheren Topspielerinnen sind doch auch bekannt…
Ja, total! Ich habe aber das Gefühl, sie waren eher Phantompersönlichkeiten. Als ich angefangen habe, Fußball zu spielen, hat mir mein Papa erzählt, dass es Birgit Prinz gibt, dass es Mia Hamm in den USA gibt. Aber ich konnte sie nur zur WM spielen sehen. Daran erinnere ich mich, aber ich habe kein genaues Bild davon, wie sie Fußball spielen.
Lena Gercke designt das Trikot der Bayern-Frauen, die Spiele der Frauenbundesliga werden am Wochenende kostenlos auf DAZN übertragen. Schafft man heute mehr Aufmerksamkeit?
Marketing ist ein entscheidender Faktor. Man kann sich darüber streiten, ob es sein muss, dass Lena Gercke das Trikot der Bayern-Frauen designt. Man ist in dieser Hinsicht definitiv weiter als früher.
Bayern gegen Frankfurt am Wochenende und im Pokal Ende März. Wer gewinnt?
In der Theorie hat Frankfurt das Potenzial, Bayern zu schlagen. Bayern hatte vor der Länderspielpause Probleme gegen Essen. Ich glaube, dass es möglich ist, Bayern zu knacken, aber sie werden das Spiel sehr ernst nehmen, weil sie Meister werden wollen. Ich tippe auch auf einen Sieg der Bayern im DFB-Pokal-Halbfinale. Die Fans wünschen sich endlich mal ein Finale zwischen Wolfsburg und Bayern. Das war in den vergangenen Jahren meistens ein Viertel- oder Halbfinale.
Und vielleicht wünschen sich die Fans auch einen anderen Pokalsieger als wieder der VfL Wolfsburg?
Sie sind seit 48 Pokalspielen ohne Niederlage, das ist extrem bemerkenswert. Bayern ist die Mannschaft, die sie vor die meisten Probleme stellen würde.