Die Macht der Kurve: Warum Bayerns Wende bei Boateng nachvollziehbar ist

Beim FC Bayern wurde in der vergangenen Woche auf höchster Ebene intensiv diskutiert, beraten, abgewogen. Und am Ende für die Harmonie im Klub entschieden. Jérôme Boateng kommt also doch nicht für ein Praktikum bei Trainer Vincent Kompany an die Säbener Straße, der Plan wurde nach heftigen Protesten der Südkurve verworfen. Das gaben sowohl Boateng als auch der FC Bayern nach dem 3:0 bei Borussia Mönchengladbach bekannt - eine Woche vor der Jahreshauptversammlung am 2. November.
Öffentlicher Druck zu groß
"In einem konstruktiven Austausch, den der FC Bayern und Jérôme Boateng in dieser Woche hatten, wurde entschieden, dass Jérôme Boateng nicht beim FC Bayern hospitieren wird", hieß es in der offiziellen Mitteilung des Klubs: "Jérôme fühlt sich dem FC Bayern sehr verbunden und möchte nicht, dass der FC Bayern aufgrund der aktuellen kontroversen Diskussion um seine Person Schaden nimmt."

Der öffentliche Druck wurde den Verantwortlichen letztlich zu groß, vielleicht hatten sie die Wucht der Debatte zu Beginn auch ein bisschen unterschätzt. Im Bundesliga-Heimspiel gegen Borussia Dortmund vor einer Woche hatten die Fans in der Südkurve drei Banner hochgehalten, auf denen sie sich mit deutlichen Worten ablehnend gegen eine Boateng-Hospitation positionierten. "Kein Platz für Charakterschweine in unserem Verein - Kein Platz mehr für Boateng!", stand auf einem der Transparente geschrieben.
Proteste der Fans
Der harte Kern der Fans bezog sich bei seinem Protest offenbar darauf, dass Boateng im Jahr 2024 vom Landgericht München I wegen vorsätzlicher Körperverletzung an einer Ex-Freundin schuldig gesprochen und verwarnt worden war. Boateng bestreitet, jemals eine Frau geschlagen zu haben. Er ist nicht vorbestraft. Und doch möchte die aktive Fanszene nichts mehr mit dem zweimaligen Champions-League-Sieger, der von 2011 bis 2021 für Bayern spielte, zu tun haben.

„Das Thema ist aus dem Nichts sehr groß“, hatte Sportvorstand Max Eberl nach dem ersten Protest gegen Dortmund gesagt. Vorstandschef Jan-Christian Dreesen meinte: "Es ist ein komplizierter Fall. Ich glaube auch, dass jedem Menschen auch eine Resozialisierung zusteht." Der Fall Boateng wurde dann noch größer, als die Fans im Champions-League-Spiel gegen Brügge vier Tage später nachlegten. "Gegen Missbrauch und physische und psychische Gewalt in Beziehungen“, stand auf einem großen Spruchband und Tausenden kleinen Zetteln geschrieben. Eine entsprechende Online-Petition gegen Boateng wurde von fast 30.000 Menschen unterzeichnet.
Potenzial für Unruhe
Das Thema hätte das Potenzial gehabt, in den kommenden Wochen für weitere Unruhe zu sorgen - erst recht auf der Jahreshauptversammlung am kommenden Sonntag. Herbert Hainer will sich erneut zum Präsidenten wählen lassen, die Münchner wünschen sich eine gute Stimmung im BMW Park (ab 10.30 Uhr). Man kann davon ausgehen, dass es bei den Wortmeldungen am Ende der Veranstaltung kritische Stimmen zum ursprünglichen Plan mit Boateng geben wird. Die Hospitation im Vorfeld abzusagen, dürfte die Gemüter aber beruhigen.
Die Macht der Kurve. Schon vor zwei Jahren, als über ein Boateng-Comeback in der damaligen Bayern-Mannschaft von Thomas Tuchel spekuliert wurde und der Verteidiger mit dem Team trainierte, gab es deutlichen Gegenwind. „Misogyne Gewalt ist keine Privatsache!“, lautete da die Botschaft in der Südkurve. An der Haltung der Ultras hat sich seitdem nichts geändert. Und damit wird die Akte Boateng beim FC Bayern wohl geschlossen sein.
Boatengs Zukunftspläne
"Euer Fokus sollte einzig und allein dem Platz gehören - und dem Ziel, diese beeindruckende Serie von 13 Siegen in Folge fortzuführen", schrieb Boateng, der mit Coach Kompany einst beim Hamburger SV und Manchester City zusammenspielte, bei Instagram. "Ich bin der Clubführung und dir, lieber Vincent, sehr dankbar für das Vertrauen und die Möglichkeit, Teil davon zu sein. Ich wünsche euch von Herzen, dass Ihr am Ende der Saison eure großen Ziele erreicht." Boatengs Ziel lautet jetzt: Die A-Lizenz machen und Trainer werden. Aber nicht bei Bayern.