"Er hatte überall Blut, ein furchtbares Bild"

Am Donnerstag wird Uli Hoeneß 60. Im zweiten Teil der AZ-Serie geht es darum, wie Bayerns Boss vor 30 Jahren einen Flugzeugabsturz überlebte
München - Das zweite Fest schenkt sich Uli Hoeneß mittlerweile. Seinen Geburtstag, natürlich auch den 60. am Donnerstag, wird der Bayern-Präsident feiern. Den 17. Februar 1982 jedoch nicht mehr. „Am Anfang habe ich an diesem Tag immer ein kleines Fest gefeiert”, erzählte Hoeneß kürzlich, „aber irgendwann habe ich mir gedacht: Bist du bescheuert? Du feierst und drei andere sind tot. Seitdem nicht mehr.”
Es ist 19.45 Uhr an jenem 17. Februar 1982, als Wolfgang Junginger dem Tower des avisierten Flughafens in Hannover-Langenhagen erstmals Schwierigkeiten meldet. Nun zittern die Hände des Piloten, er hat die Maschine nicht mehr im Griff, verliert rasch an Höhe. Die Sicht ist schlecht in der kalten Februarnacht über Osterwald, einem Stadtteil der Stadt Garbsen, es ist unangenehm diesig. Der Flughafenlotse reagiert schnell und rät dem Piloten, trotz des begonnenen Landeanfluges wieder an Höhe zu gewinnen, dann Richtung Norden abzudrehen und kontinuierlich zu steigen.
Danach reißt der Kontakt ab. Hektisch setzt Junginger Notrufe ab, zu spät – er hat die Maschine rund 15 Kilometer von der Landepiste entfernt nicht mehr unter Kontrolle. Die Piper-Seneca schlägt im Sturzflug die Wipfel einiger Eichen ab, kracht auf eine Wiese, rutscht 100 Meter weit und bleibt erst an einem Weidezaun hängen. Vorfreude auf den gemeinsamen Abend hatte wenig zuvor noch das kleine Flugzeug erfüllt, nun war da nichts als ein kaltes, lebloses Wrack.
Sie wollten Paul Breitner beim Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Portugal zuschauen und danach noch etwas zusammensitzen, essen und plaudern. Sie, das waren Uli Hoeneß und sein enger Freund Helmut Simmler, der Direktor des Münchner Copress-Verlages. Geflogen wurden die beiden von Junginger und Co-Pilot Thomas Kupfer, einem Studenten aus München.
Bei einer Kontrollfahrt durch sein Revier, das Heitlinger Moor bei Hannover, sieht Karl-Heinz Deppe, von Beruf Jäger, an jenem Abend plötzlich im Kegel der Scheinwerfer etwas durchs Unterholz kriechen. Ein Wildschwein, glaubt er, oder ein tollwütiger Fuchs.
Dann werden die Konturen klarer: Es ist ein Mensch. Deppe steigt aus und erkennt, dass es ein Mann sein muss. „Er kam mir auf Händen und Knien entgegen.” Die Kleider sind zerfetzt, der Mann ist blutüberströmt und steht unter Schock. „Er hatte überall Blut. Ein furchtbares Bild. Er redete völlig unzusammenhängende Worte, ich konnte nur verstehen, wie er stöhnte: ,Ich friere.’ Und dann habe ich ihn erkannt.” Er bringt ihn ins Krankenhaus.
Erst um 21.57 Uhr haben Polizei und Rettungsdienst die verschwundene Piper-Seneca geortet. In einem Umkreis von über 100 Metern lagen die Trümmer verteilt, das Cockpit hatte sich beinahe zur Hälfte in den Boden gebohrt. In den Sitzen klemmten drei Leichen, die bis zur Unkenntlichkeit entstellt waren. Hoeneß war weit hinausgeschleudert worden, das war sein Glück. Später wird ihm gesagt werden, dass es nur einen Platz in der Maschine gegeben habe, auf dem man diesen Absturz hatte überleben können. Seinen Platz. Ganz hinten rechts. Nicht angeschnallt.
Eine Woche später sitzt Hoeneß wieder in einem Flugzeug, von Hannover zurück nach München – nach der Entlassung aus dem Krankenhaus. Heute sagt er: „Die Erinnerung an den Absturz kommt Gott sei Dank auch bei größtem Nachdenken nicht zurück. Heute bin ich im Flugzeug unruhig, habe aber keine Angst.”