FC Bayern: Wer san mia?
MÜNCHEN - Mit dem Spiel gegen Juventus beginnt für Bayern die Saison von neuem. Van Gaal ist skeptisch, Schweini will die Italiener „nach Hause schicken“, Matthäus erwartet „einen kleinen Matchpoint“.
Louis van Gaal wartet ungern. Und so tat er sich schwer bei der Pressekonferenz vor der Partie gegen Juve. Van Gaal konnte die Fragen nicht sofort beantworten, er musste warten – auf den Dolmetscher, der für die italienischen Reporter übersetzte. Und obwohl er wie ein Sprinter arbeitete, schien dem Bayern-Coach die Wartezeit lange zu werden: Wann geht’s endlich los?
Es herrscht Einigkeit, dass mit dem Knaller gegen Juve die Saison praktisch noch mal beginnt. Wenn man Louis van Gaal zuhörte, konnte man den Eindruck gewinnen, dass da eine gewisse Skepsis bei ihm herrscht. Nicht nur Ungeduld, auch Unsicherheit: Wie gut ist mein FC Bayern schon? Van Gaal sagt: „Ich bin erst seit zwei Monaten hier. Wir sind in einem Prozess, erst am Anfang dieses Prozesses.“ Das klingt vorsichtig, so gar nicht nach „Mia san mia“, wie zu Dienstbeginn noch postuliert.
Fehlstart, fünf Siege in Serie, Niederlage beim HSV: Die Unsicherheit über den Leistungsstand ist fast mit Händen zu greifen. Arjen Robben, der montags wie Ribéry beim Training fehlte, nun aber wie auch der Franzose fit ist, sagt: „Das ist ein großer Test für uns. Wir müssen uns beweisen. Erst dann kann man sagen, wo wir stehen.“ Bastian Schweinsteiger witzelt: „In der Ära Louis van Gaal sind wir sicher noch am Anfang.“ Ansonsten sei man auf einem guten Weg.
Matthäus: "Auch Juve hat sich nicht mit Ruhm bekleckert"
Das glaubt auch Ex-Bayer Lothar Matthäus: „Mit Haifa hat man schon einen starken Gegner trotz 60-minütiger Probleme 3:0 geschlagen. Aber so einfach war das nicht. Ich glaube, dass Haifa in dieser Gruppe den einen oder anderen Punkt holt und somit vielleicht sogar Bayern eine gute Positionierung verschafft.“ Er sieht gute Chancen für seinen Ex-Klub: „Juventus hat sich am Wochenende auch nicht mit Ruhm bekleckert beim 1:1 gegen Bologna. Zudem hat Bayern Heimspiel: Das ist schon ein kleiner Matchpoint. Und wenn Juve verliert, sind sie schon fünf Punkte dahinter.“
Was den Kader betrifft, macht sich Matthäus keine Sorgen: „Bayern hat genügend Spieler, um sowohl in der Defensive als in der Offensive international mithalten zu können.“ Zu bedenken sei der Faktor Zeit: „Ein neuer Trainer, neue Spieler, neues System – das geht nicht vom einen auf den anderen Tag.“
Nichts anderes predigt van Gaal – wie jeder frisch verpflichtete Coach. Gegen Turin erwartet er „einen Hit“, er lobt Juventus als „Spitzenmannschaft“, die eine „große Auswahl an Spielern“ besitze, erfahren sei („viele Spieler zwischen 25 und 35“) und wie alle italienischen Klubs „sehr gut organisiert“ sei. Drei von vier Spielen gegen Juventus hat Bayern verloren. Das spiele keine Rolle, so van Gaal: „Das ist abhängig von den Umständen. Wenn ich mit meinen vorherigen Klubs gegen italienische Teams gewonnen habe, haben die Umstände gepasst.“ Tun sie das derzeit etwa nicht?
In der Tat: Es gibt Störfeuer, aus dem eigenen Haus. Stürmer-Legende Gerd Müller hatte seinen Nachfolgern schlechte Zeugnisse ausgestellt: „Wenn man sieht, wer heute die Stürmer in der Nationalmannschaft sind – die hätten früher nicht mal am Ball riechen dürfen.“ Klose und Gomez werden dies mit Verwunderung vernommen haben.
Bastian Schweinsteiger fand dagegen ermunternde Worte: „Es ist Oktoberfest. Da kommen viele Italiener – die wollen wir natürlich nach Hause schicken.“ Ohne Punkte, versteht sich.
Thomas Becker